Entscheidungen im Bundesrat:Nach monatelangem Streit: Steuererleichterungen für Betriebe kommen

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Sehr lange blieb das Wachstumschancengesetz der Ampelregierung liegen, jetzt ist es endlich beschlossen. Doch von einst geplanten sieben Milliarden Euro Entlastung für deutsche Unternehmen sind nur noch drei Milliarden Euro übrig geblieben. (Foto: Daniel Ingold/imago/Westend61)

Nur noch drei statt sieben Milliarden Euro: Ob das nun abgespeckte Wachstumschancengesetz die Konjunktur belebt, ist fraglich. Die Union verknüpfte das Thema mit den Subventionen für Bauern, für diese soll es jetzt zusätzliche Erleichterungen geben.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Nach monatelangem Streit zwischen Regierung und Opposition kann das geplante Milliardenprogramm zur Belebung der Konjunktur und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland nun in Kraft treten. Nach dem Bundestag stimmte am Freitag auch der Bundesrat dem sogenannten Wachstumschancengesetz der Ampelkoalition mehrheitlich zu. Es sieht vor allem Steuererleichterungen für Unternehmen und den Abbau von Bürokratie vor. Allerdings schrumpfte das Entlastungsvolumen des Pakets im Laufe der Verhandlungen von ursprünglich sieben auf nur noch gut drei Milliarden Euro. Angesichts der Gesamtgröße der deutschen Wirtschaft von mehr als vier Billionen Euro dürfte die stimulierende Wirkung des Gesetzes deshalb begrenzt sein.

Entsprechend nüchtern reagierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf den Beschluss der Länderkammer. Mit dem Gesetz setze man zwar "ein wichtiges Signal", schrieb er im Kurzmitteilungsdienst X. Es müssten aber weitere Schritte folgen, wenn die Lage der Wirtschaft grundlegend verbessert werden solle. "Wir arbeiten daran", so der Minister. Kanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb, das Paket werde Unternehmen helfen, in angespannten Zeiten in Forschung, Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum zu investieren. "Gut, dass es jetzt kommt", erklärte er.

Lindner hatte das Gesetz ursprünglich als milliardenschweren Rundumschlag für alle Branchen konzipiert. Sein Ziel: Die Firmen in der Konjunkturflaute entlasten und Investitionen in den Klimaschutz anstoßen. Kern der fast 50 steuerpolitischen Maßnahmen, die er vorgeschlagen hatte, war eine staatliche Prämie für Unternehmensinvestitionen, die die Länder allerdings als zu teuer ablehnten. Auch die in der Koalition diskutierten Steuergutschriften nach US-Vorbild, sogenannte tax credits, die investitionswillige Firmen direkt von der Steuerschuld abziehen können, wird es nicht geben.

Die Union verknüpfte die Verhandlungen mit den Protesten der Bauern

Übrig geblieben sind nun: eine großzügigere steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Anrechenbarkeit von Verlusten bei der Steuererklärung sowie die Wiedereinführung der sogenannten degressiven Afa. Sie erlaubt es Unternehmen, einen größeren Teil ihrer Ausgaben für Maschinen, Fahrzeuge und Materialien sofort steuermindernd abzuschreiben. Bisher sehen die Regeln eine gleichmäßige Abschreibung der Investitionskosten verteilt auf mehrere Jahre vor. Eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) war allerdings jüngst zu dem Schluss gekommen, dass die Maßnahme die effektive Steuerlast der Betriebe gerade einmal von 28,5 auf 28,3 Prozent verringern würde.

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Die Verhandlungen über das Wachstumschancengesetz waren vor allem dadurch erschwert worden, dass die Union das Vorhaben mit den Plänen der Regierung verknüpfte, im Zuge der Haushaltskonsolidierung den Landwirten die Subventionen für Agrardiesel schrittweise zu streichen. Zwar haben beide Themen nichts miteinander zu tun, CDU und CSU witterten aber die Chance, die protestierenden Bauern für sich einzunehmen und die Koalition vor sich herzutreiben.

Die Bundesregierung hat inzwischen zwar Erleichterungen für die Agrarbranche in Aussicht gestellt, legte bis zur Abstimmung im Bundesrat aber kein Paket mit konkreten Maßnahmen vor. Man sei "im engen Kontakt mit dem Berufsstand", teilte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) lediglich mit. Vorbereitet werden demnach unter anderem die Streichung bürokratischer Dokumentationspflichten sowie Erleichterungen bei der Einkommensteuer. So sollen die Bauern ihre Gewinne aus guten und schlechten Erntejahren wieder mitteln können, damit sie nicht in einem Jahr gar keine und im kommenden Jahr sehr hohe Steuern zahlen müssen. Zudem sollen Vorgaben entfallen, einzelne Flächen zur Verbesserung des Naturschutzes brachliegen zu lassen.

Der Finanzminister macht CDU und CSU mitverantwortlich für die schlechte Lage

Lindner machte deutlich, dass er keine Verbindung zwischen möglichen Entlastungen für die Landwirte und dem Wachstumspaket sieht. Der Zusammenhang sei vielmehr von der "Union konstruiert" worden, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. CDU und CSU seien im Übrigen nicht in der Position, Bedingungen zu stellen, denn sie trügen eine Mitverantwortung für die schlechte Wettbewerbslage der deutschen Wirtschaft. "Während der Regierungszeit der CDU, seit 2014, haben wir dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verloren", so Lindner.

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Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Beck, warf der Union vor zu unterschlagen, dass neben der gewerblichen Wirtschaft auch die Landwirte vom Wachstumschancengesetz profitierten. "Während vom Agrardiesel ein Betrieb durchschnittlich knapp 3000 Euro pro Jahr hat, können die Maßnahmen des Wachstumschancengesetzes für ein Vielfaches an Entlastung sorgen", sagte Beck. Allein die Verdoppelung der Sonderabschreibung von 20 auf 40 Prozent könne bei der Anschaffung beispielsweise eines kleineren Traktors für 100 000 Euro zu einer Steuerersparnis von 12 000 Euro führen.

Auch der schrittweise Abbau der Agrardiesel-Subventionen ging am Freitag im Bundesrat durch. Die Länder stimmten mehrheitlich dagegen, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Wäre das geschehen, wären das eine weitere Niederlage für die Ampel gewesen. Denn es wären zusätzliche Maßnahmen gestoppt worden, die die Bundesregierung zur Konsolidierung des Haushalts für 2024 beschlossen hatte, etwa die höhere Luftverkehrsteuer sowie die verschärften Sanktionen für kooperationsunwillige Bürgergeldbezieher.

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