Um Lücken im Haushalt zu schließen, will der Bund nun offenbar auch seine 15,6-Prozent-Beteiligung an der Commerzbank überprüfen. Nach SZ-Informationen wurde eine Investmentbank beauftragt, "Optionen zu prüfen". Wie mehrere Insider sagten, geht es dabei ganz grundsätzlich um eine Neubewertung der Beteiligung und etwa die Frage, welche Dividendenhöhe mittelfristig zu erwarten sei. Auch ein Verkauf werde geprüft, aber nicht kurzfristig, hieß es. Die Commerzbank wollte sich dazu nicht äußern. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, die Finanzagentur verwalte und prüfe die Beteiligung an der Commerzbank fortlaufend. Über den Umgang mit der Beteiligung entscheide der interministerielle Lenkungsausschuss. Ein Beschluss zur Beendigung der Beteiligung liege derzeit nicht vor.
Der Bund ist bereits seit 15 Jahren an der Commerzbank beteiligt. Während der Finanzkrise musste der Staat damals die zweitgrößte deutsche Privatbank retten. Seither schleppt eine Bundesregierung nach der anderen die Beteiligung mit durch, ohne sich zu einem Verkauf durchringen zu können. Das Problem: Der Aktienkurs der Bank müsste sich auch nach der jüngsten Kurssteigerung noch auf fast 25 Euro pro Aktie mehr als verdoppeln, damit der Bund ohne Verlust aussteigen könnte. Die Erlöse würden zudem an den Bankenrettungsfonds Soffin gehen und nicht in den Haushalt fließen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte eine Privatisierung des Commerzbank-Anteils zu Oppositionszeiten zwar stets gefordert, dies in Regierungsverantwortung aber mit der Begründung abgelehnt, das Geldhaus sei für die Finanzierung des Mittelstands wichtig.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November zum Haushalt bewertet die Bundesregierung nun jedoch langjährige Firmenbeteiligungen des Staates neu, auch um Mittel für die Modernisierung der Bahn zu mobilisieren. Zuletzt hieß es, dass Anteile an der Post und der Telekom verkauft werden könnten. Insgesamt ist der Staat bei mehr als 100 Unternehmen engagiert.
Der Commerzbank-Anteil gehört mit rund zwei Milliarden Euro Kurswert zwar zu den kleineren Beteiligungen. Zugleich aber hat sich die Commerzbank zuletzt erholt. Die Bank hat kräftig gespart und profitiert von hohen Zinserträgen nach der Leitzinserhöhung. Der Bund hatte die Beteiligung in den vergangenen Jahren immer mal wieder infrage gestellt und etwa auf eine Fusion mit der Deutschen Bank gedrungen. Aber auch aus Angst vor einer Übernahme durch eine ausländische Bank hatte es Berlin nie gewagt, sich von Anteilen zu trennen.
Spekulationen um einen Verkauf ins Ausland
Commerzbank-Chef Manfred Knof schien sich zuletzt gut eingerichtet zu haben mit dem Bund als Großaktionär. Zwar hatte er immer wieder gesagt, dass es für eine private Bank besser sei, wenn sich der Staat auch wieder von der Beteiligung trenne. Das sei aber ein Thema, bei dem es abzuwarten gelte. Aufsichtsratschef Jens Weidmann, früher Bundesbankpräsident und seit Mai Vorsitzender des Kontrollgremiums, hatte der SZ erst vor wenigen Wochen gesagt, die Frage einer Privatisierung "stelle sich derzeit, glaube ich, nicht".
Sollte der Bund den Anteil verkaufen, könnte er die Aktien über die Börse abstoßen, an einen Konkurrenten verkaufen oder en bloc an einen neuen Großaktionär weiterreichen. Insider bestätigten einen Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach Knof zuletzt mit Staatsfonds aus Asien und dem Nahen Osten gesprochen habe. Damit wolle sich die Bank gegen Übernahmeversuche rüsten und ihre Unabhängigkeit bewahren. Knof habe in den vergangenen Wochen das Gespräch mit den Fonds gesucht, um deren Interesse an einem Anteil von bis zu 9,9 Prozent abzuklopfen. Ab zehn Prozent benötigen Bank-Aktionäre eine Genehmigung der Aufsicht. Sollte der Bund seinen Anteil an einen Staatsfonds aus einem autokratisch regierten Land verkaufen wollen, dürfte dies angesichts der geopolitischen Lage allerdings Diskussionen auslösen.