Raumfahrt:Deutschland wahrt seine Chancen im All

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Unter Astronauten: Wirtschaftsminister Robert Habeck, der französische Finanzminister Bruno Le Maire und die deutsche Raumfahrtbeauftragte Anna Christmann posieren bei der Esa-Ministerratskonferenz in Paris. (Foto: Mohammed Badra/EPA)

Deutschland gibt so viel Geld wie noch nie für Europas Souveränität im All aus. Das ist richtig, denn sogar der Mond wird zum milliardenschweren Wirtschaftsraum.

Kommentar von Dieter Sürig

Alle drei Jahre treffen sich die Vertreter der gut 20 Esa-Mitgliedsländer, um über die Finanzierung der europäischen Raumfahrtagentur zu diskutieren. Im Vorfeld dieser Ministerratskonferenzen wird gerne über die möglichen Zahlungen der Länder taktiert: Budgets werden mitunter niedrig angesetzt, um den Wettbewerb innerhalb der Esa nicht anzuheizen und dann mit einer höheren Zeichnung aufzutrumpfen. Dies war 2019 so, als Deutschland mit 3,3 Milliarden Euro plötzlich zum Hauptzahler der Esa wurde. Und auch diesmal überrascht Berlin die Raumfahrtbranche - wenigstens etwas. Während im Haushaltsentwurf von 500 Millionen Euro weniger als vor drei Jahren die Rede war, reiste Wirtschaftsminister Robert Habeck immerhin mit rund 200 Millionen Euro mehr nach Paris, auch wenn dies im Prinzip weniger ist als ein Inflationsausgleich. Trotzdem ist Deutschland wieder Hauptbeitragszahler - noch vor Frankreich, auch wenn das Nachbarland gut 500 Millionen mehr zahlt als 2019.

Dass bei Esa-Verhandlungen schon mal gepokert wird, hängt auch damit zusammen, dass die Esa ihre Aufträge nach dem so genannten Georeturn-Prinzip vergibt. Der jeweilige Esa-Beitrag eines Landes fließt in Form von Aufträgen an die Industrie dorthin zurück. Dies schafft Arbeitsplätze und bringt der heimischen Industrie Innovation und Know-how. Insofern ist es folgerichtig, dass sich Deutschland entgegen früherer Befürchtungen trotz der Weltkrisen weiter gewichtig in der Raumfahrt engagiert, auch um explizit Start-ups zu fördern.

Denn Deutschland sollte auch langfristig daran interessiert sein, eine Führungsrolle in der europäischen Raumfahrt zu übernehmen. Nur so kann Berlin eine Branche mitgestalten, die dazu beiträgt, dass Europa seinen unabhängigen Zugang zum Weltraum und damit auch zu Schlüsseltechnologien weiter ausbauen kann. Erdbeobachtung, Navigation und ein sicheres Breitbandinternet aus dem All sind zunehmend unverzichtbar, wie der Ukraine-Krieg deutlich zeigt. Europa sollte in diesen Bereichen aus strategischen Gründen autonom sein.

Wer will sich schon von einem einzelnen Milliardär namens Musk abhängig machen?

Raumfahrt darf andererseits kein Selbstzweck sein, immerhin gibt die Esa jedes Jahr Milliarden Euro Steuergeld aus. Wenn sich die Grünen aber gerne vor allem auf Klimaschutzziele zurückziehen, um Raumfahrt zu legitimieren, dann ist dies zu kurz gedacht. Um solche Satelliten ins All zu bringen, braucht Europa verlässliche Trägerraketen. Die neuen Kleinraketen der Start-ups reichen dafür nicht aus, weil viele Satelliten zu schwer dafür sind. Deutschland sollte sich deshalb auch weiter daran beteiligen, eine große wieder verwendbare Rakete zu entwickeln - ob sie nun Ariane 7 oder anders heißt. Dies auch im Sinne des Nachhaltigkeitsziels im All.

Sicher wäre es billiger, einfach eine Falcon 9 bei Elon Musks Firma Space-X zu buchen. Doch wer will sich schon von einem einzelnen Milliardär abhängig machen, dessen ökonomische Entscheidungen - höflich gesagt - mitunter sehr erratisch anmuten können. Schon gar nicht in so einem sensiblen Bereich, in dem es auch um die Sicherheit Europas geht.

Berlin sollte aber auch den Mond nicht außer acht lassen. Dabei geht es gar nicht mal vorrangig darum, dass dort für viel Steuergeld irgendwann deutsche Astronauten spazieren gehen können. Es geht um viel mehr, nämlich darum, den Anschluss nicht zu verpassen, wissenschaftlich und wirtschaftlich. Die Menschheit steht am Vorabend einer neuen Ära, in der der Mond sogar zum milliardenschweren Wirtschaftsraum werden kann, wie es Finanzanalysten prognostizieren. Dann geht es nicht mehr nur um Forschung, sondern zum Beispiel auch um Bodenschätze. Bei aller internationaler Kooperation: Europa sollte dies nicht Amerikanern, Russen oder Chinesen überlassen. Europa braucht mehr Souveränität im All. Insofern ist es richtig, dass Deutschland trotz vieler Krisen jetzt dazu beiträgt und ausnahmsweise nicht noch ein paar Jahre abwartet.

Und wenn die Esa irgendwann auch eine eigene Astronautenkapsel bauen will, was diesmal noch nicht auf der Tagesordnung stand, aber von Esa-Chef Aschbacher favorisiert wird, dann sollten - neben rein strategischen Erwägungen - die Vor- und Nachteile sorgsam abgewogen werden, um den Vertrauensvorschuss der Bürgerinnen und Bürger nicht zu verspielen. Wenn die Esa damit nur jedes Jahr zwei Astronauten zur Raumstation ISS schicken will, dann reicht wohl vorerst die wesentlich billigere Mitfluggelegenheit der Nasa. Wenn Europa aber eigenständige astronautische Missionen auch zum Mond unternehmen will und eine Kapsel entwickelt, die auch für reine Frachtflüge genutzt werden kann, dann könnte so ein Konzept sogar wettbewerbsfähig werden und andere Nationen interessieren, die ins All streben.

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