Einkaufen:Nur mit Karte, bitte!

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Illustration: Jessy Asmus (Foto: N/A)

Viele Läden akzeptierten lange nur Scheine und Münzen. Plötzlich nehmen die ersten Händler kein Bargeld mehr an. Kommt es zur Revolution an der Kasse?

Von Felicitas Wilke

Man muss zweimal lesen, um sicherzugehen, ob man das Schild an der Kasse richtig verstanden hat. Aber tatsächlich, es steht da wirklich: "No cash payment", keine Barzahlung also. In der Filiale der Gastronomie-Kette Dean & David am Münchner Hauptbahnhof kann die Kundschaft ihre Salate nur noch bargeldlos bezahlen. Das sei hygienischer, vermeide lange Schlangen und schütze die Filiale vor Überfällen, argumentiert das Unternehmen.

Noch ist das eine eher ungewöhnliche Strategie. Wenn ein Händler oder Gastronom hierzulande eine Bezahlweise nicht akzeptiert, dann handelt es sich dabei weiterhin meist um die Kartenzahlung. Ein Einzelfall ist Dean & David trotzdem nicht: Einige Cafés vor allem in größeren Städten wie Berlin, Hamburg oder München haben Münzen und Bargeld schon verbannt, genauso die Hotel-Kette Meininger oder Festivals wie das Isle of Summer. Was sich da andeutet, ist eine Revolution auf Raten. "Ich habe den Eindruck, dass sich momentan vor allem Unternehmen mit junger Zielgruppe vom Bargeld verabschieden, die sich dadurch einen coolen Anstrich geben wollen", sagt Nils Beier, der sich bei dem Beratungsunternehmen Accenture mit Themen rund ums Bezahlen befasst. "Aber auch andere Betriebe merken, dass Bargeld vergleichsweise unpraktisch ist."

Während der Corona-Pandemie riefen Einzelhändler ihre Kundinnen und Kunden vermehrt dazu auf, doch lieber mit der kontaktlosen Karte und damit bargeldlos zu bezahlen. Zwar war schon zu Beginn der Krise schnell klar, dass von Münzen und Scheinen wohl keine große Infektionsgefahr ausgeht. Doch trotzdem fühlten sich viele Menschen offenbar wohler, nicht mit Kupfer oder Papier zu hantieren: Lag der Anteil der Barzahlungen im Jahr 2017 noch bei fast 75 Prozent, war er im ersten Pandemiejahr 2020 auf 60 Prozent gesunken - ein Absturz, wenn auch auf hohem Niveau im traditionell bargeldaffinen Deutschland. Plötzlich stand selbst in der Bäckereifiliale ein Kartenlesegerät.

Ermöglichen es Betriebe ihrer Kundschaft, bargeldlos zu bezahlen, kostet das Geld: Pro Transaktion fließen je nach Karte bis zu 0,3 Prozent der Rechnungssumme an die kartenausgebende Bank, hinzu kommen vor allem bei der Zahlung mit Kreditkarte weitere Gebühren. Allerdings: "Auch Bargeld ist für Händler nicht umsonst, denn das Geld zu zählen und zur Bank zu bringen, bindet Personal", sagt Beier. Insbesondere in ländlichen Regionen sind es schon mal 25 Kilometer bis zur nächsten Filiale, schließlich haben die Geldinstitute in den vergangenen Jahren Tausende Niederlassungen dichtgemacht. Da damit teilweise auch Geldautomaten verschwunden sind, wird es für Verbraucher gleichermaßen mühsamer, an Bargeld zu kommen.

Manche sorgen sich, nicht mehr anonym zahlen zu können

In skandinavischen Ländern zeichnet sich diese Entwicklung schon lange ab. In Kopenhagen, Stockholm oder Oslo akzeptieren viele Cafés und Bars kein Bargeld mehr. Für die meisten Menschen dort ist es selbstverständlich, selbst das Obst auf dem Markt oder die Spende in der Kirche bargeldlos zu bezahlen. Der Vorteil: Auf diese Weise sind Zahlungsströme leichter nachverfolgbar - und Kriminelle haben es schwerer. Vereinzelt regt sich aber auch Widerstand von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern. Sie sorgen sich, mancherorts kein anonymes Zahlungsmittel mehr nutzen zu können. Die Angst, dass irgendwann jeder Einkauf von eifrigen Datensammlern nachverfolgt werden könnte, treibt auch die Anhänger des Bargelds hierzulande um.

Die gute Nachricht für sie lautet: An der Tatsache, dass Euro-Banknoten und Euro-Münzen in Deutschland gesetzliche Zahlungsmittel sind, kann weder eine Salatbar noch ein Festival rütteln. "Rein rechtlich steht es Verbrauchern zu, ihre Rechnung bar zu bezahlen", sagt Beier. "Allerdings können Händler oder Gastronomen dies umgehen, wenn sie etwa gut sichtbar auf einem Schild am Eingang darauf hinweisen, kein Bargeld anzunehmen." Auf dieses Prinzip der Vertragsfreiheit verweist auch die Bundesbank.

Für Verbraucher kann das bedeuten, im Fall der Fälle doch die Karte zücken oder das Geschäft mit leeren Händen verlassen zu müssen. Eine Befragung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) hat ergeben, dass gut jeder zehnte Befragte schon einmal in dieser Situation war. "Das ist keine gute Entwicklung", kritisiert Dorothea Mohn, die das Team Finanzmarkt beim VZBV leitet. Sie sieht die Politik in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Bargeld weiterhin verfügbar ist und im Handel und in der Gastronomie akzeptiert wird.

Die meisten Betriebe dürften ohnehin gut daran tun, der Kundschaft die freie Wahl zu lassen, wie sie bezahlen. Als im Mai Tausende Bezahlterminals im Einzelhandel tagelang ausfielen, zeigte sich, dass Deutschland für einen Alltag ganz ohne Bargeld offenbar nicht gewappnet ist. Jedenfalls noch nicht.

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