Lieferdienste:Teurer als die Kunden ahnen

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Bei Wind und Wetter: Ein Flink-Fahrer bei der Arbeit. (Foto: Sabine Gudath/IMAGO)

Schnelle Lieferdienste wie Flink, Getir und Lieferando sind zu einer Konkurrenz für Supermärkte geworden. Das liegt auch an den falschen Preisvorstellungen vieler Nutzer.

Von Michael Kläsgen

Deutschland ist trotz des monatelangen Wirbels um die Arbeitsbedingungen beim Schnelllieferdienst Gorillas zu einem führenden Land des sogenannten Quick-Commerce in Europa geworden. Die Dienste, die per App bestellte Lebensmittel innerhalb einer halben Stunde liefern, sind gekommen, um zu bleiben, heißt es in einer Studie der Strategieberatung Oliver Wyman. Das ist umso bemerkenswerter, als Deutsche beim Lebensmitteleinkauf als besonders preissensibel gelten, die Preise bei den Lieferdiensten aber höher als in vielen Supermärkten liegen. Doch das ist vielen Kundinnen und Kunden entweder egal oder nicht bewusst.

Die Nutzer akzeptierten Mehrkosten für den schnellen Service, "oft, ohne es zu ahnen", heißt es in der Studie, für die mehr als 2000 Quick-Commerce-Kunden in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland befragt wurden. 60 Prozent der Befragten hielten die Dienste für vergleichbar teuer wie stationäre Händler, 17 Prozent sogar für billiger. Ein Vergleich ergab hingegen, dass ein typischer Warenkorb beispielsweise beim Anbieter Flink fünf bis 16 Prozent teurer war als im Supermarkt - ohne Liefergebühr. Je kleiner der Einkauf, desto mehr fallen die Lieferkosten ins Gewicht. Doch hier hätten die Befragten eine "hohe Toleranz" gezeigt und die Gebühren akzeptiert.

Trotz der höheren Preise bestellten die Hälfte der Befragten mindestens regelmäßig bei den Schnelllieferdiensten, manche sogar ihren gesamten Wocheneinkauf. Obst, Gemüse und Milchprodukte lägen ganz vorn bei den bestellten Produkten. Spontaneinkäufe seien in der Minderzahl. Treue zu einem bestimmten Dienst gebe es nicht. "Das geht vor allem zulasten von Supermärkten oder Discountern", sagt Wyman-Partner Jens von Wedel.

Insgesamt liegt der Umsatz des Quick-Commerce noch bei weniger als einem Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes in Deutschland. Keiner der Anbieter verdient flächendeckend Geld mit dem Angebot, Flink soll aber für Ende dieses Jahr schwarze Zahlen in Aussicht gestellt haben. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, erhöhen die Dienste die Gebühren, verlangen Serviceaufschläge, verlängern die Lieferzeiten und kooperieren mit Konkurrenten. So hat sich Flink, an dem Rewe beteiligt ist, mit dem finnischen Anbieter Wolt zusammengetan, der vom US-Anbieter Doordash übernommen wurde und ebenfalls an Flink beteiligt ist.

Wolt fungiert dabei als Lieferdienst-Plattform, wobei Wolt und Flink die Auslieferung zum Kunden übernehmen. Ein ähnliches Modell etabliert sich zwischen dem Wolt-Wettbewerber Lieferando und Flink-Rivalen Getir, wobei hier nur Getir bis zum Kunden liefert. Dank des Plattform-Modells können Fahrer abends Restaurantessen und vormittags Lebensmitteleinkäufe ausfahren. So können sie mehr Auslieferungen pro Stunde machen, womit man wieder bei der Kritik an den Arbeitsbedingungen wie einst bei Gorillas wäre, das Anfang Dezember von Getir übernommen wurde.

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