Energie:BGH erklärt private Schiedsverfahren für unzulässig

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Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten innerhalb der Europäischen Union müssen zwingend vor staatlichen Gerichten ausgetragen werden. Das ist ein wichtiges Signal für die Energiewende.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mecklenburg-Vorpommern, Mukran: Ein Arbeitsschiff bringt Monteure zu Windrädern, die in der Ostsee zwischen den Inseln Rügen und Bornholm (Dänemark) stehen. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Überrascht war am Ende niemand mehr, als der Senatsvorsitzende Thomas Koch sein Urteil verkündete. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun vollzogen, was sich seit ein paar Jahren mit unwiderstehlicher Deutlichkeit abzeichnete: Private Schiedsverfahren über Investorenklagen nach dem Energiechartavertrag sind unzulässig. Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten innerhalb der Europäischen Union (EU) müssen zwingend vor staatlichen Gerichten ausgetragen werden.

Dass dies eine für die Energiewende nicht ganz unwichtige Nachricht ist, illustrieren die drei Klagen, über die der BGH nun zu entscheiden hatte. Im ersten Verfahren forderte der irische Projektentwickler Mainstream Renewable Power rund 330 Millionen Euro von Deutschland, weil er seine Investitionen in Offshore-Windparks in der Nordsee durch Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gefährdet sah. Die beiden anderen Klagen stammen von den Energiekonzernen RWE und Uniper, die von den Niederlanden 1,4 Milliarden beziehungsweise mehrere Hundert Millionen Euro verlangen - wegen des Kohleausstiegs bis 2030. Sie hatten dort in Kohlekraftwerke investiert.

Schiedsklauseln waren der Versuch, aus der Geltung des europäischen Rechts auszusteigen

Anders ausgedrückt: Der dringend notwendige Wechsel von den fossilen hin zu den erneuerbaren Energiequellen sollte für die Staaten teuer werden. Entscheiden sollte über die Klagen ein Schiedsgericht in Washington, so sah es der Energiechartavertrag vor - und zwar gänzlich ohne Beteiligung der staatlichen Justiz. Es war also der Versuch, aus der Geltung des europäischen Rechts auszusteigen.

Solche Schiedsklauseln hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei EU-internen Angelegenheiten inzwischen mehrfach für rechtswidrig erklärt. 2018 ging es zunächst um ein bilaterales Abkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei, also zwischen zwei EU-Staaten. Die Klausel unterlaufe die "volle Wirksamkeit des Unionsrecht", befand der EuGH. Inzwischen sind solche Abkommen reihenweise außer Kraft getreten.

In der Folge hatte der EuGH diese Rechtsprechung auch auf den Energiechartavertrag ausgedehnt, ein multilaterales Abkommen. Das dort vorgesehene Schiedsverfahren verstoße ebenfalls gegen EU-Recht. Die nachgelagerte Kontrolle solcher Schiedssprüche durch staatliche Gerichte sei "zwingend erforderlich", wenn die Beteiligten innerhalb der EU angesiedelt seien. Nach dieser klaren Absage an eine Paralleljustiz beschloss die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres den Rücktritt vom Energiechartavertrag.

Bleibt die Frage, was nun aus dem Energiechartavertrag wird

Was dem BGH jetzt noch zu klären übrig blieb, war die Frage, ob man solche Schiedsverfahren dann nicht gleich von vornherein für unzulässig erklären kann, anstatt erst am Ende gegen die Vollstreckung einzuschreiten. Laut BGH ist dies nun möglich, und zwar auf der Grundlage einer Vorschrift aus der deutschen Prozessordnung. Damit könne auf Antrag die Kontrolle durch staatliche Gerichte vorgezogen und mit bindender Wirkung entschieden werden. Das folgt laut BGH aus dem Grundsatz der effektiven Anwendung von EU-Recht.

Bleibt die Frage, was nun aus dem Energiechartavertrag wird, einem Abkommen aus dem Jahr 1994 mit mehr als 50 Unterzeichnern. Ursprünglich sollte der Vertrag Energiekonzerne nach dem Ende des Kalten Krieges vor willkürlichen staatlichen Eingriffen schützen, doch inzwischen hat er sich eher zu einer Bremse für die Energiewende entwickelt. Wie teuer staatliche Gesetze werden können, zeigte vor Jahren die Klage des schwedischen Vattenfall-Konzerns gegen den deutschen Atomausstieg: Er setzte eine Entschädigung von 1,4 Milliarden Euro durch.

Die EU-Kommission wollte den Vertrag zunächst reformieren und den Schutz für fossile Projekte einschränken. Doch inzwischen sind EU-Staaten reihenweise aus dem Vertrag ausgetreten, darunter Italien, Frankreich, Spanien und eben auch Deutschland. Die EU-Kommission hat wegen des bröckelnden Rückhalts daher den gemeinsamen Ausstieg der EU aus dem Abkommen vorgeschlagen.

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