Arbeitsrecht:Sixt bleibt ohne Mitbestimmung

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Die Mietwagenfirma Sixt hat immer noch keinen Betriebsrat - trotz weltweit mittlerweile 7500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Drei Mitarbeiterinnen des Autoverleihers wollten in Stuttgart einen Betriebsrat gründen, die Initiatorin erhielt zeitgleich eine fristlose Kündigung. Das Arbeitsgericht wies ihre Klage ab.

Von Dieter Sürig, München

Wenn es um fristlose Kündigungen beim Mietwagenkonzern Sixt geht, dann ist die Gewerkschaft Verdi alarmiert. Sie vermutet, dass der Kündigungsgrund letztlich nur vorgeschoben sei, um die Wahl eines Betriebsrats zu verhindern. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte solche Kündigungen zuletzt kassiert, Sixt hatte die Vorwürfe trotzdem zurückgewiesen. Ähnlich schien die Lage am Mittwoch vor dem Arbeitsgericht Stuttgart zu sein. Dabei ging es um eine Mitarbeiterin der Sixt-Station am Stuttgarter Flughafen, der Verdi zufolge wegen des Vorwurfs einer falschen Mietwagenbuchung unter Mitarbeiterkonditionen gekündigt worden sei, nachdem sie einen Betriebsrat gründen wollte. Laut Gericht hat sie für sich ein Fahrzeug gemietet und dabei vorsätzlich einen günstigeren Preis angesetzt. Die Mitarbeiterin, die achteinhalb Jahre bei Sixt arbeitete, bestreitet die Anschuldigung. Das Gericht wies die Klage gegen die fristlose Kündigung nach eigenen Angaben jedoch ab. Die Kammer geht von einem versuchten Betrug der Klägerin aus. Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim hält die Vorwürfe für völlig aus der Luft gegriffen, die Klägerin werde Berufung einlegen.

Die Mitarbeiterin hatte nach Aussagen der Gewerkschaft im September vergangenen Jahres versucht, zusammen mit zwei Kolleginnen einen Betriebsrat zu initiieren. Nach einer Versammlung, bei der sie vergeblich versucht hatte, einen Wahlvorstand zu gründen, erhielt die Hauptinitiatorin die fristlose Kündigung. Auch einer zweiten Initiatorin sei mittlerweile gekündigt worden, laut Verdi soll sie einen Kunden zu lange haben warten lassen. Verdi habe bereits eine Kündigungsschutzklage eingereicht. "Das Recht auf Mitbestimmung wird mit allen Mitteln und Tricks bekämpft, unbequeme Mitarbeiter mit herbeigezogenen Gründen vor die Tür gesetzt", kritisierte Verdi-Mann Tarim im Vorfeld. Sixt sieht sich hingegen von dem Stuttgarter Urteil bestätigt. "Der Vorwurf von Verdi ist schlichtweg falsch", so kommentiert ein Sixt-Sprecher. "Das Gericht hat entschieden, dass die Kündigung wirksam ist." Ansonsten will er sich zu laufenden Verfahren nicht äußern.

Nun sieht es also so aus, als ob es weiterhin keinen Betriebsrat bei Sixt geben wird. Bei Sixt hat es in den vergangenen Jahren bereits mehrere ähnliche Fälle gegeben, zumindest für Außenstehende immer nach dem gleichen Muster. Erkennbar ist eine Koinzidenz der Ereignisse, die damit beginnt, dass ein oder mehrere Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen möchten. Verschiedene Betroffene berichten von Einschüchterungsversuchen Vorgesetzter. Bevor es dann zur Betriebsratswahl kommen kann, erhalten sie aus verschiedenen Gründen eine Kündigung.

2021 war dies zum Beispiel drei Mitarbeiterinnen der Sixt-Station am Düsseldorfer Flughafen so passiert. Just als sie eine Mitarbeitervertretung installieren wollten, hatte Sixt ihnen fristlos gekündigt, unter anderem wegen Zuspätkommens und Hausfriedensbruchs. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf erklärte die Kündigungen im November 2022 für unwirksam, eine Revision war nicht möglich. Der Richter hatte den Mitarbeiterinnen zuvor eine Abfindung von 90 000 Euro in Aussicht gestellt, die sie aber ablehnten, da es ihnen nicht um Geld gehe, wie sie sagten. Sixt musste die drei Mitarbeiterinnen wieder beschäftigen.

Zur Gründung eines Betriebsrats kam es trotzdem nicht. Nach Informationen von Verdi hätten sie einige Wochen später unerwartet das Unternehmen verlassen. Obwohl sie kurz davor waren, den ersten Betriebsrat bei Sixt zu gründen, was historisch gewesen wäre. Per Anwalt ließen sie Verdi auch wissen, dass eine weitere Kontaktaufnahme nicht erwünscht sei. Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim hat auch heute noch den Verdacht, dass sich die Frauen doch noch mit Sixt geeinigt haben könnten. "Warum sollten sie nach 14-monatigem Kampf für einen Betriebsrat plötzlich aufgeben?", fragte er sich damals. Zum Nulltarif seien sie wohl nicht gegangen und hätten sogar noch einen Rechtsanwalt bezahlt.

"Es geht um die Demokratie in einem Betrieb."

Sixt weist solche Spekulationen stets zurück, so auch vor einem Jahr. "Die drei Mitarbeiterinnen haben das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen", hieß es damals in einer Stellungnahme. "Die wirklichen Beweggründe für diesen Schritt kennen wir nicht." Sixt äußerte zudem den Verdacht, dass es den drei Frauen "nicht um die Gründung eines Betriebsrats, sondern um hohe Abfindungen ging". Sixt sei diesen Forderungen "nicht nachgekommen". Grundsätzlich begrüße Sixt "jede Form des konstruktiven Dialogs mit der Belegschaft", hieß es.

"Es ist einzig und allein die Entscheidung unserer Belegschaft, ob diese einen Betriebsrat möchte", so ein Sixt-Sprecher am Mittwoch. "Bislang hat sie sich mehrfach in geheimen Wahlen mit nahezu allen Stimmen dagegen entschieden." Tarim bleibt skeptisch: "So frei, wie es Sixt gerne darstellt, können die Beschäftigten leider nicht agieren, wenn es um das Thema Betriebsrat geht", sagt er. Dabei beweise der Konkurrent Europcar, der einen Betriebsrat hat, "dass eine Mitarbeitervertretung keine Gefahr für ein Unternehmen darstellt", sagt er. "Es geht um die Demokratie in einem Betrieb."

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