Wirtschaftspolitik:Lieber Staat, bitte halte dich raus!

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Was verbindet die Verkaufsgerüchte um Opel und die Zukunftsaussichten der Energiekonzerne? Die Antwort: die Rolle der Politik. Sie muss sich raushalten aus konkreten Entscheidungen - und sich stattdessen um etwas anderes kümmern.

Marc Beise

Angela Merkel ist über General Motors verärgert. Der größte US-Autobauer solle Klarheit über die Zukunft seiner deutschen Tochter Opel schaffen, ließ die deutsche Regierungschefin den amerikanischen Managern über die Medien mitteilen.

Die Politik sollte sich aus der Debatte um die Zukunft von Opel raushalten. (Foto: dpa)

Das Kanzlerwort kommt früh in einer Debatte, die anschwillt. Kaum sind Hinweise in der Welt, dass GM sich womöglich von Opel trennen will, erklimmen Politiker aller Parteien die Bühne. Bald wird die Frage wieder lauten: Soll die Politik nicht nur reden, sondern auch handeln? Muss der Staat Opel retten?

Das Thema ist bekannt aus der Zeit von vor zwei Jahren, als GM in der Wirtschaftskrise mit Werksschließungen in Europa drohte und auf Subventionen pochte. Die Bundesregierung hatte damals relativ rasch und klar entschieden, kein Geld zu geben. Das war richtig so, denn Staat ist Staat und Markt ist Markt. Der Staat setzt den Rahmen und kontrolliert, er darf nicht parteiisch sein im Interesse einzelner Unternehmen.

Anderes gilt allenfalls, wenn die Ordnung eines Landes insgesamt auf dem Spiel steht. Den Banken, die das nicht verdient hatten, musste in der Finanzkrise geholfen werden, weil ein Crash der Geldwirtschaft der Wirtschaft insgesamt den Betriebsstoff entzogen hätte. Unternehmen hätten keine Kredite mehr bekommen, Sparer ihr Geld verloren, allgemeine Panik wäre die Folge gewesen. Autofirmen aber sind keine Banken. So traurig zu wissen das für Opelaner ist, die um ihren Job fürchten: Der deutsche Wohlstand hängt nicht an Opel.

Die Bundesregierung hat im Nachhinein auch taktisch recht bekommen. Denn als die Subventionen ausblieben, investierte GM trotzdem weiter in seine Tochter Opel. Die Amerikaner hatten also geblufft, sie brauchten die fleißigen Deutschen mit ihrem Forschungswissen und ihrer Innovationskraft.

Schneller als gedacht aber kommt die Debatte zurück. Bei GM mehren sich die Stimmen derer, die glauben, auf Opel verzichten zu können. Die Mit-Konzernmarke Chevrolet entwickelt sich gut, sie könnte Opel im Kompaktwagenbereich ablösen. Und die Deutschen machen zu wenig Geld in einem Konzern, dessen Zahlen insgesamt steil nach oben zeigen; das mögen die Manager in Detroit nicht.

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Freude, Trauer - und immer wieder Hoffnung: Zwölf Monate lang erlebten die Opelaner ein Wechselbad der Gefühle. Jetzt fährt Opel mit GM vorwärts in die Vergangenheit. Das Drama in Bildern.

GM, das vor zwei Jahren praktisch pleite war, hat wieder Oberwasser. Hier setzen diejenigen an, die Staatshilfe für sinnvoll halten. Ihr Held ist Barack Obama. Der US-Präsident hatte GM in der Krise mit 50 Milliarden Dollar Steuergeldern ausgeholfen. Damals gab es viel Kritik, heute ist diese verstummt. Gibt der Erfolg Obama recht - oder können die Deutschen daraus etwas lernen? Dies zu behaupten wäre reichlich voreilig.

Für das Comeback gibt es mehrere gute Gründe: Restrukturierung, Ausgliederung von Altlasten, eine bessere Modellpolitik, vor allem auch die Schwäche des Konkurrenten Toyota, die nicht vorherzusehen war. Wie viele Dollar von den eingesetzten 50 Milliarden der amerikanische Steuerzahler wiedersieht, ist offen. So müsste unter anderem der Kurs der Aktie auf 53 Dollar steigen; heute liegt er bei 33 Dollar. Keine guten Gründe also für mehr Auto-Planwirtschaft.

Anders könnte es bei der Energie sein. Hier greift die Politik tief in den Markt ein, wenn sie im Einklang mit der öffentlichen Meinung den Blitzausstieg aus der Kernenergie beschließt. Die großen deutschen Konzerne - voran RWE und Eon - stehen nun mit dem Rücken an der Wand, ihnen fehlt mit einem Schlag eine Strategie, um international mithalten zu können.

Viele Milliarden Euro sind - aus heutiger Sicht - fehlinvestiert; die zusammengeschnurrten Aktienkurse sprechen Bände. Die Konzerne werden Geschäftsteile verkaufen müssen, um wieder flüssig zu werden, die Gefahr einer Übernahme aus dem Ausland wächst.

Dann wird die Politik bekannt hektisch reagieren und den Einstieg von ausländischen - sagen wir: russischen - Konzernen zu verhindern suchen. Im Grunde wäre das falsch. Deutsche Unternehmen kaufen im Ausland zu, also dürfen auch Ausländer in Deutschland zu kaufen - es sei denn allerdings, die Versorgungssicherheit wäre ernsthaft in Gefahr.

Sich darüber heute schon Gedanken zu machen und die richtigen Rahmenbedingungen für den Energiemarkt zu schaffen, das wäre vorausschauende Politik. In diesem großen Spiel ist Opel nur ein Nebenkriegsschauplatz.

© SZ vom 11.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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