Fahrverbote:Alte Diesel müssen draußen bleiben

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Autochaos in der Innenstadt: Um die Luft sauberer zu bekommen, gibt es künftig womöglich in größerem Umfang Fahrverbote. (Foto: Markus Scholz/picture alliance/dpa)

Weniger Autos, weniger Abgase: München will im Kampf gegen Luftverschmutzung hart durchgreifen. Die Stadt wird kein Einzelfall bleiben - doch so einfach ist das nicht.

Von Markus Balser, Heiner Effern und Marco Völklein

Der Druck war erst vor wenigen Tagen noch mal gewachsen. Sieben Bürger aus ganz Deutschland waren am 20. September vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, um ihr Grundrecht auf Gesundheit durchzusetzen. Auch ein Anwohner der Landshuter Allee in München gehört der neuen Klage an. Denn die Hauptverkehrsstraße ist bundesweit noch immer trauriger Spitzenreiter. Sie ist nicht nur der Straßenabschnitt Münchens mit der schlechtesten Luft, sondern auch des gesamten Bundesgebiets. "Nirgends sonst im Land werden so hohe Abgaswerte registriert wie bei uns", sagt Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne).

Damit aber soll vom nächsten Jahr an Schluss sein. Wegen der weiterhin teils äußerst schlechten Stickstoffdioxid- und Feinstaubwerte in München steuert die Stadt um und verschärft das Dieselfahrverbot massiv. Von Februar 2023 an will die Stadt schmutzige Dieselfahrzeuge in einem Stufenmodell strenger und weiträumiger als bisher aussperren. Denn woher die Schadstoffe kommen, ist klar: "Größter Verursacher" sei der Kfz-Verkehr, heißt es im Luftreinhalteplan der Stadt. Die Verschärfung ist auch die Folge eines Vergleichs infolge früherer Klagen unter anderem der Deutschen Umwelthilfe. Das verschärfte Dieselverbot soll in der Umweltzone gelten, die künftig die gesamte Innenstadt umfasst, jetzt auch inklusive des Mittleren Rings, der Hauptverkehrsstraße Münchens. Diese war bisher ausgenommen.

Der Fall München zeigt, dass es für Dieselfahrer vor allem älterer Fahrzeuge in Deutschland künftig schwieriger werden könnte. Bislang galt, dass in die Umweltzone der Münchner Innenstadt nur einfahren darf, wer eine grüne Abgasplakette auf der Windschutzscheibe hat - also die Abgaswerte der Normen Euro 4 oder besser einhält. Ab Februar sollen nun auch Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 vom Fahrverbot betroffen sein, später möglicherweise solche mit der besseren, also sauberen Norm Euro 5.

Schon wird debattiert, ob die Grenzwerte nicht verschärft werden müssen

Schlechte Luftqualität ist ein großes Problem in deutschen Städten. Zwar werden an den meisten Messstellen bundesweit inzwischen die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid eingehalten. Doch noch immer gibt es Ausnahmen wie die Landshuter Allee in München. Zudem haben Debatten über die Notwendigkeit noch schärferer Grenzwerte begonnen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa hält die bisher in Deutschland geltenden Grenzwerte für zu hoch und empfiehlt seit vergangenem Jahr deutlich schärfere Vorgaben für Stickoxide und Feinstaub.

Die Landshuter Allee in München: Hier ist die Luft so schlecht wie an kaum einem anderen Ort der Stadt. (Foto: Robert Haas)

Die EU orientiert sich meist mit Verzögerung an den WHO-Werten. Sollten sie künftig zur Pflicht werden, müssten deutsche Städte noch stärker nachbessern. Galten bisher für die WHO maximal 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft noch als guter Wert, senkte sie diese Grenze nun auf zehn Mikrogramm ab. Bei ultrafeinem Feinstaub werden künftig maximal fünf statt bisher zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft toleriert. Bei den etwas gröberen Stäuben sinkt die Grenze von 20 auf 15 Mikrogramm. Laut der Deutschen Umwelthilfe wurden die neuen empfohlenen Maximalwerte für ultrafeinen Feinstaub 2021 zuletzt an nahezu allen 200 Messstationen in Deutschland überschritten; die Richtwerte für Stickstoffdioxid wurden bei 80 Prozent von ihnen verfehlt. Weitere Fahrverbote können die Folge sein.

