Was kostet Hass? Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, meint, es zu wissen. In der Hatespeech-Debatte um Twitter, Facebook & Co. hat er den Ton deutlich verschärft. Die Betreiber der sozialen Netzwerke sollten anstößige Kommentare innerhalb einer Woche löschen, forderte Kauder in einem Spiegel-Interview. Sonst müsse die Politik eingreifen - Bußgelder von bis zu 50 000 Euro könnten gegen die Unternehmen verhängt werden. "Die Zeit der runden Tische ist vorbei. Meine Geduld ist zu Ende", sagte Kauder. Facebook haftet bisher aufgrund des sogenannten Providerprivilegs nicht für Inhalte, die auf der Plattform veröffentlicht werden - solange das Unternehmen nicht von ihnen beziehungsweise ihrer Strafbarkeit weiß.
Außerdem sagte er: "Warum sollte man die Anbieter nicht verpflichten, ihre Seiten mit einem Warnhinweis zu versehen: 'Wer hier kommuniziert, muss damit rechnen, ohne Folgen verunglimpft zu werden'?"
Statt Zensur empfiehlt Facebook "counter speech"
Die Debatte um Volksverhetzung im Internet gewann 2015 an Bedeutung, als angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen zunehmend rassistische Kommentare in sozialen Netzwerken gepostet wurden. Aktivisten und Politiker kritisieren seitdem Facebook, Youtube, und Twitter, von Nutzern als bedenklich gemeldete Kommentare nicht konsequent zu entfernen.
Es geht um die Frage, wer für den Kampf gegen Volksverhetzung und Beleidigung zuständig ist. Inwieweit muss Facebook Verantwortung übernehmen für Rechtsverletzungen, die auf der Plattform begangen werden? Soll Facebook Zensur üben, wenn noch kein Richter sich mit einer Äußerung befasst hat? Und soll der Staat wirklich die Prüfung von Kommentaren an einen Konzern delegieren, der diesen Vorgang wiederum an externe Firmen ausgelagert hat?
Zudem wird debattiert, ob die Behörden in Fällen verdächtiger Posts die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Facebook gibt Behörden die Möglichkeit, Anträge auf die Herausgabe von Daten zu stellen, doch deutsche Ermittler beklagen sich, dass Facebook die Herausgabe verzögert oder verweigert. Und auch das Justizministerium klagt, mit Facebook sei trotz des Runden Tisches nur sehr schwierig zu kommunizieren. Facebook argumentiert dagegen, das richtige Mittel gegen Hass auf seinen Seiten sei "counter speech", also kluge Gegenargumente gegen Hetzer.
100 000 gelöschte Facebook-Beiträge
Laut Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) werden strafbare Inhalte "viel zu wenig und viel zu langsam" gelöscht. Bei Facebook seien es 46 Prozent, bei Twitter lediglich 1 Prozent. Eine auf Drängen der Regierung gegründete Task Force zur schnelleren Löschung von Facebook Kommentaren brachte aus Maas' Sicht keinen wirklichen Fortschritt.
Weiter wirft Maas den Internet-Unternehmen unzureichende Transparenz vor. Kürzlich verkündete Facebook etwa, im August in Deutschland 100 000 von Nutzern gemeldete Beiträge gelöscht zu haben. Wieviele Meldungen insgesamt eingingen blieb jedoch unklar. Im vorigen Jahr war die Anzahl entfernter Beiträge weitaus geringer.
Ein gemeldeter Beitrag sagt erst einmal nichts über Strafbarkeit aus
An das Justizministerium hat Unionspolitiker Kauder eine klare Forderung: Maas solle einen Vorschlag erarbeiten, wie man Plattformbetreiber zur Herausgabe von IP-Adressen mutmaßlicher Volksverhetzer verpflichten könne. Man habe bereits zu lange zugeschaut, wie "Menschen ungestraft im Schutz der Anonymität Volksverhetzung betreiben".
Im Kern der Auseinandersetzung steht auch die Frage, ab wann ein öffentlicher Kommentar zu einer Straftat wird. Im Netz gehe das ziemlich schnell, erklärt Medienanwalt Christian Solmecke in einem Gespräch mit der Medien-Webseite Meedia. "Geht es nur noch darum eine Person oder eine Personengruppe zu beleidigen oder zu beschimpfen, dann ist die Grenze zur Meinungsfreiheit überschritten" - und die Straftat erreicht. Sobald ein soziales Netzwerk auf illegale Inhalte ihrer Nutzer aufmerksam werde, sei es laut Gesetz in der Pflicht zu reagieren.
Die Politik sucht nach einem Hebel
Ein Beitrag wird jedoch nicht durch die Meldung eines Nutzers automatisch illegal. Es könnte der Scherz eines Freundes sein, oder eine falsche Einschätzung eines Nutzers. Damit Facebook etwa einen Beitrag löscht, muss er gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen. Über diese Beurteilung entscheidet Facebook.
Für die Justiz dagegen wäre es Sisyphusarbeit, jeden gemeldeten Kommentar auf den Tatbestand der Volksverhetzung zu prüfen.