Technologie:Die Roboter kommen - und bringen Getränke mit

Technologie: Graffiti an einer Häuserwand in San Francisco, Kalifornien

Graffiti an einer Häuserwand in San Francisco, Kalifornien

(Foto: Josh Edelson /AFP)

Ein Restaurant, ein Café und ein Supermarkt werden von Automaten betrieben, nur wenige Häuserblocks voneinander entfernt. Ist das die Zukunft? Ein Spaziergang durch San Francisco.

Von Malte Conradi, San Francisco

Um es gleich vorwegzunehmen: Man trifft an diesem Nachmittag durchaus auf menschliche Mitarbeiter. Man spricht auch mit ihnen, mehr sogar als üblicherweise.

In der Innenstadt von San Francisco haben in den vergangenen Monaten drei Läden aufgemacht, die versprechen, für die Zukunft zu stehen. Und sie lassen erst einmal befürchten, dass diese Zukunft eine unpersönliche wird und vor allem eine schweigsame. Es gibt da ein Burger-Restaurant namens Creator, ein Café mit dem schönen Namen Café X und Amazon Go, einen von inzwischen zehn Supermärkten, die Amazon in den vergangenen zwei Jahren eröffnet hat. Was alle drei gemeinsam haben und was die Zukunft ins Spiel bringt: Sie ersetzen menschliche Mitarbeiter durch Maschinen.

Man kann diese drei Läden bequem zu Fuß ablaufen, sie liegen nur wenige Häuserblocks voneinander entfernt im Stadtteil South of Market. Seit das Silicon Valley südlich der Stadt zu teuer und auch ein bisschen zu uncool wurde, sitzen immer mehr Tech-Firmen in diesem vor Kurzem noch ziemlich runtergekommenen Teil der Stadt. Auf dem Spaziergang kommt man an den Zentralen von Slack und Linkedin vorbei, Twitter, Airbnb und Uber sind in der Nähe. Zehntausende überwiegend junge Menschen arbeiten hier und man tritt wohl niemandem zu nahe, wenn man sagt, dass die meisten von ihnen grundsätzlich alles gut finden, was neu ist. Wo also könnten Firmen die Zukunft der Mittagspause besser erforschen, als hier?

Soßen, Gewürze, Käse - all das berechnet der Computer auf das Milligramm genau

Beim Burgerbrater Creator stehen schon am Eingang drei Mitarbeiter. Sie tippen die Bestellung in ihre Tablets und kassieren. Klar, dass es nicht mehr lange dauert, bis diese Jobs verschwinden, schließlich können die Kunden in anderen Schnellrestaurants schon lange an Terminals bestellen und bezahlen. Erst einmal ist es aber gut, dass die drei da sind. Das hier ist schließlich "das Robo-Restaurant", über das alle reden, viele Kunden sind aufgeregt und haben viele Fragen.

Im Inneren ist es hell und modern, ein bisschen skandinavisches Design, aber alles leicht abwischbar. Wer zum ersten Mal hier ist, steht vor einer der Glasscheiben, die ins Innere der beiden Maschinen blicken lassen. Hier kann man zusehen, wie die Brötchenhälften geröstet werden und dann in Pappschachteln über ein Fließband laufen. Gurken, Tomaten, Zwiebeln stecken in Röhren darüber und werden frisch auf jeden Burger geschnippelt. Soßen, Gewürze, Käse - all das berechnet der Computer auf das Milligramm genau. Zum Schluss wird das Fleisch für jeden Kunden frisch durch den Wolf gedreht und mit maschinenhafter Perfektion gebraten. Nach fünf Minuten zieht ein Mitarbeiter den fertigen Burger aus der Maschine und übergibt ihn dem Kunden. Auch so ein Job mit begrenzter Laufzeit.

Die Maschinen müssen gewartet, die Zutaten eingeladen und das Restaurant geputzt werden. Trotzdem ist es leicht vorstellbar, dass so ein Schnellimbiss schon bald mit vielleicht der Hälfte der bisher üblichen Mannschaft auskommt. Jetzt stehen hier noch einige Mitarbeiter herum, um den Kunden alles zu erklären und um die Maschine zu kontrollieren. Das wird nicht mehr lange nötig sein. Und schon heute sparen die Burger-Maschinen Personal ein. Es bräuchte schon eine sehr große Küche, um so viele Burger so schnell und so frisch auszuspucken, wie es diese Maschinen tun.

Etwa 2,4 Millionen Menschen verdienen in Amerika ihr Geld mit dem Zubereiten von Essen. Diese Jobs werden nicht alle verschwinden und schon gar nicht sofort. Nicht alle Gerichte sind für eine Maschine so gut beherrschbar wie ein Burger mit seinen paar Arbeitsschritten.

