Steuerskandal:Schlag des Verfassungsgerichts gegen Cum-Ex-Banken

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Plazet von höchster Stelle: Die geänderten Regelungen zu Cum-Ex-Geschäften verstoßen nicht gegen Grundrechte. (Foto: Uli Deck/dpa)

Der Staat will die Milliarden zurückholen, um die er mit Steuertricks bei Aktiendeals geprellt wurde. Ein Beschluss aus Karlsruhe dürfte dabei helfen - mit weitreichenden Folgen für Banken.

Von Jan Diesteldorf, Klaus Ott und Nils Wischmeyer

Cum-Ex-Geschäfte waren in der Finanzindustrie lange ein großer Renditebringer. Banken und andere Akteure erleichterten den Fiskus mit Aktiengeschäften über Jahre hinweg um mehr als zehn Milliarden Euro, schätzen Steuerfahnder. Erst 2012 beendete der Gesetzgeber die Deals, Staatsanwälte nahmen Ermittlungen auf, und viel später urteilten Gerichte, dass die Geschäfte illegal und strafbar waren. Das Geld aber war weg.

Der Fiskus versucht seither, die vielen Milliarden Euro zurückzuholen, um die ihn die beteiligten Banken, Anwälte und Börsenmanager bei den Deals geprellt haben. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Finanzbehörden dabei gerade recht: Die zweite Kammer des zweiten Senats hat entschieden, dass die Justiz auch dann Geld von den Cum-Ex-Akteuren zurückholen kann, wenn die Fälle eigentlich steuerrechtlich schon verjährt sind (AZ: 2BvR 2194/21). Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat damit die bisherige Linie des Landgerichts Bonn und des Bundesgerichtshofs bestätigt.

Der vorliegende Fall betrifft die Hamburger Privatbank Warburg, die nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Köln und des Landgerichts Bonn jahrelang an Cum-Ex-Aktiendeals beteiligt war. Bei diesen Geschäften hatten zahlreiche Banken aus dem In- und Ausland zusammen mit anderen Finanzfirmen und Steueranwälten beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende die Finanzämter systematisch getäuscht und sich eine einmal oder gar nicht gezahlte Steuer auf Dividendenerlöse mehrmals erstatten lassen. Das war durch eine Gesetzeslücke möglich geworden, aber dennoch illegal. Die damalige Bundesregierung hatte die Masche 2012 unterbunden. Mittlerweile hat das Landgericht Bonn mehrere Fälle verhandelt und diverse Manager zu Strafen verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat zudem geurteilt, dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar waren.

Überragende "Belange des Gemeinwohls"

Das Landgericht Bonn ordnete ebenfalls an, Warburg müsse 176 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Die Bank bestreitet nach wie vor, dass man den Fiskus habe ausnehmen wollen - hat aber Forderungen der Finanzbehörden in dreistelliger Millionenhöhe erfüllt. Gleichwohl wehrte sich Warburg gegen die Anordnung des Landgerichts Bonn und zog bis vor das Bundesverfassungsgericht. Dort berief sich die Bank auf den Grundsatz, dass Gesetze nicht rückwirkend geändert werden dürfen.

Warburg bezieht sich damit auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020. Damals fasste die Bundesregierung die Vorschriften für die Einziehung neu, sodass der Fiskus sich auch dann Erträge aus Cum-Ex-Geschäften zurückholen kann, wenn diese, wie im Fall von Warburg, bereits verjährt sind. Das ist eine absolute Ausnahme - und auch das Bundesfinanzministerium hatte ursprünglich die Auffassung vertreten, dass die mit einer in die Vergangenheit gerichteten Gesetzesänderung verknüpfte Rückwirkung verfassungswidrig sei. Das wurde im Nachhinein korrigiert.

In diesem Fall würden überragende "Belange des Gemeinwohls" überwiegen und deshalb sei eine Rückwirkung in Ordnung, heißt es nun aus Karlsruhe.

Bei den Ermittlungsbehörden wird dieser Beschluss als wegweisend betrachtet. "Wir können ganz, ganz weit zurückgehen", heißt es. Nun habe man Rechtssicherheit. Vor allem könne sich die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker bestätigt sehen, die seit Jahren zahlreiche Cum-Ex-Ermittlungen vorantreibt. Brorhilker hat rasche Verständigungen mit Banken, die in den Steuerskandal verstrickt sind und die ihren Frieden mit der Justiz machen wollten, bisher weitgehend abgelehnt. Sie setzt darauf, die Fälle auszuermitteln.

In Kreisen von Anwälten, die mit Cum-Ex-Fällen zu tun haben, ist von einem "Dammbruch" die Rede. Die Karlsruher Entscheidung könnte dazu führen, dass "viel Geld in die Staatskasse zurückgespült wird". Ein anderer Anwalt spricht von einem "Damoklesschwert", das jetzt über den vielen Banken schwebe, die bei den steuergetriebenen Aktiengeschäften dabei waren.

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