Auskunftei:Darum greift ein Finanzinvestor nach der Schufa

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Der Datenschatz der Schufa ist gewaltig, er weckt Begehrlichkeiten. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Wem gehört die umstrittene Auskunftei? Der Bieterkampf um die Schufa steht kurz vor der Entscheidung - und die wird Millionen Deutsche betreffen.

Von Jan Diesteldorf, Meike Schreiber und Nils Wischmeyer

Direkt am Schiersteiner Hafen in Wiesbaden, Adresse Kormoranweg 5, liegt ein Schatz. Milliarden von Daten, hochsensibel, Kredite, Zahlungsflüsse, die wirtschaftliche DNA der Deutschen. Etwa 900 Menschen arbeiten dort, um diesen Schatz zu bewachen, ihn zu verwalten - und mit ihm Millionen Euro zu verdienen. Ihr Tun bestimmt mit über das Leben der Bürger, sie entscheiden mit über Kredite, sie verhindern im Zweifel, dass sich jemand ein neues Auto kaufen darf oder ein Haus bauen kann.

Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung hieß diese mächtige Einrichtung früher, heute kennt man sie unter ihrem Kürzel: Schufa. Anders als viele glauben, ist die Schufa keine Behörde, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen, organisiert als Aktiengesellschaft. Bisher gehören die Anteile der Schufa unter anderem Handelsunternehmen, Banken wie der Deutschen Bank und der Société Générale sowie Sparkassen und mehreren Genossenschaftsbanken. Zusammen halten allein die letzteren beiden etwa 47 Prozent aller Anteile, was sie zu den bisher wichtigsten Eignern macht. Die alleinige Macht aber hat niemand.

Im Herbst brachten die Société Générale und der schwedische Finanzinvestor EQT Private Equity dieses stabile Gefüge ins Wanken. EQT kündigte an, den zehnprozentigen Anteil der französischen Großbank zu übernehmen und ließ es so aussehen, als sei man sich mit dem Institut bereits einig. Etwa 200 Millionen Euro wollen sich die Schweden das kosten lassen, die Schufa wäre also aus dem Stand heraus zwei Milliarden Euro wert. EQT hat beim Bundeskartellamt seine Absicht angemeldet, die Schufa komplett übernehmen zu wollen. Dagegen wehren sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken, bieten selbst auf die Anteile der Franzosen - und dieser Wettstreit dürfte in Kürze entschieden werden.

SZ PlusMeinungKommentar
:Mehr Transparenz, bitte

Wenn die Schufa eine Zukunft haben will, in der die Menschen ihr vertrauen, muss sie transparenter werden. Sonst ist sie dem Untergang geweiht.

Kommentar von Nils Wischmeyer

Der größte Schatz der Schufa sind die Daten über Millionen Deutsche

Der Datenschatz der Schufa ist gewaltig, er weckt Begehrlichkeiten. In den Tiefen ihrer Datenbanken liegen Informationen über einen Großteil der Bevölkerung, über alte Verträge, die Zahlungsmoral, vermerkte Unstimmigkeiten. Der daraus nach geheimen Formeln berechnete "Schufa-Score" ist eine der wichtigsten Messgrößen für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern. Und die Daten, glaubt EQT, bieten ein großes Potenzial. Auf der Suche nach Verbündeten haben die Schweden ihre Strategiepläne bereits bis hinein ins politische Berlin vorgestellt.

Der Täter brach Spinde in Fitnessstudios auf. (Foto: imago)

Um dem Heuschrecken-Klischee vorzubeugen und um überhaupt eine Chance zu haben, geben die Private-Equity-Investoren in Gesprächen und auf Papieren die nachhaltigen Verbraucherschützer. Auf Anfrage heißt es, man wolle die Verbraucher- und Datenschutzinteressen "konsequent" verfolgen und konsumentenfreundliche Produkte in den Vordergrund stellen, darunter beispielsweise ein Datencockpit, in dem jeder seine Schufa-Daten einsehen kann. Eine App soll die Schufa digital ins 21. Jahrhundert führen.

Solche Pläne klingen nobel für eine behördenhafte Firma, die vielen Verbrauchern als intransparente Datenkrake gilt. Es sind aber auch Pläne, wie sie die neue Schufa-Chefin Tanja Birkholz selbst seit einiger Zeit verfolgt: Angetreten war sie ebenfalls mit der Idee, die Schufa transparenter für Verbraucher zu machen, vielleicht sogar den geheimnisvollen Score zu erklären und Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei denen die Nutzer die Hoheit über die eigenen Daten hätten.

Tanja Birkholz ist seit 2020 Chefin der Schufa, sie möchte das Unternehmen transparenter machen. (Foto: Schufa/oh)

Entsprechende Projekte laufen, in den kommenden vier bis sechs Wochen sollen erste Ergebnisse vorliegen. Braucht man da überhaupt einen Kapitalgeber mit hohen Renditezielen, der vor allem das vorschlägt, was die Schufa ohnehin vorhat? Sollte EQT die Anteile erwerben und in die gleiche "Wir-sind-transparent"-Richtung laufen, hätte Birkholz immerhin einen starken Verbündeten - vorausgesetzt, die Firma aus Stockholm hält ihre Versprechen.

