Standort Deutschland:Pistorius umwirbt die Rüstungsindustrie

Lesezeit: 3 min

Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) bei seinem Besuch der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall und Bischofswiesen neben einem Transport-Muli. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Verteidigungsminister trifft auf Betriebsräte von Rüstungsunternehmen. Diese freuen sich zwar über das bessere Image ihrer Branche, stellen aber ganz konkrete Forderungen.

Von Matthias Kolb

Boris Pistorius ist gerade viel unterwegs. Der Verteidigungsminister besucht die Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte (KSK) ebenso wie die Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall. Am Mittwoch hatte Pistorius zudem eine Visite in einem Karrierecenter der Bundeswehr in Stuttgart dafür genutzt, das Personalziel von 203 000 Soldatinnen und Soldaten für das Jahr 2031 infrage zu stellen. Als Gründe nennt er geburtenschwache Jahrgänge und den Fachkräftemangel.

Da Pistorius erst seit Januar im Amt ist, kann er solche Debatten anstoßen - die entsprechenden Planungen hatten schließlich seine Vorgängerinnen gemacht. Dass er vieles anders macht als Christine Lambrecht (SPD) oder Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), betont Pistorius auch am frühen Donnerstagabend bei der IG Metall in München. "Ich bin der erste Verteidigungsminister, der wieder den Kontakt zur Rüstungsindustrie sucht", sagt er vor einem Gespräch mit Betriebsräten der Firmen KNDS, Ruag Aerospace Structures, Airbus und Hensoldt. Er tue dies "aus Überzeugung", denn für einen Erfolg der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende müssten alle Akteure einbezogen werden - auch die Hersteller von Munition, Sensoren oder Panzern.

In der "wehrtechnischen Industrie" arbeiten allein in Bayern 25 000 bis 30 000 Menschen, wie der SPD-Fraktionschef im bayerischen Landtag sagt. Florian von Brunn ist auch Spitzenkandidat für die Landtagswahl und dürfte sich angesichts schlechter Umfragewerte natürlich über den Termin mit Pistorius freuen, schließlich ist er der aktuell beliebteste Politiker Deutschlands. Pistorius betont, dass es noch "ein langer Weg" sei zu einer funktionstüchtigen und zur Abschreckung fähigen Armee. Die Rüstungsindustrie müsse nun nachholen, "was früher nicht zu produzieren war", weil es von den Regierungen in Berlin nicht nachgefragt wurde. Dass Pistorius dem Standort Bayern eine "ganz besondere Bedeutung" für die Zeitenwende attestiert, dürfte den Betriebsräten gefallen. Dass sich das Image ihrer Branche verbessert hat, hilft auch bei der Suche nach Auszubildenden und Fachkräften. Neben Ingenieuren sind auch Schweißer begehrt.

Beim Besuch des Karrierecenters der Bundeswehr in Stuttgart wohnte der Minister im Sommer einem Bewerbungsgespräch bei. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Die Stimmung unter den Beschäftigten von Europas größtem Panzerbauer KNDS, einem deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen, beschreibt Betriebsratsvorsitzender Hubert Otto so: "Unsere Arbeitsplätze sind dadurch ein großes Stück sicherer geworden." Otto spricht für die 1700 Angestellten von Krauss-Maffei Wegmann (KMW), die etwa die begehrten Kampfpanzer Leopard 2 herstellen, und er hat konkrete Forderungen. Die Politik müsse "verlässliche Aussagen" machen, welche und wie viele Fahrzeuge und Systeme gebraucht würden, damit die Unternehmen planen können. Von höchster Bedeutung sei die Genehmigung der Teststrecke am Standort München-Allach, wo die Panzer für Kunden wie die Bundeswehr präsentiert und überprüft werden. "Deshalb fordern wir die Verantwortlichen auf, das Verfahren positiv für uns abzuschließen und unsere Arbeitsplätze zu sichern", ruft Otto unter Beifall der Gewerkschafter.

Auch der Verteidigungsminister freut sich über mehr Wertschätzung in der Rüstungsindustrie

Pistorius macht klar, dass sich die Bundeswehr die zeitnahe Genehmigung ebenfalls wünscht. Gegen diese Genehmigung protestiert etwa eine Bürgerinitiative namens "Schule statt Panzer". Er stehe dazu im Austausch mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Dieser gehört praktischerweise ebenfalls der SPD an, und Reiter weiß sicher, dass KMW mit einem Abbau von etwa 500 Stellen droht, wenn die Teststrecke verboten wird. Eigentlich wolle man in Allach für die nächsten fünf Jahre "50 bis 100 Mitarbeiter pro Jahr" einstellen, sagte KMW-Chef Ralf Ketzel kürzlich dem Münchner Merkur - doch dafür brauche es die Teststrecke.

Noch dringlicher ist der Appell von Michael Richter. Der Betriebsratschef von Ruag Aerospace Structures fordert eine "politische Unterstützung" durch Pistorius, damit Airbus keine Arbeitsplätze in Oberpfaffenhofen abbaut, weil Baugruppen an andere Standorte verlagert werden sollen. Um diese 750 Jobs kämpft auch die IG Metall. Für die Gewerkschaft fordert Stefanie Krammer, dass der Verteidigungsetat auch "gute tarifgebundene Arbeitsplätze" sichern müsse - und das nicht nur bei großen Firmen. Ruag-Betriebsrat Richter kündigt an, bei Pistorius dafür zu werben, dass Oberpfaffenhofen bei Regierungsaufträgen berücksichtigt wird.

Dazu äußert sich Polit-Profi Pistorius vor dem nicht öffentlichen Gespräch natürlich nicht. Er betont, dass er sich freue, dass neben den Soldaten auch die Angestellten der Rüstungsindustrie nun mehr Wertschätzung erfahren - und versichert, dass auch noch genug Geld für Verteidigung da sein wird, wenn das Sondervermögen ausgegeben ist. Dies gehe zu seinem Leidwesen ziemlich schnell: Ende 2023 würden etwa 65 Milliarden Euro in Verträgen und Vorverträgen gebunden sein. Danach beginne die Produktion, die in der Rüstungsbranche jedoch länger dauere als anderswo. Und das weiß kaum jemand besser als die Betriebsräte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Immobilienpreise
:Warum Häuser auf einmal wieder teurer werden

Monatelang sind die Immobilienpreise in Deutschland gesunken. Jetzt ist der Preisverfall gestoppt, zeigt der Immobilienpreisindex Greix. Ist das die Trendwende?

Von Felicitas Wilke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: