Sozialpolitik:Wo es in der großen Koalition knirscht

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Finanzminister Scholz und Fraktionschefin Nahles bei Kanzlerin Merkel, hier bei einem Koalitionsausschuss im Juni (Foto: dpa)

Auf das Rentenpaket hatten sich die Parteien eigentlich schon geeinigt. Die Union will daran allerdings eine Senkung der Arbeitslosenversicherung koppeln. Der SPD schwebt ein leichterer Zugang zum Arbeitslosengeld I vor. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Union und SPD ringen um das Rentenpaket von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD). Auch ein Spitzentreffen am Wochenende konnte zentrale Differenzen zwischen Union und SPD nicht auflösen. Warum eigentlich nicht?

Was ist drin in Heils Rentenpaket?

Zum Rentenpaket, das Heil "Rentenpakt" getauft hat, gehören unter anderem "Haltelinien" für den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung und für das Rentenniveau. Bis 2025 soll ersterer nicht über 20 Prozent steigen, letzteres nicht unter 48 Prozent sinken. Darüber hinaus sind Verbesserungen für künftige Erwerbsminderungsrentner geplant, die wegen gesundheitlicher Probleme nicht bis zum eigentlichen Renteneintrittsalter arbeiten können. Auch die Mütterrente soll ausgeweitet werden; künftig bekommen Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, rententechnisch auch das dritte Erziehungsjahr gutgeschrieben - vorausgesetzt, sie haben mindestens drei Kinder.

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Worüber gibt es Streit?

Das Rentenpaket an sich ist eher unumstritten. "Es ist gar keine Frage, dass wir diesen Entwurf durchs Kabinett bringen wollen", sagte der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU) am Montag. Gestritten wird vielmehr über das, was im Entwurf aus Sicht der Union fehlt: die im Koalitionsvertrag vereinbarte Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. CDU und CSU wollen, dass diese Entlastung erstens gleichzeitig mit dem Rentenpaket kommt und zweitens größer ausfällt als die eigentlich ausgemachten 0,3 Prozentpunkte.

Vor allem der Wirtschaftsflügel weist darauf hin, dass die Reserven der Arbeitslosenversicherung selbst bei einer Senkung um 0,6 Prozentpunkte zum Jahresende noch immer über 20 Milliarden Euro liegen würden - eine Summe, mit der selbst Arbeitsmarktschocks wie in der Wirtschafts- und Finanzkrise vor zehn Jahren abgefedert werden könnten. "Die Kopplung macht Sinn", sagt etwa Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU), "auch weil wir zeitlich unter Druck sind". In der Tat wäre eine Senkung des Beitragssatzes zum 1. Januar 2019 samt Rentenpaket schon jetzt nur im beschleunigten Verfahren zu schaffen.

Hinzu kommt, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Pflegebeitrag um mindestens 0,3 Prozentpunkte anheben will. Verzögert sich die Entlastung in der Arbeitslosenversicherung, käme es zunächst zu höheren Sozialbeiträgen. "In konjunkturell so guten Zeiten kann es das ja wohl nicht sein", sagt Linnemann.

Was sagt die SPD?

Heil hat die Senkung um 0,3 Prozentpunkte stets zugesagt und zudem versichert, über mehr könne man mit ihm reden. An seinen Rentenpakt hat er die Senkung trotzdem nicht angedockt, sondern an seine geplante Weiterbildungsoffensive - die bislang allerdings nur in der Form von Eckpunkten existiert. Erschwerend hinzu kommt, dass diese Qualifizierungsoffensive einen Punkt enthält, mit dem sich CDU und CSU enorm schwer tun: Heil will den Zugang zum Arbeitslosengeld I erleichtern. Eine "Kröte", die die Union bislang nicht zu schlucken bereit ist.

Worum geht es dabei?

Bislang hat man nur Anspruch auf Arbeitslosengeld I (das deutlich über Hartz IV liegt), wenn man innerhalb von zwei Jahren mindestens zwölf Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Wer das nicht erreicht, fällt gleich in Hartz IV.

Heil will diese Regelung lockern; künftig soll es genügen, innerhalb von drei Jahren zehn Monate gearbeitet zu haben. Begründet wird das damit, dass Projektarbeit auf dem Vormarsch sei, regelmäßig unterbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit. Die Union ist gegen eine solche Aufweichung der bisherigen Regeln. Sozialexperte Weiß aber sagte am Montag, zwischen dem Status quo und Heils Forderung gebe es "noch genug Spielraum".

Welche Rolle spielt in der ganzen Gemengelage die Forderung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Rentenbeitrag und Rentenniveau sollten nicht nur bis 2025, sondern gleich bis 2040 gesichert werden?

Letztlich hat Scholz damit eine zweite Konfliktlinie eröffnet; in Heils Gesetzentwurf oder im Koalitionsvertrag jedenfalls ist davon an keiner Stelle die Rede. Und eigentlich hatte Heil ja auch gerade erst eine Rentenkommission eingesetzt, die sich um die Sicherung der gesetzlichen Rente nach 2025 Gedanken machen soll - also für die Zeit, wenn die geburtenstarken Jahrgänge verstärkt in Rente gehen, was das Rentensystem stark belasten wird.

Laut einer am Montag veröffentlichten Studie der arbeitgeberfinanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft würde Scholz' Vorschlag im Jahr 2040 zusätzliche Steuermittel in Höhe von 118 Milliarden Euro notwendig machen. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles signalisierte am Montag, ihre Partei wolle sich zwar weiterhin auch mit der langfristigen Sicherung der Rente befassen. Mit der Union aber sei derzeit nur eine Regelung bis 2025 möglich.

Wie geht es weiter?

Die anderen Konfliktlinien jenseits der Rente bis 2040, allen voran diejenige um den Arbeitslosenbeitrag, sind weiterhin nicht aus der Welt. An diesem Dienstag wollen sich die Koalitionsspitzen deshalb abermals treffen, um nach einem Kompromiss zu suchen.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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