Internetkonzerne:Eine Digitalsteuer gefährdet den deutschen Wohlstand

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Google-Messestand auf der IFA in Berlin. (Foto: AFP)

Als Mittel gegen Steuertricks von Internetkonzernen klingt der Vorschlag attraktiv. Doch ist sie einmal eingeführt, könnte das ganz andere Begehrlichkeiten wecken.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Zu den Versprechen, die oft gebrochen werden, gehören jene, die mit Steuern zu tun haben. CDU und CSU werben seit Jahren dafür, die Einkommensteuer spürbar zu senken. Durchgesetzt haben sie es nicht. Union, SPD und FDP versprechen auch neue, gerechte Abgaben wie die Finanztransaktionssteuer, die doch nicht kommt. Der versprochenen Steuer für Internetmultis dürfte es ähnlich gehen. Jedenfalls warnen jetzt Beamte des sozialdemokratisch geführten Bundesfinanzministeriums, dass eine Digitalsteuer in Deutschland mehr Schaden als Nutzen anrichten würde.

Der Minister muss die Warnung ernst nehmen. Auch wenn sie ihn kurzfristig in eine missliche Lage bringt. Olaf Scholz hat versprochen, dafür zu sorgen, dass Internetkonzerne wie Google oder Facebook stärker besteuert werden. Wer im europäischen Netz Geld verdient, etwa mit personalisierter Werbung, soll auch in Europa Steuern zahlen. Die US-Konzerne stehen als Großmeister im Steuervermeiden am Pranger, kein Politiker kann glaubwürdig erklären, dass er das nicht ändern will. Auch Scholz nicht.

Allerdings war Scholz klug genug zu verschweigen, welche Art von Steuer er den Multis auferlegen will. Er hat nie behauptet, dass er Pläne der EU-Kommission unterstützt, eine Digitalsteuer einzuführen. Das wäre eine Art Verbrauchsteuer, die auf die Erlöse der Internetriesen erhoben wird, die diese durch Klicks in Europa erzielen. Stattdessen ist Scholz im Vagen geblieben, was ihm jetzt, da er Zeit hatte, tiefer in das Steuerrecht einzutauchen, die Möglichkeit gibt, das Vorhaben rechtzeitig zu stoppen. Und ihn - und die SPD - davor bewahrt, als Umfaller dazustehen.

Tatsächlich sind die Pläne, die Umsätze der Digitalkonzerne in Europa zu besteuern, eine ernste Gefahr für das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf Export ausgerichtet ist. Dass der Exportweltmeister über sprudelnde Steuereinnahmen verfügt, obwohl nur ein Teil der hier produzierten Güter in Deutschland verkauft wird, liegt an einer einfachen Regel. Sie besagt, dass dort, wo sich die Betriebstätte eines Unternehmens befindet, auch die Steuern anfallen. Volkswagen, Mercedes und BMW verkaufen gut ein Fünftel der hier hergestellten Autos auf dem Heimatmarkt, trotzdem werden alle Gewinne daheim besteuert. Das freut den deutschen Fiskus und ärgert die Beamten in China und Indien, wo deutsche Autos verkauft, aber keine Gewinne versteuert werden.

Deutschland könnten dramatische Einbußen drohen

Die Bundesregierung hat bislang alles getan, an diesem Garanten des deutschen Wohlstands nicht zu rütteln. Jetzt aber, da die Digitalisierung voranschreitet, stößt das Prinzip an Grenzen. Während man beim Auto weiß, wo es hergestellt wird, verfügt eine Internetplattform über keine Betriebsstätte im klassischen Sinne. Online-Verkaufsplattformen haben keine Filialen, denen Steuerbescheide zugeschickt werden können. Aus diesem Grunde stößt der Plan, eine Verbrauchsteuer auf die Umsätze der Internetfirmen einzuführen, auf wachsende Begeisterung.

Aus deutscher Sicht ist das bedrohlich. Ist eine Umsatzbesteuerung für Internetmultis eingeführt, ist es leicht möglich, dass die USA, China oder Indien darauf drängen, diese Art der Besteuerung auch für analoge Güter wie Autos einzuführen. Für den Industriestandort Deutschland wäre der Wechsel mit dramatischen Einbußen verbunden. Scholz tut gut daran, die Steuer auf digitale Geschäfte noch einmal zu überdenken.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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