Bundesregierung:Düstere Diagnose, kein Rezept

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"Wir kommen langsamer aus der Krise als gehofft." Robert Habeck bei der Präsentation des Jahreswirtschaftsberichts am Mittwoch in Berlin. (Foto: Liesa Johannssen/REUTERS)

Deutschlands Wirtschaft kommt langsamer aus der Krise als von Robert Habeck erhofft. Die Ampel ringt noch um ein Konjunkturprogramm. Immerhin: Die Inflation geht weiter zurück.

Von Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Konjunktur lahmt, die Stimmung ist mies, die Aussicht trüb - schon lange erschien die ökonomische Lage in den ersten Wochen eines neuen Jahres nicht mehr so trostlos wie diesmal. In einer solchen Situation wäre die turnusmäßige Präsentation des Jahreswirtschaftsberichts eigentlich die Gelegenheit für die Bundesregierung, ein schlüssiges Konzept zur Überwindung der Krise vorzulegen und Optimismus zu verbreiten. Genau das jedoch passierte an diesem Mittwoch nicht: Der Bericht, den Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) da der Öffentlichkeit vorgestellt hat, beschreibt zwar ausführlich die Probleme und Herausforderungen, vor denen die deutsche Wirtschaft steht. Ein in sich stimmiges, innerhalb der Koalition abgestimmtes Anti-Krisen-Programm aber sucht man in dem 178-seitigen Papier vergeblich. SPD, Grüne und FDP ringen noch um einen gemeinsamen Kurs.

Stattdessen hatten sich Habeck und Finanzminister Christian Lindner in den vergangenen Tagen einen regelrechten Wettbewerb um die düsterste Zustandsbeschreibung geliefert. Habeck etwa erklärte, die gesamtwirtschaftliche Leistung werde nach dem Rückgang um 0,3 Prozent im vergangenen Jahr wohl auch 2024 um gerade einmal 0,2 Prozent wachsen - ein aus seiner Sicht "dramatisch schlechter" Wert. Lindner sprach gar von einer "nachgerade peinlichen" Zahl und ließ zudem verlauten, die Bundesrepublik sei über die Jahre zu einem "trägen" Land geworden. Just am Mittwoch präsentierte auch die Industrieländergruppe OECD neue Zahlen. Im letzten Quartal 2023 waren demnach die OECD-Staaten im Schnitt um 0,4 Prozent gewachsen - Deutschland dagegen um 0,3 Prozent geschrumpft. Nur Großbritannien schnitt ähnlich schlecht ab.

(Foto: SZ-Grafik: Mainka/BMWK)

Die beiden Ministerien arbeiten dem Vernehmen nach an jeweils eigenen Konzepten zur Bewältigung der Krise, die aber erst in einem zweiten Schritt zu einem Programm verschmolzen werden sollen. Das Problem dabei ist, dass Habeck und Lindner unterschiedliche Ansätze verfolgen, die sich nur schwer kombinieren lassen. Der Wirtschaftsminister will mit staatlichen Hilfen dazu beitragen, dass die Wirtschaft in den klimagerechten Umbau des Landes investiert. Dafür sind aus seiner Sicht erheblich mehr öffentliche Mittel notwendig als bei Einhaltung der Schuldenbremse zur Verfügung stehen. Habeck liebäugelt dafür mit einem Sondervermögen, mit dem sich die Investitionen in den Umbau anschieben ließen. Lindner hingegen setzt mehr auf steuerliche Anreize für die Betriebe und will die Schuldenregel des Grundgesetzes strikt einhalten. Was die nächsten Schritte angehe, "ist zugegebenermaßen noch kein Häkchen dran", sagt Habeck, als er am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht vorstellt.

Zur aktuellen Krise kommen strukturelle Probleme, sagt Habeck

Insgesamt sei die deutsche Wirtschaft trotz aller Erfolge bei der Bekämpfung von Energieengpässen und Inflation weiter in schwerem Fahrwasser. "Wir kommen langsamer aus der Krise als gehofft", so der Minister. Deutschland leide stärker und anhaltender unter dem Krieg in der Ukraine, knapper Energie und einem schwächelnden Welthandel - schon wegen seiner starken Abhängigkeit von Exporten. Das erkläre auch, warum es der deutschen Wirtschaft schlechter gehe als anderen Volkswirtschaften Europas.

Hinzu kämen hohe Zinsen, die der Bauwirtschaft zusetzten, und die Ausgabenkürzungen, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem Haushaltsurteil vom letzten November erzwungen hatte. "Die Situation ist extrem herausfordernd", sagt Habeck. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass Deutschland unter strukturellen Problemen wie gravierendem Fachkräftemangel leide. Ein wahrer "Reformbooster" sei nötig, vor allem mit Blick auf den Bürokratieabbau, sagt Habeck. "Es geht um nichts Geringeres, als die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandortes zu verteidigen." Daran müsse die Regierung gemeinsam arbeiten.

Ökonomen sehen die Lage noch düsterer. Derzeit gebe es keine Hinweise auf eine zügige Erholung, sagt Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, der Süddeutschen Zeitung. "Tatsächlich dürfte sich auch die neue Prognose der Bundesregierung noch als zu optimistisch erweisen." Statt plus 0,2 erwartet er minus 0,3 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Auch er verlangt zusätzliche Investitionen. Zunehmend erweise sich die Schuldenbremse als "Wachstumsbremse", warnt Dullien. Damit steige das Risiko, "dass sich die konjunkturelle Schwäche zu einer längerfristigen Stagnation entwickelt, die dann auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen würde".

Das Wachstumschancengesetz soll Anreize für Investitionen bieten

Doch zumindest der zuständige Minister sieht Licht am Ende des Tunnels. Schon die Lohnabschlüsse der jüngeren Vergangenheit dürften die Stimmung der Verbraucher weiter bessern, während die Inflation weiter fallen werde. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit nur noch 2,8 Prozent Inflation, für 2025 erwartet Habeck einen weiteren Rückgang. "In der Perspektive", sagt er vorsichtig, "sehen wir die Tendenz, dass sich die Lage bessert."

Allerdings müssten dazu auch Investitionen angereizt werden, verlangt er mit Blick auf das sogenannte Wachstumschancengesetz, über das der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Mittwochabend beraten wollte. Es sieht unter anderem steuerliche Anreize für investitionswillige Unternehmen vor; die Entlastungen wurden allerdings im Zuge der Diskussionen schon von sieben auf drei Milliarden Euro zusammengestrichen und dürften allein kaum ausreichen, um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Hier spielen auch CDU und CSU keine rühmliche Rolle, da sie einerseits in Brandbriefen an Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Steuererleichterungen für Unternehmen fordern, deren Einführung dann aber aus politischen Gründen verzögern.

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