EU-Klimaziele:Wieso das Verbot der Verbrenner-Autos umstritten ist

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Ozon wird am Boden vor allem aus Stickoxiden gebildet, etwa aus Autoabgasen. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die EU-Kommission verlangt den Umstieg auf Elektroantriebe. Doch Branchenvertreter und einige EU-Abgeordnete befürchten üble Folgen.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um die Zukunft des Straßenverkehrs in Europa, den Schutz des Klimas und eine halbe Million Jobs: Die EU will die Grenzwerte verschärfen, wie viele Klimagase Neuwagen ausstoßen dürfen, und bei diesem brisanten Vorhaben beginnt nun die entscheidende Phase. Am Mittwoch stimmte der zuständige Umweltausschuss des Europaparlaments über seine Position zu dem Gesetzentwurf der Kommission ab; noch im Sommer könnten die Verhandlungen über den Rechtsakt zwischen Parlament und Ministerrat beginnen, der Gesetzgebungskammer der Mitgliedstaaten.

Der Verordnungsentwurf der Kommission schreibt de facto das Aus für den Verbrennungsmotor im Jahr 2035 vor. Dem Klima zuliebe sollen Hersteller nur noch Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen. Europas Branchenverband Clepa schätzt, dass dies eine halbe Million Arbeitsplätze in der EU kosten wird, vor allem bei Zulieferern. Zugleich würden bei der Produktion von Elektroantrieben und Batterien 230 000 neue Stellen entstehen, was zusammengerechnet trotzdem einen Verlust von 275 000 Jobs bis 2040 bedeutet, wie die Lobbyisten vorrechnen.

Die Christdemokraten und Konservativen im Europaparlament wollen den Vorschlag daher ein wenig abmildern und auf ein komplettes Verbrenner-Verbot verzichten. Dies solle den Umstieg für Firmen und Beschäftigte erleichtern; zudem sei es riskant, alleine auf Elektroantriebe zu setzen, sagt Jens Gieseke, der verkehrspolitische Sprecher von CDU/CSU im Europaparlament: "Wir wissen heute noch nicht einmal, ob wir bis 2035 den dafür notwendigen Strombedarf nachhaltig decken und die Ladeinfrastruktur bereitstellen können."

Doch der Umweltausschuss lehnte solche Änderungsanträge am Mittwoch mit knapper Mehrheit ab. Eine ähnlich knappe Mehrheit verwarf Vorstöße von Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten, den Entwurf der Kommission noch zu verschärfen. Am Ende stimmte eine Mehrheit von 46 zu 40 Stimmen für eine Position, die sich nicht großartig vom ursprünglichen Kommissionsvorschlag unterscheidet.

Berlin unterstützt die harte Linie

Zuständig für die Verhandlungen unter den Abgeordneten war der niederländische Liberale Jan Huitema. Der EU-Parlamentarier sagte nach den Abstimmungen, das Gesetz schaffe Klarheit für die Autoindustrie und fördere Innovationen und Investitionen. Klimafreundliche Autos zu kaufen und zu fahren werde "billiger für Verbraucher werden: Das ist nun besonders wichtig, wo die Preise für Diesel und Benzin weiter steigen".

Das umstrittene Gesetz legt Höchstwerte für den Kohlendioxid-Ausstoß für Autos und leichte Nutzfahrzeuge fest. Neuwagen eines Herstellers dürfen momentan im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm des Treibhausgases pro Kilometer in die Atmosphäre blasen, ansonsten drohen Strafen. Das Limit soll bereits nach bisheriger Rechtslage bis 2030 sinken. Der Verordnungsvorschlag der Kommission erzwingt jedoch härtere Einsparungen: 55 Prozent weniger bis 2030 und 100 Prozent weniger im Jahr 2035.

Autos dürfen also in 13 Jahren gar kein CO₂ mehr herauspusten - de facto das Aus für den Verbrennungsmotor. Dies soll dabei helfen, die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen. Die EU-Umweltgruppe Transport & Environment in Brüssel lobt das Verbrenner-Verbot, hätte sich aber schärfere Zwischenziele auf dem Weg dahin gewünscht. Der deutsche Herstellerverband VDA warnt dagegen vor neuen Zwischenzielen und hält es im Übrigen auch für zu früh, schon die Marke für 2035 festzuzurren.

Der CDU-Europaabgeordnete Gieseke beantragte am Mittwoch im Umweltausschuss, allerdings erfolglos, das Einsparziel für 2035 von 100 auf 90 Prozent zu mildern. Die Konzerne dürften dann weiter ein paar Verbrennerautos verkaufen, selbst wenn der Großteil der Flotte elektrisch betrieben sein muss. Ein anderer gescheiterter Änderungsvorschlag sah vor, sogenannte E-Fuels als Alternative zum Strommotor zu fördern. Das sind synthetische Kraftstoffe, die Chemiewerke aus Wasserstoff und CO₂ produzieren, mit hohem Stromverbrauch. Verbrennungsmotoren können sie nutzen. Gieseke wollte hier ein System durchsetzen, bei dem Autokonzerne Anbieter dieser klimaneutralen Treibstoffe unterstützen und als Belohnung den CO₂-Ausstoß ihrer Flotten weniger stark verringern müssen.

Im federführenden Umweltausschuss fielen diese Ideen jetzt zwar durch, aber im beratenden Verkehrsausschuss des Europaparlaments hatte es zuvor Mehrheiten dafür gegeben. Und der Industrieausschuss unterstützte zumindest den Vorstoß, das Ziel für 2035 abzuschwächen. Im Juni wird das Plenum in Straßburg final über die Position der Abgeordneten abstimmen. Gieseke kündigt bereits an, er werde seine Änderungsanträge dort wieder vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob Umwelt-, Verkehrs- oder Industriepolitiker die Oberhand behalten.

Der Ministerrat könnte sich ebenfalls schon im Juni auf seine Verhandlungsposition einigen. Danach beginnt die Kompromisssuche zwischen diesem Gremium der 27 Mitgliedstaaten und dem Europaparlament. Der Ministerrat wird vermutlich das von der Kommission geplante Verbrenner-Aus für 2035 beibehalten wollen - schlecht für Gieseke. Und auf Rückendeckung der Bundesregierung braucht der Christdemokrat nicht zu hoffen: Der rot-grün-gelbe Koalitionsvertrag unterstützt die Brüsseler Ziele.

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