Online-Handel:Amazon will jetzt auch Apotheke sein

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Mit der Übernahme von Pillpack drängt Amazon in den Handel mit Medikamenten - allein in den USA ein Hunderte Milliarden Dollar schweres Geschäft. (Foto: dpa)
  • Der Online-Händler Amazon übernimmt ein Start-up, das Medikamente verschickt.
  • Neben neuen Milliarden-Geschäften will das Unternehmen damit auch an Patientendaten kommen.
  • Doch der Medikamentenversand ist komplizierter als der Buchhandel. Der Markt ist von den Behörden streng reguliert.

Von Kathrin Werner, New York

TJ Parker stammt aus einer Apothekerfamilie. Schon als Jugendlicher arbeitete er in der Apotheke seines Vaters in New Hampshire - und bemerkte vieles, was ihm an der uralten Branche nicht gefiel. Zum Beispiel, dass es so schwer ist für viele Patienten, die ihnen verschriebenen Pillen tatsächlich regelmäßig einzunehmen und den Überblick zu behalten. Parker ist 32 Jahre alt, also lag für ihn eine Lösung mit Hilfe von Technik, mit Hilfe des Internets, nahe. Er studierte Pharmazie und gründete ein Online-Start-up, Pillpack. Nun verkauft er es an Amazon.

Genaue Informationen, was Amazon mit Pillpack vorhat, gibt es bislang noch nicht. Laut Medienberichten zahlte Amazon rund eine Milliarde Dollar für das 2013 gegründete Unternehmen. Pillpack ist bislang nur ein Nischenanbieter mit Zehntausenden Kunden im Vergleich zu den Millionen, die in den Apotheken und Drogerien mit festen Läden einkaufen. Das Start-up hat sich auf vorsortierte Packungen mit einem Monatsvorrat an Pillen für chronisch Kranke spezialisiert. Doch über die junge Firma bekommt Amazon wichtige Lizenzen für den Medikamentenhandel - und Zugang zu Kundendaten. Pillpack hat eine Apothekenzulassung in allen 50 Bundesstaaten der USA. Andere Konzerne mussten sich beides über Jahrzehnte hinweg erkämpfen.

Noch versuchen die alten Apotheken- und Drogerieketten, sich zumindest in der Öffentlichkeit nicht allzu verängstigt zu zeigen. "Ja, es ist eine Absichtserklärung von Amazon. Aber die Apothekenwelt ist viel komplexer als die Lieferung bestimmter Pillen oder Pakete. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Rolle der stationären Apotheke auch in Zukunft sehr, sehr wichtig sein wird", sagte Stefano Pessina, der Chef des zweitgrößten Apothekenkonzerns Walgreens Boots Alliance, in einer Telefonkonferenz. "Ich sehe keinen Grund, uns Sorgen zu machen." Nachdem Amazon die Übernahme verkündete, fielen die Aktienkurse der Apotheken- und Drogerieketten Rite Aid, Walgreens und CVS. Binnen weniger Stunden verloren sie zusammen etwa elf Milliarden Dollar an Marktwert. Das Amazon-Papier dagegen legte zu. Der Online-Händler ist inzwischen rund 825 Milliarden Dollar an der Börse wert.

In den USA werden 400 Milliarden Dollar mit Medikamenten umgesetzt

Seit Monaten schon zittert die Gesundheitswirtschaft vor Amazons Einstieg in das Geschäft, mit dem sie über Jahrzehnte weitgehend ungestört gute Profite erwirtschaftet hat, anders als nahezu alle anderen Branchen sogar fast ungestört vom Internet. Kein Land gibt so viel für Gesundheit aus wie die USA. Pro Einwohner sind die Kosten beinahe drei Mal so hoch wie im Durchschnitt anderer Industrieländer - und bis 2025 sollen sie laut einer Studie rasant weiter steigen, schneller sogar als das Bruttoinlandsprodukt.

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Allein der US-Medikamentenhandel ist Schätzungen zufolge mehr als 400 Milliarden Dollar schwer und macht fast die Hälfte der globalen Umsätze aus. Amazons Einstieg könnte die Preise drücken - so wie es fast immer der Fall ist, wenn Amazon sich etwas Neues vornimmt. Die noch nicht einmal 24-jährige Geschichte des Unternehmens aus Seattle hat gezeigt, dass es für Wettbewerber dann ungemütlich wird. Nach Amazons Gründung, zunächst als Online-Buchversand, rutschte etwa die Buchhandelskette Borders in die Insolvenz. Und seit Amazon vor Kurzem die Bio-Supermarktkette Whole Foods übernommen hat, fürchten sich traditionelle Lebensmittelhändler und verlieren an Marktwert.

Der Einstieg in die Gesundheitswirtschaft dürfte allerdings nicht so leicht werden wie jener in den Buchhandel. Schließlich achten US-Behörden deutlich genauer auf den Schutz von Patientendaten und die Sicherheit beim Versand, die Industrie ist streng reguliert. Außerdem ist die Branche konservativ und arbeitet - zumindest außerhalb des Versands direkt an Verbraucher - mit Verträgen mit langer Laufzeit und über Jahre geschmiedeten Handelsbeziehungen. Für Krankenhäuser, also Medikamenten-Großkunden, zählt der Preis weniger als die Qualität.

Die Pillpack-Übernahme ist nur der erste Schritt

Zunächst soll sich laut Medienberichten sowohl am Namen Pillpack als auch an den Lizenzen nichts ändern. Parker, der Mitbegründer und Chef, soll das Unternehmen leiten. Auch die Handelskette Walmart, Amazons mächtigster Rivale aus der Offline-Welt, soll Interesse an Pillpack gehabt haben, konnte sich mit dem Angebot aber nicht durchsetzen.

Vor der Übernahme von Pillpack hat Amazon bereits signalisiert, in die Branche einsteigen zu wollen. Zum Beispiel haben Amazon-Vertreter eine US-Krankenhauskette nach der anderen kontaktiert und sich ihr als Großhändler angedient. Dabei ging es nicht um den Medikamente oder andere sensible Produkte, sondern zunächst um Spritzen, Latex-Handschuhe, Kittel, Pflaster und sonstigen Arztbedarf, der keiner besonders strengen Regulierung unterliegt.

Mit der Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway des Investors Warren Buffett und der größten US-Bank JP Morgan Chase will Amazon außerdem eine Krankenkasse gründen, zunächst nur für die eigenen Mitarbeiter. Sie soll Lösungen bieten, um die Gesundheitskosten zu senken und das verflochtene System von Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken, Versicherern und Pharmakonzernen transparenter zu machen - und billiger. Die Aktienkurse der Versicherer brachen prompt ein. Gerade erst verkündete das Unternehmen, dass es einen Vorstandschef gefunden hat: den berühmten Arzt und Wissenschaftler Atul Gawande. Noch ist nicht viel über konkrete Pläne der Krankenkasse bekannt. Aber zusammen mit der Übernahme von Pillpack zeigt sie, dass Amazon es mit dem Einstieg in die Gesundheitswirtschaft ernst meint. "Das Gesundheitssystem ist komplex und wir gehen diese Herausforderung mit offenen Augen hinsichtlich ihrer Schwierigkeit an", sagte Amazon-Chef Jeff Bezos. Er habe sich vorgenommen, "die Bürde zu senken, die die Gesundheitswirtschaft für die Volkswirtschaft bedeutet."

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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