Nobelpreis:Das Geheimnis der Verträge

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Der Wirtschafts-Nobelpreis geht an die Kontrakttheoretiker Oliver Hart und Bengt Holmström. Dank ihnen können Verträge realistischer formuliert werden.

Von Nikolaus Piper, München

Es war Anfang der 1970er-Jahre, als die ersten Computer in den Büros der Welt auftauchten. Ein junger Statistiker namens Bengt Holmström arbeitete bei dem finnischen Mischkonzern Ahlstrom in der Entwicklungsabteilung. Dabei sollte er herausfinden, wie man mit den neuen Rechnern die Arbeit produktiver machen kann - nach den damaligen Maßstäben das Modernste vom Modernen. Doch Holmström gab schnell auf. "Ich glaubte: Was wir da machen ist sinnlos", berichtete er Jahrzehnte später in Open Markets, dem Online-Magazin der Börse Chicago. "Wir lösten zwar ein technisches Problem, das eigentliche Problem bestand jedoch darin, die Menschen dazu zu bringen, dass sie Informationen auf die richtige Weise liefern und dann für sich die richtigen Entscheidungen zu treffen." Holmström kündigte bei Ahlstrom, ging mit einem Stipendium in die Vereinigten Staaten, studierte Ökonomie, lehrte an der Northwestern University und Yale und landete schließlich 1997 als Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge.

An diesem Montagmorgen bekam Holmström, inzwischen 67 Jahre alt, jenen Anruf, auf den jeden Herbst unzählige Ökonomen auf der ganzen Welt warten: Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Stockholm teilte ihm mit, dass er den Wirtschaftsnobelpreis des Jahres 2016 erhalten würde - zusammen mit seinem Kollegen Oliver Hart, 68, von der benachbarten Harvard University. Ausgezeichnet wurden beide für ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Vertragstheorie, die heute zu einem zentralen Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften geworden ist. Die beiden Ökonomen hätten ein umfassendes Rahmenwerk zum besseren Verständnis von Vertragskonstrukten für so unterschiedliche Gebieten wie erfolgsabhängige Bezahlung von Managern, Zuzahlungen bei Versicherungen und der Privatisierung öffentlicher Aufgaben entwickelt, heißt es in der Würdigung der Akademie.

Bezahlung und Befugnisse der Manager sollte man lieber klar regeln

Präzise und verlässliche Verträge sind eine notwendige Voraussetzung funktionierender Märkte. Wenn es kein Vertrauen in Verträge mehr gibt, wenn zum Beispiel Vertragsstrafen nicht durchgesetzt werden können, kann dies eine Volkswirtschaft zerstören. Umgekehrt funktioniert eine Wirtschaft umso besser, je präziser Verträge das wiedergeben, was die Vertragspartner sich wünschen.

Die Modelle der Preisträger helfen zu entscheiden, ob Gefängnisse privatisiert werden sollten. (Foto: Eric Risberg/AP)

In einem bahnbrechenden Aufsatz von 1979 untersuchte Holmström das Problem, wie man einen Manager dazu bringt, genau das zu tun, was im Sinne der Firma ist (heute bekannt als " principal agent problem"). Seine Lösung hieß "Prinzip der Informiertheit": Die Bezahlung der Manager soll von allen Größen abhängen, aus denen Informationen über die Handlungen des Managers gewonnen werden können. Eine Konsequenz dieses Prinzips ist es, dass die Bezüge nicht nur vom Aktienkurs der eigenen Firma abhängen sollten, sondern davon, wie die Aktie im Verhältnis zum Rest der Branche abschneidet. Sonst wird der Manager für Dinge belohnt oder betraft, für die er gar nichts kann.

Einen weiteren zentralen Aufsatz schrieb Oliver Hart Mitte der 1980er-Jahren: Dabei ging es um sogenannte "unvollständige Verträge". Im wirklichen Leben ist es meist unmöglich, alle Eventualitäten vorauszusehen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur die Bezahlung der Manager, sondern auch die Entscheidungsbefugnisse vertraglich genau zu regeln.

Die Kontrakttheorie ist aber auch in anderen Gebieten anwendbar. Wie regelt man zum Beispiel die Eigentumsrechte in einem innovativen Start-up am besten? Antwort: Der Erfinder oder Innovator sollte die gesamte Firma besitzen, selbst wenn er nicht so viel von Produktion und Vertrieb versteht, einfach weil er höhere Risiken eingehen muss. Unternehmer, bei denen fremde Investoren Anteile halten, sollten in guten Zeiten freie Hand bei ihren Entscheidungen haben, in schlechten Zeiten sollten dagegen die Kapitalgeber die Führung übernehmen.

Aus aktuellem Anlass zitiert das Nobelkomitee einen Aufsatz von Oliver Hart, in dem sich dieser 1997 kritisch mit privaten Gefängnissen in den USA auseinandersetzt. Zwar gibt es durchaus Gründe für die Privatisierung des Strafvollzugs. So hat ein staatlicher Gefängnisdirektor in der Regel wenig Anreize, die Qualität zu erhöhen und die Kosten zu senken, da ihn die Regierung nicht angemessen belohnen kann. Der Manager eines privatisierten Gefängnisses hat dagegen starke Anreize für Kostensenkungen, nicht jedoch für Qualitätssteigerungen. Tatsächlich haben die USA das Experiment mit privaten Gefängnissen nach Berichten über unhaltbare Zustände weitgehend beendet.

Bengt Holmström (li.) ist Professor am MIT in Cambridge. Der Finne promovierte an der Stanford Universität in Kalifornien. Oliver Hart arbeitet in Harvard. Er studierte Mathematik und Ökonomie in Cambridge und Warwick, machte seinen Doktor in Princeton. (Foto: dpa)

Die mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 830 000 Euro) dotierte Auszeichnung geht - anders als die klassischen Nobelpreise - nicht auf das Testament des schwedischen Erfinders Alfred Nobel zurück. Die Schwedische Reichsbank stiftete ihn 1968 nachträglich. Die Institution ist als älteste moderne Notenbank der Welt besonders traditionsbewusst.

Offiziell heißt die Auszeichnung "Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel". Verliehen wird sie aber gemeinsam mit den anderen Nobelpreisen am 10. Dezember, dem Todestag Nobels.

Die ersten Träger des Preises waren 1969 der Norweger Ragnar Frisch und der Niederländer Jan Tinbergen. Die meisten Auszeichnungen gingen seither in die USA. Deutschland kam erst einmal zum Zuge. 1994 ehrte das Nobelkomitee den Bonner Spieltheoretiker Reinhard Selten.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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