Goldene Pässe:Der neue Milliardentrick der Steuerhinterzieher

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Länder wie Vanuatu in Ozeanien verkaufen ihre goldenen Pässe mit geringen Anforderungen. (Foto: Thomas Haupt/imago images)

Die Politik kämpft gegen Steueroasen. Doch die setzen längst auf die nächste Masche: goldene Pässe.

Von Dominika Langenmayr

Eine Briefkastenfirma in Panama, ein Nummernkonto in der Schweiz: Viel mehr brauchten Steuerhinterzieher früher nicht. Die Politik hat diese Praktiken erschwert. Doch auch die Steueroasen ziehen nach: Sie verkaufen ihre Staatsbürgerschaften. Unsere Forschung zeigt, dass die Nutzer dieser Methode Milliarden Dollar über Offshore-Banken verschieben.

Staatsbürgerschaft gegen Geld: Bei diesen "Citizenship by Investment"-Programmen können Privatpersonen sogenannte "goldene Pässe" erwerben. In der Karibik gibt es sie schon ab 100 000 Dollar, in europäischen Steueroasen muss man mehr zahlen. Viele Kunden kommen aus China, Russland oder dem Nahen Osten. Ihnen geht es um visumfreie Reisemöglichkeiten - oder sie wollen sich schnell in einem anderen Land niederlassen können, falls sich die politische Situation in ihrer Heimat verschlechtert. Vor allem Europäer und Nordamerikaner nutzen sie, um ihr Vermögen vor dem Finanzamt zu verstecken.

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Ungefähr 40 000 Personen haben zwischen 2013 und 2019 Staatsbürgerschaften von Zypern, Malta, Vanuatu in Ozeanien oder den karibischen Inseln Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, St. Kitts und Nevis sowie St. Lucia erworben. Diese Länder verkaufen ihre goldenen Pässe mit besonders geringen Anforderungen, etwa auch an Personen, die sich noch nie im Land aufgehalten haben. Die meisten dieser Programme wurden in den vergangenen zehn Jahren eingeführt oder in dieser Zeit deutlich attraktiver ausgestaltet. Das ist kein Zufall: Im gleichen Zeitraum wurde der Kampf gegen Offshore-Steuerhinterziehung deutlich verschärft. Die OECD hat seit Beginn der 2010er-Jahre viele Steueroasen dazu motiviert, steuerliche Informationen mit anderen Ländern auszutauschen. Seitdem lässt sich ein Konto in einer Steueroase nicht mehr so einfach vor dem Finanzamt geheim halten. Wer Steuern hinterziehen und den steuerlichen Informationsaustausch umgehen möchte, muss verschleiern, wer er ist oder woher er kommt.

Eine solche Möglichkeit bieten die goldenen Pässe. Zum Beispiel könnte eine Frau vor vielen Jahren ein Konto auf den Seychellen geerbt haben. Sie verheimlicht die dortigen Kapitalerträge dem heimischen Finanzamt, hinterzieht also Steuern. 2016 liest sie in der Zeitung, dass Deutschland und die Seychellen vom nächsten Jahr an Steuerinformationen austauschen: Beide Länder sind einem internationalen Verfahren der OECD beigetreten, das sie verpflichtet, sich gegenseitig über alle Bankkonten zu informieren, die einer Person aus einem anderen teilnehmenden Staat gehören.

Dominika Langenmayr ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie forscht zu steuerpolitischen Themen. (Foto: Christian Klenk/KU Eichstätt/oh)

Als Reaktion darauf erwirbt die steuerhinterziehende Erbin die Staatsbürgerschaft von St. Lucia. Sie wechselt auf den Seychellen die Bank und benutzt bei der Kontoeröffnung ihren neuen Pass aus St. Lucia. Ihren Wohnsitz in Deutschland verschweigt sie. Ein Jahr später tritt auch St. Lucia dem steuerlichen Informationsaustausch bei. Die Seychellen informieren nun St. Lucia in diesem Rahmen über die Kontoinhaberin sowie Kontostand und Zinseinkünfte. Das bleibt allerdings folgenlos, denn St. Lucia besteuert nur Personen, die sich dort mindestens die Hälfte des Jahres aufhalten. Das Land muss die erhaltenen Informationen auch nicht nach Deutschland weiterleiten.