Aber wie lange wird es dauern, bis etwa McDonalds einen Teil seiner 230 000 Mitarbeiter durch Roboter ersetzt? Dass die Firma es nicht schon getan hat, liegt nur daran, dass es bislang billiger ist, ihre Mitarbeiter gnadenlos darauf zu drillen, blitzschnell die immer gleichen Handgriffe auszuführen. Lange wird es nicht mehr dauern, bis diese Rechnung anders ausfällt. Kleinere Fast-Food-Ketten setzen schon heute Roboter in ihren Küchen ein.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Roboter Köche ablösen: 96 Prozent

Es gibt da diese kurzweilige Internetseite www.willrobotstakemyjob.com, die auf einer Studie der Universität Oxford basiert. Die Seite sagt einem, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Job in den kommenden 15 Jahren von Robotern übernommen wird. Die Antwort für Köche in Restaurants: 96 Prozent.

Alex Vardacostas, der Gründer des Roboter-Restaurants Creator, erzählt, er habe als Jugendlicher im Restaurant seiner Eltern Zehntausende Burger gebraten. "Das ist ein Job, den niemand vermissen wird", ist er überzeugt. Stattdessen sollten seine Mitarbeiter angenehmere, wichtigere Aufgaben übernehmen, nah am Kunden sein.

Es ist das alte Argument der Roboter-Apologeten: Die Maschinen befreien die Menschheit von den eintönigen Jobs und erlauben ihnen, sich Interessanterem zu widmen. Was das sein wird, soll uns dann zeigen, was es heißt, menschlich zu sein. Und es gibt ja auch schlagende Beispiele, die diese These untermauern: Anfang des 19. Jahrhunderts waren 90 Prozent der Amerikaner Bauern. Heute sind es etwa zwei Prozent. Wer vermisst schon diese Jobs? Oder die Heerscharen an meist jungen Frauen, die vor dem massenhaften Einsatz von Computern damit beschäftigt waren, Texte abzutippen. Niemand trauert diesen Jobs nach.

Aus Farmern wurden Fabrikarbeiter, aus Fabrikarbeitern Servicekräfte

In der Geschichte stellten sich all die Horrorszenarien von Maschinen, die den Menschen die Arbeit wegnehmen, schnell als falsch heraus. Ja, die Maschinen vernichteten Jobs. Aber die genau dadurch wachsende Produktivität schuf anderswo neue, bessere Jobs.

Als all die Arbeiter auf den Farmen überflüssig wurden, weil fortan Maschinen ihre Arbeit erledigten, fanden sie besser bezahlte Arbeit in den neu entstehenden Fabriken. Als die Menschen im 20. Jahrhundert auch hier durch Automatisierung verdrängt wurden, fanden sie wieder neue Jobs. Diesmal in der Service-Industrie. Sie wurden Kaffee-Zubereiter, Kellner oder Fahrer, bis heute ist dieser Bereich für den größten Teil der Job-Zuwächse verantwortlich.

Allein etwa 2,5 Millionen Amerikaner arbeiten als Fahrer für die Transportdienste Uber und Lyft. Auch wenn durch die schnelle Ausbreitung dieser Unternehmen einige Taxifahrer ihre Arbeit verloren haben, sind dies größtenteils Jobs, die es vor zehn Jahren noch gar nicht gab. Es sind diese Service-Jobs, die diesmal bedroht sind, von Robotern und von künstlicher Intelligenz. Die Roboter-Burger schmecken übrigens gut, frisch und perfekt gebraten.

Wenn er gerade nichts zu tun hat, winkt der Roboter

Den Kaffee nach dem Essen gibt es in einem Einkaufszentrum gleich um die Ecke. Cafés, so richtig zum Hinsetzen und mit Bedienung, gibt es in Amerika ja ohnehin kaum noch, also kann man sich zum Kaffeetrinken auch gleich neben die Kassen des Multiplex-Kinos stellen. Hier nämlich zeigt "Café X", dass sich mit dem Wort "Roboter" derzeit ganz toll Werbung machen lässt, auch wenn das Konzept dahinter eher zweifelhaft ist. Zwei herkömmliche Kaffeeautomaten stehen da hinter Glasscheiben, davor winkt ein Roboterarm den Kunden lustig zu, wenn er gerade nichts zu tun hat.

