CES:Eine Zukunft ohne Münzen und Scheine

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Bezahlen wir Milch und Brot künftig mit Bitcoin? (Illustration: Stefan Dimitrov) (Foto: dimitrov)

Menschen könnten schon bald komplett bargeldlos bezahlen. Das Problem: Gerade jene Konzerne, die übermäßig Daten abgreifen, wollen Geld-Transaktionen ermöglichen.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Das Problem kennt jeder - und es tritt immer im ungünstigsten Fall auf, ganz nach Murphys Gesetz, dass alles schiefgeht, was schiefgehen kann: Der Mensch hat genau dann keine Münzen in der Hosentasche, wenn er vor einer Parkuhr, einem Getränkeautomaten oder einer Münzwaschmaschine steht. Wäre es nicht wunderbar, nun per Kreditkarte, Smartphone oder Armband bezahlen zu können, anstatt sich auf die nervige Suche nach Kleingeld machen zu müssen? Oder, noch weiter gefasst: Warum brauchen wir heutzutage überhaupt noch Bargeld? Diese sperrigen Münzen und Scheine, die wir ohnehin oft verlieren oder genau dann nicht dabei haben, wenn man sie braucht?

Über diese Frage wurde auf der Technologiemesse CES in Las Vegas heftig debattiert. Es ging bei diesen Diskussionen nicht nur um das mögliche Ende des Bargelds, sondern auch um Kryptogeld wie Bitcoin und die dazugehörigen Transaktionsaufzeichnungen wie Block Chain. Es wurden tragbare Geräte vorgestellt, in die ein Chip integriert ist, damit der Kunde im Fitnessstudio nicht einmal mehr sein Smartphone für die Bezahlung bei sich tragen muss. Und es ging selbstverständlich auch um den Wettlauf der Internet-Platzhirsche um die Gunst der Kunden, schließlich bieten Google, Samsung, Apple, Amazon und viele andere Firmen mittlerweile Bezahlservices an. Vor mehr als 20 Jahren gab es eine Werbung, in der eine junge Frau bei der Bezahlung eine Kreditkarte aus dem Badeanzug zückt - heutzutage würde sie wohl ein Armband verwenden.

In Schweden tragen sogar Obdachlose Kartenlesegeräte bei sich

Als fortschrittliches Beispiel auf dem Weg zur bargeldlosen Gesellschaft wird häufig Schweden genannt. Dort wurden im vergangenen Jahr nur 20 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld durchgeführt, im Rest der Welt waren es durchschnittlich noch immer knapp 75 Prozent. Es gibt in Schweden Museen, die kein Bargeld mehr annehmen, in Kirchen gibt es für Spenden den sogenannten Kollektomat - selbst Obdachlose tragen dort Kartenlesegeräte bei sich. Es klingt alles so herrlich einfach: Im Supermarkt bezahlen, ohne die Waren aufs Band packen und ohne seinen Geldbeutel zücken zu müssen, die Zeit auf der Parkuhr währenddessen über das Smartphone verlängern, beim Joggen dem Obdachlosen im Park über das Fitnessarmband ein paar Euro zukommen lassen.

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Wie so oft auf der CES wurde jedoch auch im Bereich der digitalen Bezahlung vor allem das gezeigt und über das geredet, was technologisch möglich ist - und nur sehr selten über das, was der Kunde als sinnvoll erachtet. "Es herrscht eine gewaltige Unsicherheit", sagte Dave Skaff endlich während einer Diskussion. Er berät mit seinem Unternehmen The Science Project andere Firmen auf dem Weg zur digitalen Bezahlung: "Die Menschen sorgen sich nicht nur um die Sicherheit der Geld-Transaktionen, sondern auch um die vielen Daten, die dabei übermittelt werden. Die Angst bei tragbaren Technologien ist noch größer als bei Kreditkarten." Berichte über gehackte Kreditkartenfirmen oder Bitcoin-Börsen würden das Vertrauen nicht gerade erhöhen.

Was passiert, wenn Konzerne wie Facebook Geld-Transaktionen übernehmen?

Genau darum geht es jedoch: um das Vertrauen der Menschen. Darum buhlen nun ebenjene Firmen, die sich zuletzt nicht wirklich darum bemüht haben. Da will etwa Facebook, dass Nutzer Geld über den Messenger-Service verschicken - und gerät gleichzeitig in die Schlagzeilen, weil es über ein Selbstsabotage-Experiment die Loyalität seiner Mitglieder getestet hat. Bereits im vergangenen Jahr hatte Facebook den Newsfeed von mehreren Hunderttausend Nutzern manipuliert, um die emotionale Stimmung zu überprüfen. Auf Datenschutz-Vorwürfe reagiert das Unternehmen bisweilen mit der Antwort, es müsse ja niemand mitmachen. Unternehmen wie diese, die häufig als Datensammler auffallen, möchten nun die Geld-Transaktionen der Kunden übernehmen.

Unternehmensberater Dave Skaff sagt: "Ganz ehrlich: Im kommenden Jahr sehe ich keine Revolution. Das zeigen auch die Reaktionen der Firmen auf technologische Neuerungen. Es dauert bestimmt noch einige Jahre, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen." Wie das funktionieren könnte, zeigt Maeve McKenna-Duska. Sie möchte mit ihrer Firma USA Technologies an jenen Automaten bargeldlose Systeme einführen, die für den Menschen ohne Kleingeld ein Problem darstellen: Parkuhren oder Getränkeautomaten etwa. "Wenn die Kunden erkennen, dass es bei diesen kleinen Transaktionen keine Probleme gibt und ihre Daten sicher sind, dann sind sie womöglich bereit, auch größere Summen darüber zu transferieren", sagt McKenna-Duska. So oder so: Es scheint, dass Münzen und Scheine noch lange nicht ausgedient haben.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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