Ampelkoalition:Das will der SPD-Wirtschaftsflügel

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Über die Energieversorgung wird gestritten in der Ampelkoalition. Die SPD fordert einen staatlich subventionierten Strompreis für die Industrie. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Wirtschaftsexperten der Partei wollen endlich aus dem Schatten der Koalitionspartner treten und verlangen unter anderem einen staatlich subventionierten Strompreis für die Industrie.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

An politischem Streit, da dürfte ausnahmsweise einmal niemand widersprechen, hat es in der Ampelkoalition zuletzt keinen Mangel gegeben: Einhaltung der Schuldenbremse, Austausch von Heizungen, Einführung einer Kindergrundsicherung - kaum ein Thema, um das nicht lautstark gerungen wurde. Zu den Streithähnen zählten unter anderem Finanzminister Christian Lindner, Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Familienministerin Lisa Paus (beide Grüne). Ein Koalitionspartner allerdings, dazu noch der größte, hielt sich meist bedeckt und verfolgte das Geschehen vom Spielfeldrand: die SPD. Kaum einer weiß deshalb, wofür die Sozialdemokraten in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik derzeit stehen.

Das soll sich nun ändern, denn das Wirtschaftsforum der SPD will an diesem Montag ein Strategiepapier vorlegen, das Antworten liefert. Ziel müsse sein, den ökologischen und den digitalen Umbau des Landes voranzubringen und seine Resilienz zu stärken, heißt es in der 16-seitigen Positionsbestimmung, die der Süddeutschen Zeitung bereits vorliegt. Zudem müssten Abhängigkeiten, etwa bei Rohstoffen, reduziert und die Rolle mittelständischer Firmen als Innovationstreiber befördert werden. Das Wirtschaftsforum ist zwar kein offizielles Gremium der Partei, aber personell eng mit ihr verflochten: Dem politischen Beirat etwa gehören Bundeskanzler Olaf Scholz, Arbeitsminister Hubertus Heil sowie zahlreiche SPD-Bundestagsabgeordnete und Landesminister an. An diesem Dienstag lädt das Forum zu einer großen Konferenz, Redner werden unter anderem der Parteivorsitzende Lars Klingbeil und - als Gast - Finanzminister Lindner sein.

Konkret fordert der SPD-Wirtschaftsflügel einen staatlich subventionierten Strompreis für die Industrie, der bei fünf bis sieben Cent je Kilowattstunde liegen soll. Das wäre etwa die Hälfte dessen, was derzeit bei der Strompreisbremse gilt: Sie deckelt den Preis für energieintensive Firmen und industrielle Großkunden bei 13 Cent. Allerdings gilt diese Regelung nur für 70 Prozent des vorherigen Verbrauchs und läuft zudem zum Jahresende aus. Ab 2024 sei deshalb zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine Anschlusslösung nötig, heißt es in dem Strategiepapier: "Die Transformation braucht die Industrie, ohne sie keine Windräder, keine Solaranlagen, keine Halbleiter, kein die Transformation unterstützender Maschinen- und Anlagenbau."

Bevor Heizungen ausgetauscht werden, soll das Fernwärmenetz ausgebaut werden

Darüber hinaus fordert das Wirtschaftsforum eine drastische Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sowie eine viel stärkere Einbeziehung von Frauen, älteren Menschen und ausländischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt. Weitere Anliegen sind eine kontinuierliche Anhebung der öffentlichen Investitionen inklusive einer Ausnahmeklausel bei der Schuldenbremse, die Förderung privater Investitionen durch die Einführung von Prämien und einer steuerlichen "Superabschreibung", eine koordinierte europäische Industriepolitik sowie der Abschluss weiterer Handelsabkommen und Rohstoffpartnerschaften.

Um den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu bekämpfen, plädiert der SPD-Wirtschaftsflügel für einen neuen gemeinnützigen Wohnungsbau. Kritisch sieht er dagegen die Pläne von Wirtschaftsminister Habeck, in den kommenden Jahren Hunderttausende Heizungen in deutschen Kellern auszutauschen. Zwar sei eine "Wärmewende" dringend notwendig. Sie dürfe aber nicht zu einem "sozialen Sprengsatz" werden. Statt auf "gebäudefixierte Lösungen" zu setzen, müssten zunächst die Nah- und Fernwärmenetze klimaneutral ausgebaut werden. "Erst dort, wo diese Investitionen nicht ausreichen, muss das Einzelgebäude in den Fokus genommen werden", heißt es in dem Papier.

Letztere Forderung dürfte vor allem bei den Grünen auf Kritik stoßen, während die FDP die Idee eines Industriestroms wegen möglichen Wettbewerbsverzerrungen zulasten kleiner und mittlerer Betriebe skeptisch sieht. Neuer Streit in der Koalition ist also vorprogrammiert - diesmal mit Beteiligung der SPD.

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