Internethandel:Mehr Auswahl für Amazon-Kunden

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Margrethe Vestager vor der Zentrale der EU-Kommission in Brüssel: Die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin zwingt Amazon, unabhängige Verkäufer fairer zu behandeln. (Foto: Martin Bertrand/IMAGO)

Der Konzern gibt dem Druck der EU-Kommission nach. Künftig gelten daher in dem Internet-Kaufhaus bessere Bedingungen für unabhängige Anbieter. Das soll auch den Verbrauchern nützen.

Von Björn Finke, Brüssel

Das Internet-Kaufhaus Amazon ändert künftig seine Geschäftspraxis in Europa und behandelt unabhängige Anbieter fairer. Profitieren sollen auch Verbraucher. Denen soll es dadurch einfacher fallen, günstige Offerten kleiner Händler zu finden. Der US-Konzern hat sich zu diesen Anpassungen verpflichtet, um ein Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission zu beenden. Am Dienstag teilte die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager in Brüssel mit, diese Änderungen genügten, um die Bedenken der EU-Wettbewerbshüter auszuräumen. Das Unternehmen hat bis Juni Zeit zur Umstellung.

Die Verpflichtungen "werden die Art, wie Amazon in Europa arbeitet, fundamental ändern, zum Nutzen von Verbrauchern" und Verkäufern, sagte die Dänin. Amazon nimmt eine heikle Doppelrolle ein: Auf der einen Seite ist die Internetseite eine Plattform für die Angebote unabhängiger Händler, auf der anderen Seite verkauft der Konzern dort eigene Waren. Vor dreieinhalb Jahren begann die EU-Kommission ein Verfahren wegen des Vorwurfs, die Amerikaner nutzten nicht-öffentliche Geschäftsdaten der unabhängigen Händler, um das eigene Angebot zu optimieren.

"Amazon verwendet diese Daten für Entscheidungen zu Fragen wie welche Produkte neu angeboten werden, wo der Preis gesetzt wird, welche Lieferanten gewählt werden oder wie die Lagerhaltung gemanagt wird", sagte Vestager am Dienstag. Vor zwei Jahren veröffentlichte die Kommission ihre Einschätzung, dass der mächtige Konzern auf diese Weise tatsächlich die unabhängigen Anbieter benachteilige und den Wettbewerb verzerre. Im vergangenen Sommer kündigte Amazon Zugeständnisse an, um eine Milliardenstrafe zu verhindern. Die Kommission besprach die Änderungen mit den kleineren Rivalen und verlangte dann weitere Nachbesserungen. Amazon sagte diese zu. Jetzt hat Vestager diese Verpflichtungen als ausreichend akzeptiert. Verstößt das Unternehmen gegen die Vereinbarung, droht eine Geldbuße von bis zu einem Zehntel des weltweiten Jahresumsatzes.

Bei dem Streit ging es neben der Verwendung interner Daten auch darum, nach welchen Kriterien die Internetplattform Waren für das Einkaufswagen-Feld auswählt, den auffälligen Kasten, in dem Kunden mit einem Klick Güter bestellen können. Zudem war Thema, unter welchen Bedingungen unabhängige Händler Waren im beliebten Prime-Programm anbieten dürfen, bei dem für Verbraucher die Lieferkosten entfallen. Bei beiden Fragen hat Amazon offenbar kleine Rivalen benachteiligt, zugunsten eigener Angebote.

Amazon widerspricht der Behörde, aber gehorcht

Künftig sollen hier bei Amazon faire Bedingungen gelten, zudem wird der Konzern die internen Daten der unabhängigen Händler nicht mehr verwenden. Als Beispiele für diese Daten nannte Vestager Absatzmenge, Umsatz, Auslieferungen, Preise oder die Besucherzahl auf der Webseite für die Waren. Ein Amazon-Sprecher sagte, der Konzern freue sich, "die Bedenken der Europäischen Kommission ausgeräumt und diese Fragen geklärt" zu haben. Obwohl man bei dem Streit in vielen Punkten eine andere Ansicht als die EU-Behörde vertrete, habe man konstruktiv mit ihr zusammengearbeitet.

Der europäische Verband der Verbraucherzentralen BEUC begrüßte die Entwicklung: "Amazons Verpflichtungen sollten Verbrauchern mehr Auswahl auf dem Online-Marktplatz bieten, so dass die Verbraucher einfacher nach dem günstigsten Angebot suchen können", sagte BEUC-Generaldirektorin Monique Goyens.

Die Daten kleinerer Konkurrenten auszuwerten würde Amazon von 2024 an ohnehin untersagt. Dies regelt das Gesetz über digitale Märkte - auf Englisch DMA abgekürzt -, das kürzlich in Kraft trat. Der Rechtsakt erlaubt es der Kommission, mächtige Internetplattformen wie Amazon zu sogenannten Gatekeepern zu erklären. Diese Unternehmen sind für Bürger Türsteher und Wegweiser fürs Web; diese Position können sie ausnutzen, um eigene Angebote zu bevorzugen und kleinere Rivalen zu benachteiligen. Deswegen macht das Gesetz Gatekeepern besondere Verhaltensvorschriften. Diese orientieren sich an den Erfahrungen der Kommission aus Wettbewerbsverfahren gegen Konzerne wie die Google-Mutter Alphabet, Apple oder Amazon.

Auch Apple öffnet sein abgeschlossenes System

Unter anderem wird dort Plattformen dezidiert verboten, die nicht-öffentlichen Daten von unabhängigen Anbietern zum eigenen Wohl zu verwenden. Die Entscheidung, wer Gatekeeper ist, soll im kommenden Sommer fallen. Vermutlich werden dazu neben Amazon Apple, Microsoft, Alphabet, die Facebook-Mutter Meta, Tiktok und Booking.com gehören.

Eine andere Vorschrift in dem Gesetz verlangt, dass Anbieter wie Apple auf den Handys und Tablets mehrere App-Stores zulassen müssen, also Portale, um neue Software zu kaufen. Wie bislang nur den eigenen Store zu erlauben, wäre verboten. Vorige Woche wurde bekannt, dass Apple tatsächlich schon die Öffnung des eigenen Systems plant - im vorauseilenden Gehorsam.

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