Arbeitswelt:Warum Mitarbeiter mehr Macht brauchen

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SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die Bildung von Mitarbeitergremien nun übers Strafrecht erleichtern. (Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa)

Zu oft stören Firmen, wenn Beschäftigte einen Betriebsrat gründen wollen. Die Bundesregierung will nun eingreifen - zu Recht.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Da gibt es die schneidigen Start-up-Gründer, die ihr Personal im 24/7-Modus einsetzen wollen, ohne dass jemand lästige Fragen stellt. Es gibt den Firmenpatriarchen, der findet, seine Mitarbeiter-Schäflein bräuchten keine Vertretung. Und es gibt den ausländischen Investor, der Mitbestimmung für Kommunismus hält. In vielen solcher Firmen existiert kein Betriebsrat. Oft ist das zum Nachteil der Beschäftigten. Deshalb sollte sich etwas ändern.

Hans Böckler, der erste Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, drückte es nach dem Krieg so aus: "Wir dürfen die Unternehmer keinen Augenblick unter sich lassen!" Schon klar, nicht jeder Betriebsrat macht seinen Job gut. Wer bei jedem Wandel Nein sagt, nervt nicht nur die Manager - er lässt vor allem die Mitarbeiter im Stich. Konstruktive Betriebsräte dagegen sind ein Gewinn. Sie liefern Impulse für die Transformation der Firma. Sie hören Beschäftigten bei ihren Sorgen zu. Und bei Veränderungen verhindern sie oft, dass Mitarbeiter unter die Räder kommen.

Arbeitnehmer dürfen meist von fünf Beschäftigten an in der Firma einen Betriebsrat gründen. Aber das ist gar nicht so einfach. Unternehmen behindern jeden sechsten Versuch, behauptet die IG Metall. Dabei sind sie oft kreativer als in ihrem eigentlichen Geschäft. Mal zerlegen sie die Firma in kleine Teile, um einen Betriebsrat zu verhindern. Oder sie drohen mit Insolvenz und anschließender Neugründung. Mal werden designierte Mitarbeitervertreter fadenscheinig gefeuert. Oder gemobbt: "Wussten Sie, dass Ihr Partner fremdgeht?" Das stimmt dann nicht, aber der potenzielle Betriebsrat wurde erfolgreich verunsichert.

Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft trägt dazu bei, dass Betriebsräte weniger werden. Die Tradition vieler Serviceberufe, selbstlos zu helfen, hemmt den Mut, für seine Rechte zu kämpfen. Neue digitale Plattformen wie der Lieferdienst Gorillas sehen Mitarbeiter vorrangig als Kostenstelle und bremsen häufig Mitbestimmung. Widerstand gegen Betriebsräte gibt es aber überall in der Wirtschaft. Laut Studien vor allem in kleinen und mittleren Firmen, die die Inhaber selbst führen. Hatte in den 1990er-Jahren jeder zweite Arbeitnehmer einen Betriebsrat, sind es heute weniger als 40 Prozent.

Es ist Zeit, dass die Politik eingreift. Oberste Maxime sind die Wünsche der Mitarbeiter. Möchten die Arbeitnehmer wirklich keine Vertretung, sollte sie niemand zwangsbeglücken. Es gilt jedoch genau hinzuschauen, wenn Firmen wie der Autovermieter Sixt behaupten, die Beschäftigten vermissten einen Betriebsrat gar nicht.

Für Minister Heil ist auch Tesla in Brandenburg interessant

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die Bildung von Mitarbeitergremien nun übers Strafrecht erleichtern. Stört eine Firma die Gründung eines Betriebsrats, soll die Justiz von sich aus ermitteln. Das könnte zum scharfen Schwert werden. Wer die Arbeit der Räte behindert, dem droht zwar bisher schon ein Jahr Gefängnis. In der Realität jedoch bleiben Verurteilungen aus.

Minister Heil sollte sich auch mit dem Phänomen beschäftigen, dass Firmen Betriebsräte zu steuern versuchen. Aktuell ist die Entwicklung bei Tesla interessant. Der US-Elektroauto-Pionier schafft in seiner Fabrik bei Berlin Tausende Industriejobs, in Ostdeutschland geschieht so was das erste Mal seit Langem. Bei Tesla wird auch ein Betriebsrat gewählt. Sehr früh, schon diesen Monat. Am Standort sind bisher vor allem Manager und Ingenieure an Bord. Die Arbeiter werden erst nach und nach angeheuert. Zum Betriebsrat jedoch darf man erst sechs Monate nach Einstellung gewählt werden. Zufall, das Ganze? Ein Gremium voller Manager jedenfalls wird kaum die Interessen der ganzen Belegschaft vertreten.

Es bleibt einiges zu tun, um den Arbeitnehmern in Deutschland zu einer starken Vertretung zu verhelfen. In der Kanzlerschaft von Angela Merkel stießen Gewerkschafter auf taube Ohren, wenn sie Mobbing gegen Mitarbeitervertreter beklagten. Nun stehen die Chancen auf Veränderung besser, endlich. Als das Betriebsverfassungsgesetz letztmals stärker reformiert wurde, hieß der Fußball-Bundestrainer Helmut Schön und der Kanzler Willy Brandt. Das war 1972.

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