Ampelregierung:Ein bisschen Frieden mit den Bauern

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Bei einem Protest in Franken schwebte ein alter Traktor an einem Kran, dazu der Bannerspruch: "Landwirtschaft am seidenen Faden". (Foto: Heiko Becker/DPA)

Monatelang waren die Landwirte auf den Barrikaden, jetzt reden sie mit der Bundesregierung über Entlastungen. Der Bauernverband wähnt sich in der Offensive und fordert: mehr.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Und plötzlich kommt Bewegung in den Streit zwischen Regierung und Landwirten. Seit Wochen sind die Bauern auf den Barrikaden, mal fuhren sie mit Schleppern durchs Regierungsviertel, mal feindeten sie auf dem Land Besucher aus Berlin an - mitunter richtig aggressiv. Und nun: Gespräche. Regierung und Landwirte reden miteinander, und selbst der Bauernpräsident spendet verhalten Beifall. Es sei "positiv zu bewerten", dass man nun über Entlastungen für den Berufsstand ins Gespräch komme, sagt Joachim Rukwied. Wegen der Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen lagen Bund und Bauern über Kreuz. Jetzt läuft wieder was.

Ähnlich klingt an diesem Mittwoch, Stunden nach der Kabinettssitzung, Cem Özdemir, der Landwirtschaftsminister von den Grünen. Enge, konstruktive Gespräche würden da gerade geführt, sagt er. "Uns eint das Ziel, dass die Landwirtschaft jetzt entlastet wird", sagt er. Wobei die Bundesregierung da auch noch ein anderes Ziel antreibt - Frieden mit CDU und CSU.

Stimmt die Union nun für Hilfe für die deutsche Wirtschaft?

Ganz Opposition hatte sich die Union in den vergangenen Wochen zu den Bewahrern aller Bauernsubventionen aufgeschwungen - und die Ampelkoalition in eine Falle gelockt: Rudere die nicht endgültig beim Agrardiesel zurück, blockiere die Union das Wachstumschancengesetz im Bundesrat. Kommenden Freitag, bei der nächsten Sitzung der Länderkammer, wäre High Noon gewesen. Dabei hat auch die Union kein Interesse daran, das Gesetz zu vereiteln, es soll schließlich der Wirtschaft helfen.

So gesehen reicht die Ampelkoalition nun nicht nur den Landwirten die Hand, sondern auch der größten Oppositionspartei. Denn auch aus der Union gab es zuletzt Signale der Kompromissbereitschaft. Nicht zwingend beim Agrardiesel müsse die Regierung einlenken, hieß es von dort. Hauptsache, die Landwirte würden irgendwie entlastet.

So wird es kommen. Vor allem bei der Einkommensteuer soll es Entlastungen geben, das Schlüsselwort heißt hier: Gewinnglättung. Denn die Einnahmen der Betriebe schwanken stark. Das eine Jahr kann sehr gut sein, das nächste sehr schlecht. Ausgerechnet in diesem schlechteren Jahr müssen die Landwirte dann auch noch Steuern für das bessere Jahr nachzahlen. Das ließe sich mildern, wenn für die Einkommensteuer jeweils Durchschnitte etwa dreier Jahre gebildet würden - die Spitzen würden so geglättet. Für die Jahre 2014 bis 2022 gab es das schon einmal, um die Landwirte zu entlasten.

Auch das "Agrar-Organisationen- und Lieferkettengesetz" will der Bund noch einmal angehen. Das ist jenes Gesetz, das eigentlich die Stellung der Landwirte gegenüber ihren Abnehmern stärken sollte. Doch viele Bauern sehen sich immer noch als das schwächste Glied in der Kette, und das nicht zu Unrecht. Auch bei der Bürokratie will die Bundesregierung zugunsten der Landwirte noch etwas drehen: Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten sollen entschlackt und vereinfacht werden. Grundsätzlich solle Europas Agrarpolitik schlanker werden.

Die Grünen bangen um den Artenschutz und den Green Deal der EU

Für Özdemir ist das alles keine einfache Operation. Zuletzt hatte schon Brüssel reihenweise Umweltvorgaben gekippt, um die Landwirte zu entlasten, oft unter dem Protest des grünen Ministers. Nun erinnert er geradezu verzweifelt daran, dass dabei Ziele wie der Schutz der Biodiversität oder Europas "Green Deal" nicht unter die Räder kommen dürften. "Wenn wir auch in 20, 30 oder 50 Jahren gute Ernten einfahren wollen, müssen wir heute den Brückenschlag zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit schaffen", sagt er.

Doch die Landwirte wittern, was die Stunde geschlagen hat. Bauernpräsident Rukwied jedenfalls sieht "erheblichen Nachbesserungsbedarf" und will noch mehr Entlastungen. Auch den Agrardiesel dürfe man noch nicht aus den Augen verlieren. Wenn eine Regierung schon mal so weichgeklopft ist, dann weiß ein Agrarlobbyist das zu nutzen.

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