Handelspolitik:EU soll sich gegen Sanktionen besser wehren können

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Containerhafen in China: Peking hat ein Handelsembargo gegen Litauen verhängt. Ein neues EU-Gesetz vereinfacht Vergeltungsaktionen. (Foto: AFP)

China hat gerade ein Embargo gegen Litauen verhängt. Ein neues Gesetz soll es der Kommission erleichtern, in solchen Fällen mit Gegenmaßnahmen zu drohen - und diese auch umzusetzen. Kritiker fürchten aber eine Eskalation.

Von Björn Finke, Brüssel

An dem brisanten Gesetzentwurf arbeitet die EU-Kommission schon lange, aber sie hat sich einen pikanten Zeitpunkt für die Vorstellung ausgesucht: Am Mittwoch präsentierte der für Handel zuständige Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis in Brüssel ein "Instrument gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen". Das soll es der Behörde erlauben, schnell mit Gegenreaktionen zu drohen, wenn ein Mitgliedstaat oder die EU als Ganzes Opfer unberechtigter Sanktionen wird. Bringt das Drohen nichts, darf die Kommission zur Tat schreiten.

Genau so ein Opfer ist Litauen. Denn vor einer Woche löschte China die Baltenrepublik aus seinem Zollsystem, was einem kompletten Handelsembargo gleichkommt. Peking ist sauer, weil Litauen die taiwanesische Regierung eine Vertretung unter dem Namen Taiwan in Vilnius eröffnen lässt. Peking erkennt Taiwan nicht an, weswegen diese Botschaften sonst immer Vertretungen Taipehs heißen. Das neue Instrument würde die Kommission ermächtigen, Chinas Unternehmen mit Strafzöllen, einem Bann bei Ausschreibungen oder Investitionsverboten zu drohen, wenn Peking die Sanktionen nicht rasch aufhebt.

Kommissions-Vize Dombrovskis betont, diese Befugnisse seiner Behörde sollten "vor allem abschreckend wirken". Das Problem ist natürlich, dass sich der Widersacher, in dem Fall China, vielleicht nicht einschüchtern lässt, so dass die Kommission die Drohung am Ende wahr machen müsste. Und dann könnte Peking wiederum mit eigenen Strafzöllen auf die Brüsseler Antwort reagieren: Der Handelsstreit würde eskalieren. Einige Mitgliedstaaten sehen den Gesetzesvorschlag daher kritisch. Sie wollen sicherstellen, dass das Instrument nicht zu mehr Protektionismus oder zu Handelskriegen führt - und ihnen missfällt die neue Machtfülle der Kommission.

So mahnen die Regierungen von Schweden und Tschechien in einem Positionspapier, dass die Behörde Mitgliedstaaten bei Entscheidungen voll einbinden solle. Zudem dürfe nicht der leiseste Zweifel aufkommen, dass die Regeln im Einklang mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation stehen. Dass sich ausgerechnet Tschechien und Schweden so äußern, verspricht Ärger: Der Vorschlag der Kommission wird nun in den beiden Gesetzgebungskammern diskutiert und abgeändert, dem EU-Parlament und dem Ministerrat. Und im Rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, werden von Juli an die Tschechen die Geschäfte führen; im Januar 2023 übernehmen die Schweden diese rotierende Ratspräsidentschaft. Damit werden Tschechien und vielleicht Schweden eine wichtige Rolle bei der Verabschiedung des Gesetzes spielen.

"Handel wird mehr und mehr als Waffe eingesetzt"

Die EU hat auch bisher schon Embargos verhängt - etwa gegen Firmen aus Belarus. Aber für solche außenpolitischen Entscheidungen ist Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten notwendig. Das neue Instrument macht es der Kommission viel leichter, mit Sanktionen zu drohen und sie einzuführen, denn solche Pläne können die EU-Regierungen nur stoppen, wenn sie eine Mehrheit dagegen organisieren. Das beschleunigt die Verfahren und wirkt der Gefahr entgegen, dass russland- oder chinafreundliche Regierungen solche Schritte mit ihrem Veto blockieren.

Allerdings erhält die Behörde diese beträchtliche Macht - zu viel Macht nach Meinung mancher Regierung - bloß für einen eng umrissenen Bereich: zur Abwehr von Sanktionen anderer Staaten, die mit ihren Drohungen die Politik der EU und ihrer Mitglieder ändern wollen. Dombrovskis klagt, "in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen" werde "der Handel mehr und mehr als Waffe eingesetzt, und die EU und ihre Mitgliedstaaten werden zur Zielscheibe wirtschaftlicher Einschüchterung". Zu den Missetätern zählt, neben China, auch Russland, das Tschechien im Frühjahr mit wirtschaftlichen Nachteilen drohte, nachdem Prag russische Diplomaten ausgewiesen hatte. Und der frühere US-Präsident Donald Trump wollte mit Strafzöllen die Einführung von Sondersteuern auf Digitalkonzerne in Europa verhindern.

"Wir sind angreifbar."

Der Rechtsakt gehört zu einer Reihe von Initiativen, dank derer die EU härter oder - wie es in Brüssel gerne heißt - "weniger naiv" auftreten soll. Im Mai präsentierte die Kommission ein Gesetz, das subventionierten Staatskonzernen aus China die Geschäfte in Europa erschweren würde. Ein anderer Rechtsakt erlaubt es, chinesische Firmen von Ausschreibungen auszuschließen, solange China seinen heimischen Markt gegen Europäer abschottet.

Aus dem EU-Parlament kommt Zustimmung zu dem Anti-Sanktions-Gesetz: "Wir haben bisher eine Lücke in unserem Instrumentarium", sagt der SPD-Abgeordnete Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses. "Wir sind angreifbar, und es gibt Staaten, die diese Verwundbarkeit ausnutzen wollen."

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