Microsoft Teams an Schulen:Das größte Team der Stadt

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Abschied von der reinen Kreidezeit: Bayerns Schulen erlebten gewissermaßen als positive Nebenerscheinung der Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub. (Foto: Michael Weber/imago)

Weil es schnell gehen musste, hat Münchens IT-Dienstleister alle Schüler und Lehrer in ein einziges Microsoft-Team gepackt. Das hat Folgen, die nicht jedem klar sein dürften.

Von Max Muth

Anfang der Woche wurden auch Münchens Grundschüler wieder zwangsdigitalisiert. Im Homeschooling sind sie über Microsoft Teams mit ihren Klassenkameraden verbunden. Die Fünf- bis Zehnjährigen werden Frau Meier und Herrn Müller an der Teams-Tafel sehen, mit Emma aus der 3b chatten und Lösungen von Hausaufgaben austauschen - alles über die Konferenz-Software des US-Konzerns. Die Kinder könnten damit allerdings noch viel mehr anstellen.

Die Stadtwerke-Tochter LHM-Services GmbH (LHM-S) hat sämtliche Schulen im Stadtgebiet als einen einzigen "Tenant" in Teams angelegt, so nennt Microsoft die einzelnen Mieter ihrer Software. Die ganze Stadt gilt also als ein einziges großes Team. In diesen Teams kann jedes Mitglied jedes andere kontaktieren. Alle Kinder und alle Lehrer können einander anschreiben. Das dürfte vielen Eltern nicht bewusst sein - und lädt zu Missbrauch ein.

Über den Dienst lassen sich Nachrichten, Fotos und Dateien austauschen. Teams ist also als eine Art münchenweites Whatsapp für Schüler, mit dem Unterschied, dass man die Telefonnummer eines Teilnehmers nicht kennen muss. Der Name reicht. Verbunden sind auf diese Weise mindesten 140 000 Menschen, Lehrer und Schüler aus 61 Berufsschulen, 35 Gymnasien, 16 Realschulen, 32 Mittelschulen, 85 Grundschulen und 9 Förderzentren. Dass diese totale Vernetzung nicht ganz ideal ist, ist der LHM-S selbst aufgefallen. In einer Handreichung vom Mai, die als "vertraulich" eingestuft ist, rät sie deshalb: Kinder sollten möglichst "unverfängliche, nüchterne Profilfotos zu verwenden".

Wie ein Whatsapp für alle Münchner Schüler

Im Juli wurde das interne FAQ um die Punkte "Cybermobbing und Sexting" ergänzt. Dort heißt es nun: "Auch MS Teams kann für Cybermobbing und Sexting missbraucht werden." Die LHM-S tut ihr bestes, um Derartiges zu verhindern. So ist es Schulen nicht möglich, anonyme oder pseudonyme Accounts anzulegen, gleich aus welchen Gründen. So sei sichergestellt, das Täter identifiziert werden können, sollte es zu digitalen Übergriffen kommen. LHM-S Geschäftsführer Martin Janke sagt der SZ: "Mir ist bislang kein Fall bekannt, wo so etwas über Teams passiert ist." Auf seinem Tisch würden die Fälle spätestens dann landen, wenn Staatsanwälte eingeschaltet werden.

Den Eltern wurden solche Bedenken nicht mitgeteilt. Sie haben zwar eine Einverständniserklärung für die Nutzung von Teams unterschrieben. Und unter Punkt 3b des Vordrucks wird festgestellt, dass sich alle Mitglieder eines "Tenants" sehen können. Weiter heißt es dort "Im Rahmen der temporären Bereitstellung von MS Teams wurden alle Münchner Schulen, die das Angebot über die LHM-S bestellt haben, über einen Tenant angelegt." Was das bedeutet, dürften allerdings nur die wenigsten Eltern verstanden haben. Die Einverständniserklärung macht auch nicht deutlich, dass sich die Teilnehmer nicht nur sehen, sondern einander auch schreiben und Fotos schicken können.

"Ich kann sagen: mir war das nicht klar, als ich das unterschrieben habe", sagt etwa Robert Helling, Physiker an der LMU München und Mitglied des Münchner Chaos Computer Clubs (MuCCC). "'Tenant' ist nicht Teil meines aktiven Wortschatzes." Helling sagt, er sei überrascht gewesen, als er feststellte, dass er über den Teams-Account seiner Tochter direkt den Sohn eines ehemaligen FC-Bayern-Stars anchatten könnte.

Die LHM-S organisiert für die Stadt die Digitalisierung der Schulen. Geschäftsführer Janke sagt, die Lösung mit Microsoft Teams sei trotz allem die beste Alternative. Sie laufe stabil und sei in der abgespeckten Version auch datenschutzrechtlich vertretbar, zumindest bis eine Alternative gebaut sei. Dass Teams theoretisch missbraucht werden könne, sei ihm bewusst. Das gelte aber für alle anderen Tools genauso. Für Themen wie Mobbing oder Sexting müssten Schulen sensibilisieren, unabhängig vom digitalen Kanal.

Das sehen auch die Eltern so. Robert Helling hätte sich von der Schule bessere Aufklärung gewünscht, dann hätte er mit seinen Kindern darüber gesprochen. Unterschrieben hätte er die Einverständniserklärung zur Teams-Nutzung trotzdem, sagt er. Am wichtigsten sei ihm, dass Unterricht vernünftig stattfinden könne. Das gehe per Video und Kontakt mit den Lehrern nun einmal deutlich besser als mit Arbeitsblättern per Mail.

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