Die Daten zeigen, wie viele Milliarden verschoben werden - mindestens

Aber werden die Programme auch in der Realität dafür genutzt, den steuerlichen Informationsaustausch zu umgehen? In einem aktuellen Forschungsprojekt untersuchen Lennard Zyska und ich diese Frage. Wir nutzen dazu Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, sie ist eine Art Zentralbank der Zentralbanken und stellt Daten zu ausländischen Konten in mehr als 30 Ländern bereit, darunter zehn Steueroasen. Und es zeigt sich: Personen aus Ländern mit goldenen Pässen halten seit der Einführung dieser Programme etwa 50 Prozent mehr Geld auf Konten in Steueroasen. In Nicht-Steueroasen ist kein Anstieg zu beobachten. Diese Entwicklung des Auslandsvermögens zeigt sich nur bei Ländern mit Citizenship-by-Investment-Programm. Die Geldmittel auf privaten Konten in Steueroasen von Personen aus anderen Ländern sind in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen.

Die plausibelste Erklärung dafür: Die zusätzlichen Geldmittel in Steueroasen stammen eben nicht von Personen, die einen goldenen Pass kaufen, um tatsächlich in den Ländern zu leben - sondern von Personen, die deren Staatsbürgerschaft erworben haben, um den steuerlichen Informationsaustausch zu umgehen.

Die Geldbeträge in Steueroasen, die Personen aus Ländern mit Citizenship-by-Investment-Programm gehören, stiegen um rund neun Milliarden Dollar, zeigen unsere Daten. Dieser Betrag entspricht knapp einem Prozent der gesamten Bankeinlagen von Ausländern in Steueroasen. Allerdings umfasst unser Datensatz nur zehn der etwa 50 Steueroasen weltweit. Auch ist Vermögen in unseren Daten nicht enthalten, das im Land gehalten wird, dessen Staatsbürgerschaft man erworben hat. Insofern ist unsere Schätzung eine Untergrenze.

Die Politik ist aber nicht machtlos. Auch hier kann sie gegensteuern

Wie kann man verhindern, dass manche Länder durch den Verkauf von Staatsbürgerschaften den steuerlichen Informationsaustausch umgehen? Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre, neuartige Informationsaustauschabkommen mit den entsprechenden Ländern zu schließen. Diese Staaten müssten dann das Herkunftsland über den Kauf der Staatsbürgerschaft informieren und steuerliche Informationen weiterleiten, wenn die Kapitalerträge nicht vor Ort besteuert würden. Dies ist allerdings in den Fällen problematisch, in denen die neue Staatsbürgerschaft nicht zur Steuerhinterziehung genutzt werden soll, sondern um politischer Unterdrückung zu entkommen.

Eine zweite mögliche Gegenmaßnahme wäre, den steuerlichen Informationsaustausch so zu verbessern, dass die Informationen trotz des zweiten Passes im richtigen Land ankommen - also dort, wo die Kontoinhaber tatsächlich ihren Wohnsitz haben. Dazu müssten die Banken in Steueroasen genauer nachfragen, wenn jemand mit einem Pass aus einem Land mit Citizenship-by-Investment-Programm ein Konto eröffnet. Sie müssten dann herausfinden, ob diese Person noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzt und ihren steuerlichen Wohnsitz verheimlicht. Ob man eine kleine Bank beispielsweise auf einer Karibikinsel dazu bringen kann, dies zu tun, ist aber fraglich. Bei einem großen internationalen Finanzkonzern sind die Sanktionsmöglichkeiten besser. Hilfreich wäre es, wenn die goldenen Pässe besonders gekennzeichnet wären, zum Beispiel durch einen ergänzenden Buchstaben in der Passnummer. In jedem Fall sind weitere international koordinierte Maßnahmen nötig, um Steuerhinterziehung mithilfe von Offshore-Steueroasen wirklich effektiv zu bekämpfen.

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