Im Möbelhaus wollen die Kunden Sofas oder Küchen betrachten, doch oft stechen zunächst Rabattschilder ins Auge: "Alles muss raus", steht darauf beispielsweise, "bis zu 75 Prozent auf gekennzeichnete Ware!" Ohne Ausrufezeichen und Versalien geht da praktisch nichts.
Doch nun deutet einiges darauf hin, dass die Rabatte im Möbelhandel künftig seltener oder geringer werden. Zeitweise Engpässe und höhere Kosten, etwa für Holz oder den Transport, könnten in längerfristig höhere Möbelpreise münden. Es ist einer von vielen Beiträgen zur vergleichsweise hohen Inflation dieser Tage.
Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie waren weite Teile der Wirtschaft auf enge Takte getrimmt: Allzu volle Vorratslager galten eher als finanzielle Last denn als Ausdruck von Vorsorge. In der Krise haben zeitweise geschlossene Fabriken und Häfen sowie knappe Frachtkapazitäten die Grenzen dieser Mentalität aufgezeigt - und Materialien wie Transporte verteuert.
So hat sich Holz, der wichtigste Rohstoff der Möbelindustrie, im vergangenen Jahr um mehr als 60 Prozent verteuert, wie das Statistische Bundesamt mitteilt, die Preise für Spanplatten sind demnach um 23 Prozent gestiegen. Nie zuvor hatte die Behörde derartige Preisanstiege bei Baumaterial gemeldet. Sie verweist auch auf die hohe Nachfrage im In- und Ausland.
Die Lieferzeiten für viele Möbel sind zwei bis drei Wochen länger geworden
"Die Leute machen sich's zuhause schön", sagt Jan Kurth, Chef des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM): Wer pandemiebedingt mehr Zeit zuhause verbringt und weniger Geld, etwa fürs Reisen, ausgibt, nutzt zuweilen die Gelegenheit zum Renovieren. "Wir hatten allerdings auch ein bisschen Wind von vorne."
Kurth zufolge kämpfen viele Möbelhersteller mit Engpässen und Störungen der Lieferketten. In der Folge dauere es im Durchschnitt zwei bis drei Wochen länger, bis Möbel lieferfertig sind. Und nahezu alle Vorprodukte hätten sich massiv verteuert: nicht nur Holz und Polsterschäume, sondern etwa auch Verpackungsmaterial und Elektronik. "Das kann von der Branche nicht einfach weggeatmet werden", sagt der Verbandschef. "Da wird an Weitergabe kein Weg vorbeiführen, das ist auch in anderen Wirtschaftszweigen so."
Nun entscheiden beileibe nicht nur Materialkosten über den letztlichen Preis eines Schranks oder Stuhls. Doch zumindest im Großhandel macht sich die "Holzflation" schon bemerkbar: Dort waren Möbel und Teppiche, Lampen und Leuchten zu Beginn dieses Jahres sechs Prozent teurer als ein Jahr zuvor, berichtet das Statistische Bundesamt. Für Privatleute fiel der Preisanstieg bislang etwas kleiner aus: So waren Möbel und Leuchten im Januar 4,5 Prozent teurer als im Vorjahresmonat, meldet die Behörde.
Allerdings profitieren Privatleute bislang indirekt davon, dass Hersteller und Händler den Einkaufspreis für Möbel oft ein Jahr im Voraus vereinbaren. Der VDM drängt nun darauf, dass beide Seiten auch unter dem Jahr noch mal Preise verhandeln sollten. Andernfalls hätten viele Hersteller bald ein Problem, warnt Kurth. Doch der Handelsverband Möbel und Küchen gibt sich noch bedeckt: "Wenn die Warenknappheit und die Lieferschwierigkeiten andauern, dann kann es natürlich zu weiteren Preissteigerungen kommen", sagt Geschäftsführer Christian Haeser. Man müsse aber abwarten, wie sich das im Handel niederschlage.
Marktführer Ikea hat seine Preise Anfang des Jahres im Durchschnitt um neun Prozent erhöht
Europas größter Einrichtungskonzern Ikea wird da schon deutlicher. Man wolle die Preise zwar grundsätzlich so niedrig und konstant wie möglich halten, teilt die schwedische Firma mit. Doch derzeit ließen sich Erhöhungen nicht vermeiden. Anfang des Jahres habe Ikea die Preise im weltweiten Mittel um etwa neun Prozent erhöht. Wie viel teurer Ikea-Möbel nun hierzulande sind, verrät das Unternehmen aus Wettbewerbsgründen nicht. Schwer vorherzusagen sei, wie sich die Versorgungsprobleme in den kommenden Monaten entwickeln werden.
Ikea konzentriere sich nun darauf, dass man vor allem die meistverkauften Produkte - auch der jeweiligen Jahreszeit - vorrätig habe. Andere Möbel hingegen können je nach Filiale auch zeitweise nicht verfügbar sein. Im Vergleich zu anderen Möbelhändlern setzt Ikea eher auf niedrige Einstiegspreise denn auf endlose Rabattaktionen. Umso weniger Spielraum hat der Konzern nun, einfach ein paar Sonderangebote wegzulassen, um höhere Kosten abzufedern.
Inwiefern Unternehmen Preise erhöhen wollen, ist in der Wirtschaftsforschung - auch abseits von Möbeln - eine Standardfrage. Das Ifo-Institut stellt sie Monat für Monat vielen Firmen in einer Befragung. Anschließend errechnet das Forschungsteam, wie viel Prozent der Befragten ihre Preise in den nächsten drei Monaten anheben wollen - und zieht den Anteil derer ab, die Preise senken wollen. Am Ende steht ein Index, der bezogen auf die ganze Wirtschaft in Deutschland zuletzt auf einen neuen Höchststand stieg: 46. Für den Großhandel mit Holz und Möbeln lag der Wert gar über 70, für den Einzelhandel mit Möbeln bei gut 61. Glaubt man dem Ifo-Institut, dürften sich Einrichtungen mithin weiter verteuern.
Der VDM geht davon aus, dass die Möbelindustrie mengenmäßig in diesem Jahr zwar nicht viel mehr verkaufen dürfte als 2021. Dennoch erwartet der Verband einen Umsatzanstieg um etwa zehn Prozent - vor allem getrieben durch höhere Preise. Diese seien betriebswirtschaftlich schlicht notwendig, sagt Kurth.
Und was kann man künftig machen, um nicht mehr ganz so abhängig von schwankenden Weltmärkten zu sein? "Wir werden gucken, dass wir uns standortnäher versorgen, als wir das in der Vergangenheit gemacht haben", fasst der Verbandschef die Stimmung in der Industrie zusammen. Ganz ähnlich heißt es auch von Ikea, der Konzern wolle sein Angebot um mehr regional beschaffte Produkte erweitern. Es scheint, als könne man aus dieser Krise doch auch etwas lernen.