Klimapolitik:Wie die EU die Industrie gegen dreckige Billigkonkurrenz schützen will

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Rollen aus Aluminiumblech in einem Werk in Sachsen-Anhalt: Ein Klimazoll soll Hersteller in der EU vor schmutziger Konkurrenz schützen. (Foto: Z1019 Peter Förster/dpa)

Die EU-Regierungen haben sich am Dienstag darauf geeinigt, wie der neue Klimazoll aussehen soll. Der verteuert Importe aus Ländern mit niedrigeren Standards. Wichtige Details sind aber noch offen.

Von Björn Finke, Brüssel

Die ehrgeizigen Klimaschutzziele der EU kommen die hiesige Industrie teuer zu stehen. Daher will Brüssel die Hersteller zumindest vor Billigimporten aus Ländern mit niedrigeren Standards schützen: mit einer Art Klimazoll. Am Dienstag einigten sich die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Brüssel im Grundsatz darauf, wie dieses sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichssystem aussehen soll. Die Politiker verabschiedeten mit großer Mehrheit ein gemeinsames Verhandlungsmandat für die Gespräche des Ministerrats - des Gremiums der Mitgliedstaaten - mit dem EU-Parlament.

Das Europaparlament hat sich noch nicht auf eine Position für diesen Gesetzentwurf der Kommission von vorigem Sommer verständigt. Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßt die Einigung der EU-Regierungen: "Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in Europa erhalten, zugleich aber unsere Anstrengungen für den Klimaschutz erhöhen", sagte der FDP-Politiker am Rande des Ministertreffens. Diesem Ziel diene der Grenzausgleichsmechanismus.

Die Regelung, die in Brüssel vor allem unter der englischen Abkürzung CBAM firmiert, soll 2026 in Kraft treten, zunächst für Produkte, bei deren Herstellung besonders viel Energie verbraucht wird - Zement, Aluminium, Dünger, Eisen und Stahl sowie Elektrizität. Der Mechanismus soll das bewährte Emissionshandelssystem ergänzen: In der EU müssen Kraftwerke und viele Industriebetriebe schon seit 2005 Kohlendioxid-Zertifikate vorweisen können, wenn sie Klimagase in die Atmosphäre blasen. Diese Verschmutzungsrechte sind handelbar; Konzerne, denen die Verringerung des CO₂-Ausstoßes einfacher fällt, können überschüssige Zertifikate verkaufen. Damit werden die Emissionen auf die günstigste und wirtschaftlichste Art verringert.

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Doch wegen der strengen Klimaschutzziele reduziert die Kommission die Zahl der Verschmutzungsrechte. Deren Preise steigen - und damit die Kosten der hiesigen Industrie sowie die Gefahr, dass die Hersteller nicht mit billigeren Importen mithalten können oder ihre Werke aus der EU wegverlagern. Der CBAM soll dem entgegenwirken. Er verlangt von Importeuren, ebenfalls Kohlendioxid-Zertifikate für ihre Einfuhren zu kaufen und so faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Ist es ein "Sieg der europäischen Klimapolitik"?

Diese Pflicht entfällt nur, wenn die Produzenten in Amerika oder Asien bereits in der Heimat angemessen für ihren CO₂-Ausstoß gezahlt haben. Für Staaten, die ein eigenes und vergleichbares Emissionshandelssystem aufgebaut haben, ändert sich also nichts. Doch Konzerne, die zuhause nicht für ihren Ausstoß an Klimagasen zur Kasse gebeten werden, müssen damit rechnen, dass CBAM ihre Exporte in die EU künftig verteuert.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire nannte die Einigung der EU-Regierungen einen "Sieg der europäischen Klimapolitik". Er hat die Verhandlungen geführt, weil Frankreich bis Ende Juni die rotierende Ratspräsidentschaft der EU innehat. Dieser Verordnungsentwurf ist eins der wichtigsten Projekte für diese Präsidentschaft - auch weil Le Maires Chef Emmanuel Macron hofft, dass solch ein Gesetz zum Schutz vor unlauterer Konkurrenz ihm im Wahlkampf nützt.

Allerdings gibt es noch offene Punkte, die nicht Teil des Gesetzentwurfs sind, aber mit ihm zusammenhängen. So erhält die Industrie bisher eine bestimmte Menge kostenloser CO₂-Zertifikate, um besser im Wettbewerb mit Rivalen aus Ländern ohne Emissionshandelssystem bestehen zu können. Diese Geschenke sollen auslaufen, wenn CBAM in Kraft tritt, um einen doppelten Schutz zu verhindern. Solch ein doppelter Schutz würde auch Ärger mit der Welthandelsorganisation WTO provozieren. Die heikle Frage, ob und wie schnell diese kostenlose Zuteilung endet, wird jedoch in einem anderen Gesetzentwurf behandelt: dem zur Verschärfung des Emissionshandelssystems.

Die Kommission will die Einnahmen gerne abzweigen

Außerdem will die EU-Kommission gerne einen Teil der Erlöse aus CBAM in den Brüsseler Haushalt fließen lassen. Das soll dabei helfen, die Milliardenschulden für den Corona-Hilfsfonds zurückzuzahlen. Dies wird allerdings ebenfalls in einem anderen Rechtsakt geregelt. Die Finanzminister stellten am Dienstag klar, dass es bei diesen verwandten Gesetzesinitiativen erst Fortschritte geben muss, bevor die Verhandlungen über die CBAM-Verordnung mit dem Parlament beginnen können.

Diese Gespräche werden dann nicht leicht; der federführende Europaabgeordnete Mohammed Chahim, ein niederländischer Sozialdemokrat, will den Klimazoll früher einführen, mehr Produkte abdecken und die kostenlose Zuteilung im Emissionshandelssystem schneller abschaffen. Ein rasches Aus für diese Geschenke sehen Industrievertreter naturgemäß kritisch. Sie weisen unter anderem darauf hin, dass CBAM zwar gegen dreckige Billigimporte in die EU schütze, nicht aber dagegen, dass europäischen Konzernen auf wichtigen Exportmärkten unfaire Konkurrenz gemacht werde. Hier steht noch eine heiße Debatte an.

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