Bisher gibt es in Deutschland bereits spezielle Dieselfahrverbote, etwa in Hamburg, Berlin, Stuttgart oder Darmstadt, wie aus einer Übersicht des Umweltbundesamtes hervorgeht. Die Regelungen sind aber von Stadt zu Stadt unterschiedlich - und mitunter ziemlich kompliziert. In Stuttgart zum Beispiel ist zwar das gesamte Stadtgebiet betroffen, dort wurden zunächst aber nur Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 1 bis Euro 4 (bei Pkw) beziehungsweise Euro I bis Euro IV (bei Lkw) ausgesperrt. Seit 2020 gilt in Teilen der Stadt, unter anderem im Stuttgarter Talkessel, eine zusätzliche Verschärfung für Euro-5/V-Fahrzeuge.

In Hamburg waren zwar von Anfang an Dieselautos der Normen Euro 1/I bis Euro 5/V betroffen; dort gilt das Fahrverbot aber nur auf zwei Straßen - und nur auf einer davon, nämlich auf der Max-Brauer-Allee, auch für Pkw. In Berlin wiederum waren es mal acht Straßen, auf denen ein Fahrverbot für ältere Diesel galt; seit Frühjahr 2021 sind es nur noch vier. In Frankfurt am Main waren Dieselfahrverbote mal angedacht, wurden aber bislang nicht eingeführt. Dort hatten sich die Schadstoffwerte in der Luft zuletzt verbessert und waren unter die kritische Marke gerutscht.

Ein Problem wird sein, die Fahrverbote zu kontrollieren. Bislang gibt es zwar eine grüne Plakette, die an der Windschutzscheibe klebt. Diese signalisiert, dass der Dieselmotor der Abgasnorm 4, 5 oder 6 entspricht, schlüsselt dies aber nicht weiter auf; es ist also nicht erkennbar, wer 4 bzw. 5 oder 6 hat. Das Bundesverkehrsministerium hatte sich gegen die Einführung einer speziellen Plakette gesträubt.

Sie greift durch: Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Mitte), hier beim Oktoberfestumzug. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Werden die Regelung nun verschärft, sind Kontrollen daher sehr aufwendig: Die Beamten müssen die Autofahrer anhalten und anhand einer Schlüsselzahl in den Fahrzeugpapieren prüfen, welche Abgasnorm der verbaute Motor erfüllt. In Hamburg kontrolliere die Polizei daher "stichprobenartig und anlassbezogen", wie Christof Tietgen vom örtlichen ADAC-Regionalclub berichtet. Falle den Beamten beispielsweise ein relativ altes Fahrzeug auf, werde dieses gestoppt und überprüft.

München plant bei Verstößen Bußgelder von 100 Euro

Auch die Strafen bei Verstoß variieren derzeit. In Berlin werden nach Angaben des ADAC Verwarn- beziehungsweise Bußgelder zwischen 20 Euro (Pkw) und 75 Euro (Lkw) fällig, in Stuttgart und Darmstadt können sich Bußgeld und Verwaltungsgebühr auf insgesamt 108,50 Euro summieren. Die Stadt München plant ein Bußgeld von 100 Euro plus einer Verwaltungsgebühr.

Grund für das rigorose Vorgehen Münchens ist jetzt die Klage auf Luftreinhaltung. Die Stadt habe vom Gericht deutliche Signale erhalten, dass noch härtere Folgen drohten, falls sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen würden, sagte Bürgermeisterin Habenschaden. Konkret hätte ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Klassen vier und fünf bereits zum 1. Januar 2023 gedroht, und zwar ohne Ausnahmen.

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