Die Pläne von EQT zielen in der Regel auf Rendite und Börsenperformance

Denn am Ende schaut ein Finanzinvestor vor allem auf die Rendite. Die SZ konnte teils vertrauliche Unterlagen einsehen, in denen EQT davon spricht, die Schufa zu einem "deutsch-europäischen Champion" machen zu wollen, der die angelsächsische Dominanz im Bereich der Datenwirtschaft aushebeln soll. Anstatt um Datenschutz geht es um Wachstumsmöglichkeiten und neue Geschäftsmodelle. Im Vordergrund stehen Rendite, Wertsteigerungsstrategien, höhere Gewinnmargen. Als "Blaupause" für die Entwicklung der künftigen Schufa könnten demnach datengetriebene Geschäftsmodelle dienen. Die Expansion ins Ausland nennen die Schweden ebenso explizit als Option wie eine Fusion oder Zukäufe.

Via Börsen-Zeitung stellte EQT unlängst einen dreistelligen Millionenbetrag in Aussicht, den man investieren werde. Das soll sich dann lohnen: Dem Vernehmen nach peilt man bei EQT eine Rendite im zweistelligen Prozentbereich an. Den offiziell vorgetragenen Absichten widerspricht das nicht, da sich heutzutage durchaus mit Datenschutz Geld verdienen lässt. Bei den Altaktionären haben die Pläne des Private-Equity-Investors aber für genug Skepsis gesorgt, um in den Bieterkampf zu ziehen.

Sparkassen und Volksbanken ziehen wohl ihr Ass im Poker um die Schufa

Noch ist offen, wie die Sache ausgeht, ganz anders als EQT es zunächst aussehen ließ. Denn die Schufa ist eben doch keine normale Aktiengesellschaft. Wann immer einer der Anteilseigner verkaufen möchte, haben die übrigen Aktionäre ein Vorkaufsrecht.

Die Sparkassen und die vier beteiligten Genossenschaftsbanken zeigen sich entschlossen, ihres zu nutzen. Hinter den Kulissen wird viel gesprochen, es geht vor allem um Geld, aber auch um Verantwortung: Passen die Profitinteressen eines Finanzinvestors, und sei er noch so freundlich, zur wichtigsten deutschen Auskunftei?

Das Lager der öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Institute antwortet deutlich mit Nein. "Die Teambank vertraut dem Vorstand und dem Geschäftsmodell der Schufa als neutralem Sachwalter der Verbraucherdaten", teilt eine Sprecherin der genossenschaftlichen Teambank mit, die mit 17,9 Prozent der Anteile zu den größten Einzelaktionären gehört. Gemeinsam mit anderen Bestandsaktionären sei es im gegenseitigen Interesse, stabile Mehrheitsverhältnisse und langfristig "das Grundprinzip der Neutralität der Schufa zu erhalten". Ein Sprecher des Sparkassen-Spitzenverbandes DSGV teilt mit, man werde "alle Optionen prüfen, die die bewährten Strukturen der Schufa dauerhaft sichern".

Was machen Deutsche Bank und Commerzbank?

Sollten die Altaktionäre gemeinsam die etwa 200 Millionen Euro für den Anteil der Société Générale aufbringen können, wären die Ideen von EQT einstweilen erledigt. Ganz ausgeschlossen ist es aber nicht, dass die Schweden am Ende doch zum Zug kommen: Es gibt ja noch die Deutsche Bank und die Commerzbank, mit Anteilen von sechs und zwölf Prozent an der Schufa. Gut möglich, dass sie die aktuelle Dynamik nutzen und sich auch von ihren Beteiligungen trennen. Bei der Deutschen Bank ist das dem Vernehmen nach gut möglich. Keines der beiden Institute wollte sich dazu äußern.

Und die Schufa selbst? Zu aktuellen oder potenziell künftigen Gesellschaftern äußere man sich nicht, heißt es. Aus der Firma aber ist zu hören, dass einige dort gut damit leben könnten, sollte sich EQT noch einen Minderheitsanteil sichern. So hätten die bisherigen Gesellschafter weiterhin einen Großteil der Entscheidungsmacht und zusätzlich jemanden, der die Auskunftei mehr als strategische Beteiligung betrachtet und Prozesse und Projekte beschleunigt.

Auch unter Verbraucherschützern scheinen die Bedenken weniger groß zu sein als unter den Sparkassen und Volksbanken. Einen potenziellen Investor müsse man sich erst einmal anschauen, heißt es. Denn es könnte ja sein, dass er die Schufa, so wie angekündigt, tatsächlich transparenter macht. Es ist eine sehr leise vorgetragene Hoffnung.

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