Intel-Fabrik:Irlands Coup mit den Chips

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Intel hat seine Fabrik in Irland um eine weitere, hochmoderne Anlage erweitert. (Foto: Intel Corporation)

Chiphersteller Intel investiert nahe Dublin eine astronomische Summe. Die Technologie schafft Arbeitsplätze und Know-how. Die Frage aber lautet: Wie viele Subventionen sollen's denn sein?

Von Helmut Martin-Jung, Leixlip, Irland

Man muss sich das einfach mal auf der Zunge zergehen lassen. Feinste Tröpfchen geschmolzenen Zinns werden in einer Vakuumkammer mit einem Laserstrahl beschossen. Der quetscht die Tröpfchen zu einer Art Fladen. Nun folgt ein zweiter, stärkerer Laserblitz, der den Zinnfladen zerstäubt. Es entsteht ein Plasma und damit auch das, was man eigentlich haben will: extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht. All das passiert 50 000-mal pro Sekunde.

Und es ist nur einer von vielen Hundert Arbeitsschritten, die nötig sind, damit am Ende das herauskommt, was die Welt von heute antreibt: Chips. Ohne diese hochkomplexen Fertigungsprozesse wäre es nicht mehr möglich, moderne Hochleistungschips zu produzieren. Nur drei Firmen weltweit können solche Chips herstellen: Samsung, TSMC und Intel. "Cutting edge" nennen die Amerikaner so etwas, Spitzentechnologie. Und klar ist: So etwas will man als Industrienation eigentlich gerne im Land haben.

Da ist es kaum verwunderlich, wenn der irische Regierungschef Leo Varadkar Ende September zur Eröffnung von genau einer solchen, modernen Fabrik nahe Dublin vorbeischaut. "Ein großer Tag für das Land" sei das, sagt er, sehr wichtig für die irische Wirtschaft, technologisch wie ökonomisch. Wichtig auch für Europa, weil die EU bei Schlüsseltechnologien unabhängiger werden wolle von Lieferanten aus Asien. Sein Industrie- und Handelsminister Simon Coveney setzt noch einen drauf: Größer als das, was Intel investiert habe, werde es nicht mehr. 17 Milliarden Euro seien allein für den Bau der neuen "Fab" geflossen.

Zusammen mit den Investitionen für die bereits bestehenden Fabriken hat Intel seit 1989 30 Milliarden Euro in die Produktionsstätten in Irland gesteckt. "Zahlen wie diese erinnern uns daran, wie wichtig es ist, solche multinationalen Firmen hier in Irland zu haben", sagt Coveney. Schließlich handle es sich um die mit Abstand modernste Chipfabrik in Europa. Zumindest bis 2028. Bis dahin will Intel in Sachsen-Anhalt zwei neue Fabriken hochziehen, die dann die neueste Technologie nutzen sollen.

Michael Lohan, Chef der irischen Wirtschaftsförderungsagentur, kommentiert: Der Effekt von Intels 17-Milliarden-Euro-Investition werde den irischen Produktionssektor transformieren. Die außergewöhnliche Investition bestärke die strategische Bedeutung Irlands in der globalen Halbleiterherstellung.

Der irische Premier warnt vor einem Subventionswettbewerb

Die Ansiedlung der Chipfirmen hat allerdings einen Preis. Man befinde sich schließlich nicht im Wettbewerb mit Firmen, sondern mit Staaten, argumentiert Intel-Chef Pat Gelsinger. China oder Taiwan zum Beispiel hätten die Chipbranche in der Vergangenheit massiv unterstützt, deshalb sei auch der Anteil Europas und der USA an der Produktion drastisch zurückgegangen. Wer das ändern wolle, müsse den Chipherstellern Subventionen zahlen, um den Unterschied zu den niedrigeren Kosten in Asien auszugleichen. Für die neuen Fabriken in Magdeburg geht es dabei immerhin um zehn Milliarden Euro.

Bei aller Begeisterung und einem Entgegenkommen nahe am roten Teppich - "Sagen Sie uns, was Sie brauchen, wir kümmern uns darum", sagte der irische Premier - warnte Varadkar auch vor einem Subventionswettbewerb um die Ansiedlung neuer Chipwerke. Dem solle man sich nicht aussetzen. Und es gibt auch Stimmen, die behaupten, die Europäer, besonders die Deutschen, hätten sich von Intel erpressen lassen. Auch die frühere EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager warnte davor, sich bei Subventionen gegenseitig zu übertreffen.

Das ist die eine Seite. Die andere drückt sich aus in ein paar Zahlen, die Intel zur Eröffnung der neuen Fabrik in Irland nennt. Der wirtschaftliche Effekt von Intel in Irland werde durch die Investition auf 2,75 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Zusätzlich zu den 4900 Mitarbeitern in den Werken würden weitere gut 17 000 Vollzeitstellen von Intel abhängen.

"Eine Dimension, die ich noch nie gesehen habe"

Nicht zu unterschätzen ist aber auch das Know-how, das bei einem derartigen High-Tech-Projekt entsteht. Um was es dabei geht, lässt sich am besten einschätzen bei einem Rundgang durch eine solche Chipfabrik. In Reinraum-Montur, inklusive Schutzhaube und -brille, stehen die Besucher in der Fabrik vor gewaltigen Maschinen des niederländischen Herstellers ASML in Leixlip nahe Dublin. Eine der Belichtungsmaschinen ist gerade geöffnet. In der Apparatur von der Größe eines Busses herrscht ein Gewirr von Leitungen. Doch was man im Reinraum davon sieht, sind bloß 20 Prozent, erläutert Führer Colm Farrell. Der Rest befindet sich darunter, in der sogenannten Subfab, und findet im Vakuum statt.

Dort wird mit den beschriebenen Zinntröpfchen und Lasern das extrem kurzwellige ultraviolette Licht (EUV) erzeugt, mit dem dann die Masken belichtet werden, sodass nur teilweise Licht auf die Wafer, also die Scheiben aus hochreinem Silizium fällt. Nicht alle Belichtungsvorgänge finden in den EUV-Maschinen statt. Die Wafer werden zudem in anderen Maschinen geätzt, trocken und nass, poliert - und das mehrmals hintereinander. 15 Schichten aus Metall werden für die neuesten Chips aufgetragen. All das, sagt der erfahrene Chip-Spezialist Farrell, sei "eine Dimension, die ich noch nie gesehen habe".

Den Transport der Wafer von Maschine zu Maschine, von Arbeitsgang zu Arbeitsgang, übernimmt ein System aus Wägelchen. Sie fahren an der Decke der Halle in Schienen und werden vollautomatisch gesteuert. "Jedes davon kostet so viel wie ein kleiner BMW", sagt Farrell. Überhaupt Kosten: Eine einzige der EUV-Belichtungsmaschinen von ASML kostet bis zu 200 Millionen Dollar - und es braucht drei Frachtflugzeuge, um sie zu transportieren. Der Gang, in dem sie in dem neuen Werk in Irland stehen, heißt daher ganz zu Recht Milliarden-Allee. Diese und die vielen anderen Maschinen zu betreiben, den Betrieb möglichst störungsfrei am Laufen zu halten, erfordert enormes Fachwissen. Auch das ist, einmal aufgebaut, ein wertvolles Kapital.

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