Teams:EU sieht Verdacht für unfaire Praktiken bei Microsoft

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Die EU hat ein Verfahren eingeleitet: Microsoft könnte seine Marktmacht missbraucht haben. (Foto: Dado Ruvic/Reuters)

Der Konzern verstößt möglicherweise gegen Wettbewerbsregeln, indem er seine Kommunikationsplattform Teams mit anderen Produkten verknüpft. Beschwert hatte sich der Konkurrent Slack.

Von Jan Diesteldorf und Max Muth

Auf einmal saßen sie alle nur am Bildschirm, vor ihren Kameras, trafen sich in Videokonferenzen und kommunizierten über teils noch junge Kommunikationskanäle. Die Corona-Pandemie hatte die Büros weltweit lahmgelegt, als Konferenzsoftware im Lauf des Jahres 2020 einen ungeahnten Boom erfuhr. Das war eine ideale Voraussetzung für Unternehmen wie Slack, ein gutes Geschäft zu machen. Zu den großen Pandemie-Gewinnern gehörten letztlich aber nicht nur Slack, Zoom oder Cisco mit seiner Software Webex, sondern vor allem auch ein üblicher Verdächtiger: der Software-Konzern Microsoft mit seiner virtuellen Büroplattform Teams.

Das hat die Europäische Kommission auf den Plan gerufen. Die Brüsseler Wettbewerbshüter haben ein Kartellverfahren gegen Microsoft eingeleitet, wie die Behörde am Donnerstagmittag bekannt gab. Sie geht dem Verdacht nach, Microsoft könnte seine Marktmacht missbraucht haben, um Konkurrenten daran zu hindern, im Geschäft mit Bürokommunikationssoftware Fuß zu fassen. Auslöser war eine Beschwerde von Slack aus dem Jahr 2020.

Slack zufolge habe Microsoft von Anfang an unfair gespielt. Mitte Juli 2020 meldete sich der Konkurrent bei der EU-Kommission, mehr als drei Jahre später hält die Behörde diesen Verdacht für so ausreichend begründet, dass sie nun gegen den Weltkonzern aus Redmond ermittelt. Erstens geht es darum, ob Microsoft zu Unrecht seine Teams-Software im Paket mit den marktbeherrschenden Office- und Microsoft 365-Produkten angeboten hat. Zudem soll Microsoft die Interoperabilität von Konkurrenzprodukten mit seinen Office-Programmen erschwert haben.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte in einem per Pressemitteilung verschickten Statement, Lösungen zur virtuellen Kommunikation und Zusammenarbeit wie Teams seien für viele Unternehmen in Europa unverzichtbar geworden. "Deshalb müssen wir sicherstellen, dass die Märkte für diese Produkte wettbewerbsfähig bleiben und Unternehmen die Produkte wählen können, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen", sagte sie.

Das Verhalten von Microsoft könnte nach Angaben der EU-Kommission wettbewerbswidriges "Tying" oder "Bundling" darstellen, wie es in der Fachsprache heißt. Ein solches "Bundling" ist für Mitbewerber in neuen Geschäftsfeldern ein Riesenproblem. Denn ein Großteil aller Unternehmen nutzt ohnehin Office-Produkte. Wenn Microsoft nun Teams für einen geringen Aufpreis anbietet, und das auch noch als einzige Kommunikationsplattform reibungslos mit den anderen Anwendungen zusammen funktioniert, sind die Angebote der anderen Videokonferenzanbieter nicht mehr konkurrenzfähig.

Am deutlichsten zeigt sich der Effekt dieses Bundlings nicht am ausbleibenden kommerziellen Erfolg des Beschwerdeführers Slack, sondern bei den Problemen des größten Konkurrenten für Videokonferenzsoftware Zoom. Nach Pandemiebeginn hatte sich der Aktienkurs des Unternehmens bis September 2020 verdreifacht. Seitdem ging es nur noch bergab. Ein wichtiger Grund ist, dass Microsoft die Bedürfnisse vieler potenzieller Kunden für wenig Geld zu erfüllen wusste.

Microsoft erklärte, der US-Konzern arbeite weiterhin mit der EU-Kommission zusammen und bemühe sich, die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte Anfang Juli Insider zitiert, wonach Microsoft Zugeständnisse angeboten hatte, um die Eröffnung eines Verfahrens noch abzuwenden. Unter anderem habe der Konzern angeboten, den Preis seines Office-Produkts ohne die Teams-App zu senken. Die Europäische Kommission habe eine stärkere Preissenkung gefordert. "Bisher hat uns Microsoft noch keinen Vorschlag unterbreitet, der unsere Bedenken ausräumen würde", sagte eine Sprecherin der Kommission am Donnerstag.

Das neue Verfahren ist nicht die einzige Auseinandersetzung Microsofts mit den EU-Kartellwächtern, allerdings die erste formelle Kartelluntersuchung seit zehn Jahren. 2013 musste das Unternehmen eine Geldbuße zahlen, nachdem es sich nicht an die Zusage gehalten hatte, neben dem hauseigenen Internet Explorer eine Auswahl an anderen Webbrowsern anzubieten. Mehrere europäische Cloudbetreiber hatten sich 2021 bei der Kommission über Kartellverstöße von Microsoft in Bezug auf das Cloud-Produkt Azure beschwert. Dabei spielte ebenfalls das Bundling von Produkten eine Rolle. Ungelöst ist auch die Frage, ob Microsoft den Computerspielhersteller Activision Blizzard übernehmen darf.

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