Das nächste Sanktionspaket der EU gegen Russland rückt näher, und diesmal wird es wohl auch die größte russische Bank treffen. "Wir sehen uns weiter den Bankensektor an, insbesondere die Sberbank, die alleine 37 Prozent des russischen Bankensektors ausmacht", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu in einem Interview. Nach Meinung von Fachleuten ist das Vorgehen gegen die Sberbank überfällig: "Es gibt keinen guten Grund für die EU, das nicht sofort zu tun", schreiben die Sanktions-Experten Nicolas Véron und Joshua Kirschenbaum in einem Beitrag für den Brüsseler Thinktank Bruegel.
Die US-Regierung verhängte bereits vor zwei Wochen eine Blockade gegen die Sberbank und die Nummer vier des russischen Marktes, Alfa-Bank. Washington fror die Vermögenswerte ein und verbot Geschäfte mit den Konzernen. Damit sind nun sechs der zehn größten Finanzinstitute Russlands von solch einem Bann in den Vereinigten Staaten betroffen. Die EU hingegen hat bislang bloß vier Geldhäuser aus den Top 10 auf diese Weise sanktioniert; Sberbank und Alfa-Bank blieben verschont. Gemessen an den Vermögenswerten der Institute falle nur ein Viertel des russischen Bankenmarktes unter die Brüsseler Strafmaßnahmen, rechnen Véron und Kirschenbaum vor.
Doch von der Leyens Äußerung lässt darauf schließen, dass die EU zumindest bei der Sberbank bald mit den USA gleichzieht. Wann die Kommission den Regierungen der Mitgliedstaaten das sechste Sanktionspaket vorschlagen wird, ist offen. Mit Sicherheit wird es nicht mehr in dieser Woche geschehen. Schließlich möchte die Behörde auch gegen Öleinfuhren aus Russland vorgehen. Und diese Debatte könnte die Notierung des Rohstoffes hochtreiben - und somit die Preise an den Tankstellen. Das wiederum wird die Kommission vermeiden wollen, bevor die Franzosen am Sonntag in einer Stichwahl ihren Präsidenten wählen. Denn Ärger der Autofahrer würde dem europafreundlichen Amtsinhaber Emmanuel Macron schaden und seiner EU-skeptischen Herausforderin Marine Le Pen nutzen.
Zudem muss Brüssel bei Einschränkungen fürs Öl darauf Rücksicht nehmen, dass einige Staaten nicht sofort darauf verzichten können. Deutschland zum Beispiel wird nach Einschätzung der Bundesregierung erst Ende des Jahres unabhängig von Importen sein. Das spricht dafür, dass ein Embargo schrittweise oder erst mit einigem Vorlauf kommt. Das jüngst verkündete Kohleembargo gilt ebenfalls erst von August an, damit sich die EU-Staaten umstellen können.
Putin kann sein Öl woanders verkaufen
Ein weiteres Problem ist, dass Russlands Präsident Wladimir Putin das verschmähte Öl im Zweifel einfach in Asien verkaufen könnte - darauf wies von der Leyen in dem Interview hin: "Was nicht passieren soll, ist, dass Putin auf anderen Märkten noch höhere Preise für Lieferungen kassiert, die sonst in die EU gehen. Deswegen entwickeln wir gerade kluge Mechanismen, damit im nächsten Sanktionsschritt auch Öl einbezogen werden kann", sagte die Deutsche.
Von den Finanzsanktionen der EU sind bisher sieben Banken betroffen - plus die Notenbank. Geschäfte mit dem Septett sind verboten, außerdem sind sie von Swift ausgeschlossen, dem weltweiten Zahlungssystem, dessen Anbieter in Brüssel sitzt. Doch gehören eben nur vier der sieben Banken zu den Top 10, und mit der Sberbank fehlt die mächtige Nummer eins.
Ein Argument gegen zu heftige Sanktionen lautet immer, dass Europas Gasimporteure auf manche russische Bank angewiesen seien, um ihre Rechnungen zu begleichen. Bruegel-Fachmann Véron lässt diesen Einwand gegen einen Sberbank-Bann aber nicht gelten. "Kompletter Unsinn" sei das, sagt er im Gespräch mit der SZ. Die Gaskäufer könnten auch eine viel kleinere Bank nutzen, die nicht unter das Embargo fällt, erklärt der Franzose. Oder die Blockaden gegen Sberbank und andere könnten eng umrissene Ausnahmen beinhalten, um Gaslieferungen in die EU oder - aus humanitären Gründen - Lebensmittelverkäufe nach Russland abwickeln zu können. Dass ein Sberbank-Bann schlimme Folgen für geschäftlich verbundene Geldhäuser in Europa habe und so die Stabilität des Finanzsystems gefährde, hält Véron gleichfalls für unwahrscheinlich.
Moskau erhält weiter Devisen - dank Öl und Gas
Obwohl der Politikberater Strafen gegen die Sberbank fordert, warnt er zugleich davor, den Effekt dieser Blockaden von Geschäftsbanken zu überschätzen. Ein deutlich härterer Schlag gegen Russlands Wirtschaft seien die westlichen Sanktionen gegen die russische Zentralbank gewesen, sagt er. Denn die Notenbank könne nun ihre üppigen Devisenreserven nicht mehr nutzen. Dies habe unter anderem üble Konsequenzen für die Kreditversorgung der Unternehmen des Landes. "Allerdings erhält Russland immer noch harte Devisen durch die Öl- und Gasverkäufe", klagt Véron. "Am wirkungsvollsten wäre daher ein Öl- und Gasembargo."