Tanken:Die Spritpreise steigen - ausgerechnet zum Ferienstart

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Sprit war eigentlich immer zu teuer: Urlauber an einer Tankstelle in den 1970er Jahren. (Foto: Rudolph/imago images/United Archives)

Benzin und Diesel sind gerade ziemlich teuer. Viele Autofahrer haben nun die Tankstellen-Multis im Verdacht. Doch die Preissteigerung hat andere Gründe.

Von Victor Gojdka

Viele Familien freuen sich über die Sommerferien, der Blick auf die Spritpreise dürfte manchen aber die Laune vermiesen: Erstmals sind die Spritpreise diese Woche wieder über die Marke von 1,80 Euro je Liter geklettert. Laut Automobilclub ADAC kostete ein Liter der Sorte Super E10 im Bundesschnitt zu Beginn der Woche 1,825 Euro. "Die Preise sind eine ganze Ecke nach oben gesprungen", sagt Benzinexperte Steffen Bock vom Vergleichsportal Clever Tanken.

Wochenlang hatte sich der Benzinpreis relativ konstant unter der Marke von 1,80 Euro je Liter Super E10 gehalten. Ausgerechnet mit Ferienbeginn in den beiden Flächenländern Baden-Württemberg und Bayern zum Ende dieser Woche legte der Spritpreis nun allerdings zu. Anders als sonst beschwichtigen Mineralölexperten, Autolobbyisten und Verbraucherschützer allerdings unisono: Dieses Mal sind die Mineralölkonzerne nur bedingt schuld. Neue Töne im Autofahrerland?

Wer den Benzinpreis mit dem Preis der Rohöls am Weltmarkt vergleicht, sieht in den vergangenen Monaten einen erstaunlichen Gleichlauf. Erst schwankte der Ölpreis irgendwo zwischen 70 und 80 Dollar je Fass der Nordseesorte Brent, vor wenigen Tagen dann sprang er über die Marke von 80 Dollar. "Der aktuelle Anstieg der Benzinpreise geht vor allem auf den hohen Ölpreis zurück", sagt Benzinexperte Steffen Bock.

Die Gründe dafür sind eindeutig: Im Juli und August will das weltweit wichtigste Ölland Saudi-Arabien eine Million Fässer Rohöl am Tag weniger fördern als eigentlich geplant. Dazu kommen Kürzungszusagen anderer Länder im erweiterten Ölkartell Opec-plus. So senkte nun auch Russland seine Ölproduktion unerwartet deutlich. Das geringere Angebot trifft auf eine Nachfrage, die sich stärker hält als noch zu Jahresanfang erwartet. Damals hatten die meisten Experten auf eine Rezession in den wichtigsten Weltregionen gesetzt, jetzt sehen Notenbanker Deutschland genauso an einer Rezession vorbeischrammen wie die USA. Nun will auch das Pekinger Politbüro die schwächelnde Konjunktur in China ankurbeln. "Der Preisanstieg beim Öl ist still, aber unaufhaltsam", sagt Ölexperte Ehsan Koman von der japanischen Bank MUFG.

Auch wenn die Preise an den Zapfsäulen mit den steigenden Ölpreisen wieder klettern, können sich Autofahrer dennoch vergleichsweise glücklich schätzen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres zahlten sie für einen Liter der Sorte Super E10 im Schnitt 1,74 Euro - und damit 13 Cent weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres. Damals waren die Spritpreise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sprunghaft gestiegen, inzwischen sanktionieren westliche Staaten mit Ölembargos und Preisdeckeln russisches Öl direkt - der Markt hat sich inzwischen jedoch an die neue Lage gewöhnt.

In den Vormonaten hatten jedoch einige Raffinerien in Deutschland mit Problemen zu kämpfen. So war die Raffinerie in Wesseling im Rhein-Erft-Kreis zeitweise im Shutdown, sie versorgt den Raum zwischen Köln und Frankfurt mit. Auch die Karlsruher Miro-Raffinerie konnte zeitweise nicht auf Volllast produzieren, sodass die Versorgung in Baden-Württemberg, der Pfalz und dem Saarland litt. "Wir sehen derzeit jedoch keine Versorgungsengpässe", sagt Imke Herzog vom Energieinformationsdienst (EID).

In diesem Falle sind also vorrangig die gestiegenen Ölpreise für den Preissprung bei Benzin und Diesel verantwortlich. Dennoch zeigen Zahlen des EID, dass die Mineralölkonzerne schon geraume Zeit recht gut verdienen dürften. So lag die Marge einer durchschnittlichen deutschen Raffinerie im Juni bei rund 171 Euro je Tonne. Nach den Coronalockdowns und vor Beginn des Ukrainekrieges hatte dieser Wert bei 52 Euro gelegen. "Diese Marge ist aktuell auf jeden Fall auskömmlich", sagt Raffinerieexpertin Herzog.

Wer als Autofahrer den Mineralölkonzernen dennoch eins auswischen will, sollte abends den Tank füllen. "Und wer nachtanken muss, sollte unbedingt von der Autobahn abfahren", sagt ADAC-Experte Albrecht. Das gilt übrigens auch im Nachbarland Österreich, wo der Sprit zwar im Schnitt günstiger ist, entlang der viel befahrenen Reiserouten jedoch ebenso teuer.

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