Abgasskandal:Rupert Stadler winkt die Freiheit

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Bei Audi seien "viele Beteiligte in die falsche Richtung" gelaufen, nicht nur Rupert Stadler, so der Staatsanwalt. (Foto: Lukas Barth/AFP)

Im Audi-Prozess hält der Staatsanwalt sein Plädoyer: Der Ex-Chef und seine früheren Untergebenen seien "nicht die Hauptverantwortlichen" im Diesel-Skandal. Nur dem ehemaligen Chefentwickler droht noch Gefängnis. 

Von Stephan Radomsky

Wäre das hier ein Autorennen, dann böge das Ganze gerade auf die Zielgerade ein. Und tatsächlich geht es hier um Autos - solche mit vier Ringen am Kühlergrill und Dieselmotor unter der Haube. Aber es ist doch ein Strafprozess. Also hält am Dienstag Staatsanwalt Nico Petzka sein Plädoyer im Verfahren gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler, den früheren Chef der Motorenentwicklung und späteren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und den ehemaligen Ingenieur Giovanni P.

170 Tage verhandelt das Gericht bereits, weit mehr als zweieinhalb Jahre - "und schon können wir auch die Beweisaufnahme schließen", sagt der Vorsitzende Richter Stefan Weickert am Morgen. Viele Monate lang hatte sich das Verfahren deshalb durch die technischen Details von Dieselmotoren und Abschalteinrichtungen und die Besonderheiten des Vertriebs in den USA und Deutschland gequält.

Erst Ende März aber war sich dann das Gericht seiner Sache so sicher, dass es den Angeklagten den Deal anbot: Geständnisse und Geldauflagen im Gegenzug für Bewährungsstrafen zwischen anderthalb und zwei Jahren. Ansonsten wohl Gefängnis. Ein Angebot, auf das zuletzt auch Stadler eingestiegen war: Vor vier Wochen hatte er seine Anwältin die Vorwürfe der Anklage einräumen lassen. Zudem will er 1,1 Millionen Euro bezahlen. Bereits Ende April hatten Hatz und Giovanni P. gestanden.

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Nun gibt sich auch die Anklage damit zufrieden, wenn die Angeklagten ohne Gefängnis davonkommen - zumindest bei Stadler und Giovanni P. In seinem Plädoyer fordert der Staatsanwalt zwei Jahre auf Bewährung und 1,1 Millionen Euro Geldauflage für den Ex-Audi-Chef und ebenfalls zwei Jahre für den früheren Ingenieur, auch auf Bewährung, außerdem die Zahlung von 50 000 Euro. Für Wolfgang Hatz dagegen fordert die Staatsanwaltschaft Gefängnis, das hatte Petzka schon vor Wochen durchblicken lassen. Am Dienstag nun konkretisiert er: drei Jahre und zwei Monate - und zwar ohne Bewährung.

"Eine Vielzahl von Einzel-Fehlentscheidungen"

Ein "wirklich außergewöhnlich umfangreicher Prozessstoff" sei das gewesen, sagt Petzka am Dienstag. Aber es sei auch "ein langwieriges und mühsames Unterfangen", sich der Realität in einem Konzern mit den Mitteln des Rechtsstaats zu nähern. Das Ergebnis ist dafür recht überschaubar: Die drei Angeklagten hätten zwar "jeweils in sehr verantwortlichen Positionen bedeutende Beiträge zum Gesamtgeschehen geleistet", sagt Petzka. Trotzdem könnten sie strafrechtlich im Diesel-Skandal "nicht als die Hauptverantwortlichen" für den Betrug angesehen werden. Bei Audi seien "viele Beteiligte in die falsche Richtung" gelaufen, über Jahre sei überall im Unternehmen "eine Vielzahl von Einzel-Fehlentscheidungen" getroffen und so eine "enorme Anzahl" von Autos manipuliert worden.

Am Anfang des Verfahrens hatte das noch ganz anders geklungen. Im Sommer 2018 ließen die Ermittler Stadler sogar verhaften. In den Monaten im Gefängnis wurde er von den Ermittlern hart angegangen, wie Vernehmungsprotokolle belegen. Davon ist inzwischen nicht mehr viel übrig. Bereits drei Jahre zuvor war in den USA die Manipulationen bei Dieselmotoren des VW-Konzerns entdeckt worden: Sie waren nur auf dem Teststand sauber, auf der Straße aber, bei voller Leistung und vollem Komfort, pusteten sie viel mehr gesundheits- und umweltschädliche Stickoxide in die Luft, als erlaubt. Es entspann sich ein riesiger Wirtschaftsskandal mit Millionen getäuschten Kunden und Milliarden Euro an Schäden.

Das Urteil soll in zwei Wochen fallen

Allein für den Münchner Prozess geht die Staatsanwaltschaft nun von fast 100 000 frisierten Sechs- und Achtzylinder-Dieseln aus, die zwischen Ende 2008 und Ende 2015 unter der Ägide von Hatz und P. an US-Importeure, deutsche Vertragshändler und die konzerneigene Leasinggesellschaft verkauft wurden, mit einem Gesamtschaden von rund 2,2 Milliarden Euro. Als alles aufgeflogen war habe Stadler dann nicht verhindert, dass in Deutschland zwischen Ende 2015 und Ende 2017 weitere rund 27 000 manipulierte Wagen verkauft wurden, hier mit einem Schaden von rund 69 Millionen Euro.

Stadlers Tatbeitrag habe also "kein herausragend hohes Gewicht" gehabt, sagt Petzka. Auch halte er es "nicht für sicher, dass Herr Stadler sicher wusste, dass die Fahrzeuge manipuliert waren". Er habe lediglich davon ausgehen müssen und habe dann nicht weiter nachgefragt. Außerdem hätte er die Käufer aufklären müssen, dass es Zweifel an den Dieselmotoren gab, und den Betrug aufklären müssen. Das Urteil soll in zwei Wochen fallen.

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