Luftfahrt:Die Lufthansa will ihre Versicherungen loswerden

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Hoffentlich gut versichert: eine Boeing "747" der Lufthansa. (Foto: Oliver Roesler; Deutsche Lufthansa AG/Oliver Roesler)

Die Fluglinie will sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich deshalb von ihrem Versicherer Delvag und dem Versicherungsmakler Albatros trennen. Das könnte riskant sein, viele Konzerne gehen andere Wege.

Von Jens Flottau und Friederike Krieger, Köln/Frankfurt

Die Lufthansa will sich von ihrem firmeneigenen Versicherer Delvag und dem Versicherungsvermittler Albatros trennen. Nach SZ-Informationen hat die Fluggesellschaft Berater für den Verkauf angeheuert, darunter das Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg über Verkaufspläne berichtet.

Die Lufthansa will sich zu den Plänen nicht offiziell äußern, auch Deloitte lehnte eine Stellungnahme ab. Unternehmenskreisen zufolge aber stehen Delvag und Albatros zum Verkauf.

Die Delvag Versicherungs-AG ist in der Luftfahrtversicherung für die Lufthansa tätig, aber auch für andere Fluglinien. Die Tochter Albatros Versicherungsdienste ist als firmeneigener Versicherungsmakler vor allem im Belegschaftsgeschäft und in der betrieblichen Altersversorgung tätig. Mit 80 Millionen Euro Prämieneinnahmen ist die Delvag ein mittelgroßer Spezialversicherer. Auch der Makler Albatros ist mit 27 Millionen Euro Provisionseinnahmen kein kleiner Anbieter.

Die Lufthansa-Strategie geht völlig gegen den Trend bei anderen Konzernen

Dass sich Lufthansa von ihrer Versicherungssparte trennen will, folgt der Logik, nach der Konzernchef Carsten Spohr den Konzern seit Jahren umbaut. Lufthansa soll in der Zukunft im Wesentlichen eine Gruppe von Fluggesellschaften sein, angeführt von der Hauptmarke Lufthansa Airlines. Neben den eigentlichen Flugbetrieben soll nur noch die Wartungssparte Lufthansa Technik zum Kerngeschäft gehören, aber selbst für die Technik sucht Lufthansa einen Minderheitsaktionär.

Allerdings geht die Lufthansa-Strategie im Bereich Versicherung völlig gegen den Trend bei anderen Konzernen. VW, Bayer, BASF, Siemens und viele weitere große Firmen haben eigene Versicherer, im Branchenjargon Captives. Andere beschäftigten sich mit der Gründung.

Der Grund sind die stark gestiegenen Preise in der Industrieversicherung und die rigide Politik mancher Versicherer auch gegenüber großen Kunden: Sie lehnen viel mehr Risiken ab oder beschränken ihre Deckungshöhe. Hohe Preise und zu geringe Versicherungskapazitäten sorgen für Probleme. Mit dem eigenen Versicherer kann ein Konzern sehr viel flexibler reagieren.

"Wir haben aktuell so viele Captive-Anfragen wie nie zuvor", berichtet Oliver Cullmann bei einer Fachveranstaltung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter beim Bremer Versicherungsmakler Krose und hilft Firmen bei der Captive-Gründung. "Das hängt damit zusammen, dass in den vergangenen Jahren die Prämien deutlich gestiegen sind und alle ächzen und sich überlegen, ob es andere Möglichkeiten gibt, das Risiko selbst zu managen."

Die Delvag-Vorstände Martin Schmatz und Tobias Winkler haben das Unternehmen gerade neu ausgerichtet. Es hat sich vom Geschäft mit Kunden außerhalb der Gruppe getrennt und den Fokus stärker auf die Risiken innerhalb der Lufthansa-Gruppe gelegt. Ein möglicher Verkauf dürfte Vereinbarungen darüber enthalten, wie lange die Lufthansa Delvag und Albatros noch nutzt. Denn das Lufthansa-Geschäft macht ihren eigentlichen Wert für einen möglichen Käufer aus.

Versicherungsexperten bezweifeln, dass sich die Lufthansa damit langfristig einen Gefallen tut

Für den Versicherer und den Makler dürfte die Lufthansa ordentliche Preise erzielen, denn solche Unternehmen werden gesucht. Aber Versicherungsexperten bezweifeln, dass sich der Konzern damit langfristig einen Gefallen tut - er wird sehr viel stärker von Versicherern abhängig als heute. "Zehn Jahre nach dem Verkauf haben die wieder einen eigenen Versicherer", unkt ein in der Luftfahrt aktiver Makler.

Aktuell will Spohr Delvag und Albatros jedenfalls nicht mehr im Konzern haben. Die Gruppe besteht künftig aus den Airlines Lufthansa, Swiss, Austrian, Brussels Airlines, Eurowings, Lufthansa City-Line, Lufthansa Cargo sowie Lufthansa Technik. Außerdem hat sich Lufthansa mit der italienischen Regierung darauf geeinigt, zunächst einen Minderheitsanteil an der staatlichen ITA Airways zu kaufen. Nach voraussichtlich drei Jahren will der Konzern ITA vollständig übernehmen.

Darüber hinaus steht die Privatisierung von TAP Portugal an, einem Lufthansa-Partner in der Star Alliance. TAP hatte, wie die meisten Airlines, in der Corona-Pandemie schwer gelitten und nur durch große Staatshilfen überlebt. Für Lufthansa ist TAP wichtig, weil sie ein dichtes Langstreckennetz nach Südamerika betreibt, eine Schwäche im lufthansaeigenen Angebot. Doch auch Air France-KLM und International Airlines Group (IAG), die Muttergesellschaft von Iberia und British Airways, haben Interesse an einem Einstieg bei den Portugiesen.

Spohr versucht, Geschäftszweige loszuwerden, die zwar zum Teil seit Jahrzehnten zum Konzern gehören, bei denen sich Lufthansa aber letztlich nicht gut genug auskennt. Lufthansa hatte sich in zwei Schritten vom Cateringspezialisten LSG Sky-Chefs getrennt, den sie selbst einst in den 60er-Jahren gegründet und durch den Zukauf der amerikanischen Sky-Chefs stark wachsen hat lassen. Zuletzt hatte das Unternehmen den Zahlungsdienstleister Air-Plus für 450 Millionen Euro an die schwedische Bank SEB verkauft.

Die Idee, einen Minderheitsanteil an Lufthansa Technik zu verkaufen, entstand in den schlimmsten Zeiten der Corona-Pandemie, als der Konzern dringend jeden Euro brauchte. Der Druck ist angesichts der aktuell enormen Nachfrage im Luftverkehr geringer geworden. Lufthansa will auch in jedem Fall bei Technik weiterhin das Sagen haben, was den Einstieg für einen Investor weniger attraktiv macht. Lufthansa Technik wartet nicht nur viele der Maschinen im Konzern, sondern bietet die Dienste auch anderen Airlines an.

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