Könnte man darauf vertrauen, dass Manager immer nur das Beste für ihre Firma im Sinn haben, hätte Bengt Holmström keinen Nobelpreis bekommen. So aber wurde er für seine Forschung zu Verträgen und der Entlohnung von Managern ausgezeichnet. Und nun klingelt das Telefon während seiner Europa-Reise ohne Unterlass. "Ich hoffe, dass die Aufregung bald nachlässt. Das halte ich nicht lange durch", sagt der Ökonom. In den USA, wo er lebt und lehrt, werde nicht so groß Notiz genommen von seiner Auszeichnung. "Die Lokalzeitung schrieb, ich hätte den Friedenspreis bekommen", erzählt der gebürtige Finne. Also freut er sich über zwei Nobelpreise, einen echten und einen imaginierten.
Das Preisgeld könne er gut brauchen, scherzt Holmström, der dreizehn Jahre im Aufsichtsrat von Nokia saß. "Ich habe eine Menge Geld mit Nokia-Aktien verloren und musste 460 000 Dollar abschreiben." Zu seinem Ärger hatte Apple das Smartphone erfunden, und Nokia geriet in große Schwierigkeiten. "Sehr frustrierend", nennt er diese Erfahrung. "Wir werden sehen, wie lange sich Apple halten kann."
Wie also sollen Verträge gestaltet sein, damit sie ihren Zweck erfüllen? Wer Holmström darauf anspricht, bekommt interessanterweise nichts über populäre Aufreger wie irre Banker-Boni zu hören. Sondern eine Abrechnung mit der Europäischen Union: "Wenn Sie einen schlechten Vertrag sehen wollen, schauen Sie sich die EU an." Europa habe keinen Plan dafür gehabt, dass ein Mitglied wie Großbritannien den Club verlasse. "Das war sehr naiv", sagt der Nobelpreisökonom.
Holmström arbeitete nur kurz in einem Unternehmen, bevor er in den Siebzigerjahren an eine US-Hochschule ging und später Professor an der Eliteuni MIT wurde. Trotzdem habe ihn die Zeit in der Wirtschaft geprägt. Er vergleicht die Europäische Union mit einem Unternehmen - und das fällt wenig schmeichelhaft aus. "Eine Firma steht immer im Wettbewerb, lernt daraus und verändert sich. Die EU steht nicht im Wettbewerb. Da kann ein Haufen idiotischer Dinge wachsen."
Brüssel interveniere zu viel in Fragen des alltäglichen Lebens. Ein Beispiel? Der in Schweden beliebte Lutschtabak Snus, der im Rest der EU verboten ist. Die Regierung in Stockholm kämpft seit Langem für den freien Verkauf überall. Holmström beklagt generell zu viel Bürokratie. Diese habe er hautnah miterlebt als Mitglied des Europäischen Forschungsrats. "Die Bürokratie war so groß, dass ich gegangen bin. Ich konnte es nicht mehr ertragen." Hotelzimmer etwa sollten nur 100 Euro kosten, aber dann war manchmal einfach kein Zimmer für diesen Preis zu finden.
Nach dem Brexit eine weitere Vertiefung Europas? Holmström schüttelt den Kopf und äußert Radikales: "Man sollte die ganze EU überdenken und neu starten!" Er weiß auch, was er will: "Vergesst den Ehrgeiz, alles zu regulieren. Konzentriert Euch auf das Wesentliche." Dazu zählt er eine gemeinsame Verteidigungspolitik in einem Zeitalter neuer Bedrohungen etwa durch Russland. Die Europäer hätten sich in der Verteidigung zu lange auf die Vereinigten Staaten verlassen. "Ich warte schon lange darauf, dass die USA nicht mehr für andere Regionen wie Europa bezahlen wollen."