Immobilienpreise:Warum Häuser auf einmal wieder teurer werden

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Hier lässt es sich wohnen: Altbau am Landwehrkanal in Berlin. (Foto: Wolfgang Maria Weber/IMAGO)

Monatelang sind die Immobilienpreise in Deutschland gesunken. Jetzt ist der Preisverfall gestoppt, zeigt der Immobilienpreisindex Greix. Ist das die Trendwende?

Von Felicitas Wilke

Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt gesucht? Da könnten Interessentinnen und Interessenten dieser Tage in Hamburg fündig werden. In der Stadt an der Elbe sinken die Preise für Eigentumswohnungen noch. Im Vergleich zum ersten Vierteljahr kosteten sie dort im zweiten Quartal im Schnitt 3,9 Prozent weniger. Doch der Eindruck aus dem Norden trügt. Im Rest des Landes deutet sich bei den Immobilienpreisen nämlich schon an, dass die Wende nach unten zu Ende geht.

Deutschlandweit sind die Preise für Eigentumswohnungen im zweiten Quartal nur noch minimal um 0,3 Prozent zurückgegangen. Im Vorquartal waren es noch 2,5 Prozent Minus gewesen, davor sogar fast minus fünf Prozent. Wer sich für ein ganzes Haus interessiert, der musste im Schnitt sogar mehr bezahlen als im vorigen Quartal. Um 1,8 Prozent sind die Preise für Mehrfamilienhäuser gestiegen, bei Einfamilienhäusern sind es sogar 2,4 Prozent mehr. Das zeigen die neusten Daten des Immobilienpreisindexes Greix, den das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) am Donnerstag veröffentlicht.

Der heftige Fall der Immobilienpreise ist somit zumindest vorerst gestoppt. Aber ist das eine Trendwende hin zu wieder steigenden Preisen? Das bleibe abzuwarten, sagt Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel. Den Greix-Index gibt es zwar erst seit Kurzem, er wurde erstmals überhaupt im Mai dieses Jahres veröffentlicht. Aber die Datenreihen reichen weit zurück. Ein Forscherteam aus Kiel, Köln und Bonn wertet aus, wie sich die Immobilienpreise seit dem Jahr 1960 entwickelt haben. Dafür greifen sie auf mehr als zwei Millionen Transaktionsdaten zurück, die sie von den regionalen Gutachterausschüssen erhalten.

Auf diese Weise können sie auch regionale Unterschiede zwischen Städten und einmal jährlich auch lokale innerhalb von Städten herausarbeiten. Dabei zeigt sich für das zweite Quartal 2023 unter anderem, dass die Preise für Eigentumswohnungen in einigen Großstädten wie Düsseldorf oder Berlin schon wieder anziehen, während sie in Hamburg zuletzt deutlich gesunken sind. Warum das so ist, geht aus den Zahlen nicht hervor. Die Daten könnten aber dabei helfen, im nächsten Schritt auch Ursachenforschung zu betreiben, sagt Jonas Zdrzalek, einer der Studienautoren. Aus München lagen den Forschenden in diesem Quartal keine aktuellen Zahlen vor, sie sind im Index daher nicht enthalten.

Eigentlich hatte sich der Immobilienmarkt in Deutschland gerade erst innerhalb eines Jahres komplett auf den Kopf gestellt. Mehr als ein Jahrzehnt lang waren die Preise für Immobilien von Quartal zu Quartal fortlaufend gestiegen. Wer es sich leisten konnte, schlug dennoch zu: Immerhin konnten sich Käuferinnen und Käufer dank der Zinssätze von teilweise weniger als einem Prozent beinahe zum Nulltarif verschulden.

Dann kam die Zinswende. Wegen der hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank den Leitzins in den vergangenen Monaten immer wieder erhöht, zuletzt auf 4,25 Prozent. Es tut wieder weh, sich Geld leihen zu müssen - das gilt auch für Immobilien. Noch Anfang 2022 gab es ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung für im Schnitt ein Prozent, jetzt liegt der durchschnittliche Zinssatz bei knapp unter vier Prozent. Das zeigen aktuelle Zahlen des Kreditvermittlers Interhyp.

Infolgedessen brachen die Immobilienpreise ein, und zwar im historischen Vergleich "ungewöhnlich stark und schnell", wie Schularick vom IfW sagt. Laut Statistischem Bundesamt waren Wohnimmobilien im ersten Quartal 2023 um durchschnittlich 6,8 Prozent billiger als im Vorjahresquartal. So stark waren die Preise zu Jahresbeginn seit 23 Jahren nicht mehr zurückgegangen. Noch immer - das zeigen auch die neuesten Zahlen des Greix - kostet ein Einfamilienhaus gut zehn Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Ein Grund für den Preisstopp: Die Käufer haben sich an die gestiegenen Zinsen gewöhnt

Dass die Preise verglichen mit dem vorigen Quartal nun eher stagnieren und teilweise sogar wieder steigen, dürfte mehrere Gründe haben. Erstens wird in Deutschland zu wenig gebaut. Da die Preise für Rohbau-, Maurer- oder Dachdeckerarbeiten weiter steigen, rechnet das Münchner Ifo-Institut damit, dass in diesem und in den kommenden Jahren deutlich weniger Wohnungen in neuen Gebäuden fertiggestellt werden, als es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. "Wenn das Angebot knapp ist, wirkt sich das auf die Preise aus, zumal die Nachfrage nach Immobilien weiterhin hoch ist", sagt Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Uni Regensburg.

Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass sich "die Erwartungen auf dem Markt wieder stabilisiert haben", wie Studienautor Zdrzalek vermutet. Der erste Schock über die gestiegenen Zinsen dürfte bei potenziellen Käuferinnen und Käufern einer Immobilie verdaut sein: Sie sind wieder eher bereit, die von den Verkäufern veranschlagten Kaufpreise zu zahlen - und glauben nicht mehr daran, dass Abwarten etwas bringt. Zu dieser Einschätzung kommt auch Mirjam Mohr, die das Privatkundengeschäft bei Interhyp verantwortet. "Kaufinteressierte und Verkäufer von Immobilien kommen zunehmend im 'neuen Normal' an", sagt sie. Und dieses "neue Normal" bedeutet für potenzielle Käuferinnen und Käufer, Zinssätze zwischen 3,5 und 4 Prozent für Kredite mit zehnjähriger Laufzeit zahlen zu müssen.

Für Menschen, die weder üppig geerbt haben noch überdurchschnittlich gut verdienen, wird es in dieser Konstellation immer schwieriger, eine Immobilie zu erwerben. Andere zögern zumindest, ob sie ausgerechnet jetzt zuschlagen sollten. Dieser Gruppe gibt Finanzierungsexperte Sebastian einen Ratschlag mit: "Der richtige Zeitpunkt, um zu kaufen, ist in der Regel jetzt", sagt er. Denn es sei "ein Ding der Unmöglichkeit" abzuschätzen, wie sich Zinsen und Kaufpreise entwickelten.

So sind dann auch die Ergebnisse der Forschenden zu interpretieren: als Momentaufnahme. Gerade angesichts der Tatsache, dass die Preise zuletzt stark gefallen waren, sei eine "Phase der Gegenbewegung durchaus normal", sagt Schularick. Darauf könnten aber weitere Preisrückgänge folgen. Der Immobilienmarkt bleibt wackelig.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir unterschlagen, dass auch Forschende aus Bonn am Greix-Index beteiligt sind. Wir haben den Fehler im Text korrigiert.

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