Für Ingenieure mag es faszinierend sein, dass die Roboterhand die Pappbecher weder zerquetscht noch fallenlässt, egal ob er sie leer in die Maschine oder gefüllt in einen Ausgabeschacht stellt. Aber man fragt sich doch: Gab es nicht ganz früher mal diese Kaffeemaschinen, bei denen der Pappbecher automatisch unter den Auslass fiel? Und warum darf man sich den Kaffee nicht einfach selbst aus der Maschine nehmen?

Obwohl der Roboterarm ziemlich viel winkt, dauert es erstaunlich lange, bis der Kaffee fertig ist. Zum Glück steht da ein sehr freundlicher Mann neben der Maschine und versichert, es werde bestimmt nicht mehr lange dauern. Mehr kann man ihn leider nicht fragen, weil er dann anderen Kunden versichern muss, es werde nicht mehr lange dauern.

An diesem Nachmittag drängeln sich hier viele Menschen, vielleicht schmeckt ihnen der Kaffee besonders gut, vielleicht ist ihnen aber auch nur langweilig, weil der Kinofilm noch nicht angefangen hat. Es ist wohl nicht genau diese Maschine, die Millionen Jobs in amerikanischen Coffee Shops gefährdet. Trotzdem antwortet www.willrobotstakemyjob.com auf die Frage, welche Zukunft Jobs als "Thekenmitarbeiter" in Cafés haben: zu 96 Prozent gar keine.

Auch die größten Warner vor einer bevorstehenden Massenarbeitslosigkeit behaupten ja nicht, dass all die Millionen Service-Jobs in ein paar Jahren verschwinden werden. Aber es spricht doch einiges dafür, dass der technologische Umbruch diesmal anders verläuft. Schneller und radikaler, sodass all die Kassierer und Kellner gar keine Zeit haben werden, sich auf neue Aufgaben einzustellen.

Die Gesellschaft der Zukunft werde aus drei Gruppen bestehen, schreibt der Autor Andrés Oppenheimer in seinem bald erscheinenden Buch "The Robots are coming". Die erste Gruppe wird die Elite sein, die den technologischen Wandel beherrscht und vorantreibt und daran prächtig verdient. Die zweite Gruppe ist nach Oppenheimer damit beschäftigt, der Elite das Leben angenehmer zu machen: Fitnesstrainer, Klavierlehrer, Meditations-Gurus. Und schließlich die dritte Gruppe, die Verlierer, größtenteils arbeitslos und möglicherweise von der Elite durch ein schmales bedingungsloses Grundeinkommen ruhiggestellt. Möglich, dass dies bald die Menschen sind, die heute noch Burger braten oder Autos lenken.

Der Käufer schlendert aus dem Laden, die Quittung wird aufs Handy geschickt

Zum Abschluss noch ein schneller Einkauf beim Amazon-Supermarkt. Es ist viel los, und doch ist der Besuch entspannt. Keine Schlangen, keine Kassen, kein Ein-, Aus- und wieder Einpacken der Einkäufe. Der Kunde meldet sich mit seinem Smartphone am Eingang an und packt die Waren in eine Tasche. Kameras und Sensoren merken, wenn ein Produkt aus dem Regal genommen (oder zurückgestellt) wird und ordnen alles anhand des Smartphones in der Nähe dem richtigen Kunden zu. Anschließend schlendert man einfach aus dem Laden, zwei Blocks später kommt die Quittung per E-Mail.

Noch steht bei Amazon Go ein sehr freundlicher Mitarbeiter am Ausgang, der wissen will, ob alles gut geklappt hat und ob man noch Fragen hat. Aber wie lange noch? Als die Deutsche Bahn überall in den Bahnhöfen Fahrkartenautomaten aufstellte, stand zu Beginn ja auch neben jedem Automaten ein Mitarbeiter, um den Kunden bei der Gewöhnung an die Maschinen zu helfen. Bald ging es dann gut ohne Menschen.

Klar, Amazon weiß nach diesem Besuch nicht nur, was man über die Website des Konzerns im Internet bestellt, sondern auch, was man im Supermarkt kauft. Aber die menschliche Bequemlichkeit war schon immer der größte Feind des Datenschutzes. Und das Einkaufen in dem Laden ohne Kasse ist so bequem, dass man sich in der nächsten Supermarktschlange unwillkürlich fragt, wann damit endlich überall Schluss ist.

Amazons Experiment mit seinen zehn Supermärkten wird in der Branche aufmerksam beobachtet. Und auch andere Unternehmen testen Systeme, die menschliche Kassierer überflüssig machen könnten. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die großen Supermarktketten den Schalter umlegen. Alleine in den USA wäre dies das Ende von 3,4 Millionen Jobs. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt laut www.willrobotstakemyjob.com: 97 Prozent.

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