Als Börsen-Urgestein André Kostolany einmal nach der Richtung des deutschen Leitindex Dax gefragt wurde, antwortete er gewohnt sybillinisch: "Er wird steigen", sprach Kostolany und ließ wohl auch den Schalk durch die drei Worte hindurchschimmern. Auch wenn es im täglichen Auf und Ab manchmal schwer zu beurteilen ist, konnten sich die Anleger am Freitagmittag um kurz nach 13 Uhr wieder einmal von Kostolanys Aussage überzeugen.
Der Blick auf die Kurstafel im Frankfurter Börsensaal zeigte einen neuen Rekordstand: Erst übersprang der Leitindex Dax seinen bisherigen Rekord bei 17 003 Punkten, dann kletterte er sogar auf bis zu 17 004,55 Zähler. Auch wenn die Kurse weder zu Streiks und Protesten im Land passen mögen, noch zur Rezession. Der Grund für den Aktienoptimismus lag schließlich nicht im eigenen Land, sondern in den USA und China.
Dass es sich bei der neuen Rekordmarke des Dax um einen importierten Rekord handelte, dämmerte manchen bereits am Vorabend: Nach Börsenschluss in den USA hatte die Facebook-Mutter Meta dort ihre Zahlen vorgelegt, der Kurs sprang daraufhin im nachbörslichen Handel von knapp unter 400 Dollar auf rund 450 Dollar. Der Konzern hatte seinen Gewinn im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahr rund verdreifachen können, vor allem aufgrund üppiger Werbeeinnahmen. "15 Prozent Plus in der Aktie in nicht ganz 30 Minuten", konstatierte Börsenstratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus Robomarkets.
Dass die Meta-Aktie nahezu senkrecht nach oben jagte, hatten viele Beobachter nicht erwartet: In den vergangenen Monaten war Meta in Anlegerkreisen schließlich in die Kritik geraten, weil Chef Mark Zuckerberg unbeirrt Milliardensummen in eine virtuelle Realität namens Metaverse investiert - mit ungewissem Ertragspotenzial. Statt virtueller Träume versprach Meta seinen Anlegerinnen und Anlegern nun aber eine sehr reale Quartalsdividende von 50 Cent, zum ersten Mal in der gesamten Unternehmensgeschichte.
Auch China hat seinen Anteil am Dax-Aufschwung
Mit diesem Rückenwind aus den USA war der Ton für den deutschen Leitindex Dax bereits am frühen Morgen gesetzt. Versöhnlich bilanzierten manche Händlerinnen und Händler offenbar auch die Börsenpolitik der Kommunistischen Partei in Peking: Angesichts der schwelenden Immobilienkrise im Land, macht die Zentralbank den Finanzinstituten im Land nun weniger strenge Vorgaben, hat Spekulationen auf fallende Kurse stark begrenzt und orchestrierte Stützungskäufe am chinesischen Aktienmarkt für umgerechnet rund 260 Milliarden Dollar. "Dadurch erfahren auch exportsensitive deutsche Aktien Aufwärtspotenzial", sagt Aktienstratege Robert Halver von der Baader-Bank.
Dass der deutsche Leitindex bereits um kurz nach 14 Uhr wieder etwas nach unten sackte, gehört inzwischen zur bekannten Choreografie: Viele Anleger platzieren an runden Marken schließlich automatische Orders und nehmen einen Teil ihrer aufgelaufenen Gewinne mit. Auch das hätte ahnen können, wer auf Börsenlegende André Kostolany vertraut: "An der Börse ist zwei plus zwei nicht vier", sagte der bekannte Spekulant einmal, "sondern fünf minus eins." Die Kurse können also zickzack laufen - selbst nach Rekorden.