Robert Bueninck übernahm im Sommer 2021 die Führung beim deutschen Zahlungsdienstleister Unzer, da meldeten sich auch schon umgehend Beamte der deutschen Finanzaufsicht Bafin bei ihm. Sie wollten sich die Firma einmal genauer anschauen. Die Behörde ist seit der Wirecard-Pleite sensibilisiert für den Sektor, gilt er doch als Einfallstor für Geldwäsche. Unzer, seit zwei Jahren im Besitz des US-Finanzinvestors KKR, ist mit seinen 70 000 Kunden der größte noch unabhängige Zahlungsdienstleister hierzulande. Tatsächlich wurden die Bafin-Prüfer fündig. Die Sonderprüfung habe "eine Vielzahl von zum Teil gravierenden Mängeln in (...) der Unternehmenssteuerung, Kontrollmechanismen und Verfahren" ergeben; es habe dadurch bei Unzer "ein sehr hohes Risiko für kriminelle Geldwäscheaktivitäten" bestanden, schrieb die Behörde Ende August und griff hart durch. Seit Ende Juli darf eine Unzer-Tochter, die frühere Heidelpay, keine neuen Kunden mehr aufnehmen. Ein Sonderbeauftragter überwacht, ob Unzer sämtliche Behördenanordnungen umsetzt. Bueninck ist jetzt nicht nur Chef, sondern auch Chefaufräumer.
Die Bafin hat die ganze Branche in den Fokus genommen. "Wir prüfen jetzt schwerpunktmäßig, ob die vielen Zahlungsdienstleister hierzulande effektiv gegen Geldwäsche vorgehen", sagte die Bafin-Exekutivdirektorin Abwicklung und Geldwäscheprävention, Birgit Rodolphe, der Süddeutschen Zeitung. "Wir wissen, dass es da Schwachstellen gibt, und wollen verhindern, dass Gelder aus kriminellen Quellen in den Finanz- und Wirtschaftskreislauf eingeschleust werden." Die Behörde führt in ihren Unterlagen mehr als hundert Firmen, die wie Unzer unter das jüngst reformierte "Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz" (ZAG) fallen. Sie alle müssen damit rechnen, dass sich die Aufsicht jetzt genauer anschaut, für welche Kundschaft sie digitale Umsätze abgewickelt haben.
Zahlungsdienstleister übernehmen den Bezahlvorgang zwischen Kunden und Händlern, beispielsweise in der Apotheke, in Restaurants und Onlineshops, aber auch in den Dunkelbereichen des Internets, wo Sex, Waffen und Menschen gehandelt werden. Manche Zahlungsdienstleister stellen Kontoinformationen bereit, andere saldieren Zahlungen, wieder andere nähern sich durch entsprechende behördliche Zulassungen immer mehr einer Vollbank an. Es ist ein neuer, moderner und in vielen Teilen weniger streng regulierter Bereich des Finanzsektors, der 2007 in der EU politisch gewollt war, um den "alten" Banken Konkurrenz zu machen.
Die Zahlungsdienstleister genießen gesetzlich erleichterte Anforderungen bei der Geldwäschekontrolle. Das aber erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die kriminellen Kunden dort durchs Raster fallen. Weil reguläre Banken die Kundschaft aus dem Rotlicht-, Wett- und Glücksspielbereich inzwischen meist ablehnen, heuert der Grausektor bei Zahlungsdienstleistern an, die damit viel Geld verdienen.
Getarnte Porno-Umsätze auf Sammelkonten
Dennoch kommen die Banken zurück ins Spiel. Und das funktioniert so: Weil den Zahlungsdienstleistern häufig die vollständige Infrastruktur fehlt, um Zahlungen auch verbindlich abzuwickeln, müssen sie sich für die Abwicklung ihrer Kundenzahlungen aus dem Glücksspiel- und Pornogeschäft eine Bank suchen. Die Banken holen sich die Schmuddelkundschaft also durch die Hintertür wieder herein, tun dies aber nicht freiwillig: Der Gesetzgeber möchte das so. Im einschlägigen Paragraphen 56 des ZAG, ist der "Kontrahierungszwang" vorgeschrieben: Banken müssen den Zahlungsdienstleistern seit 2019 eine Schnittstelle zur Verfügung stellen. Darauf werden die Zahlungen ausgeführt - angesichts der Masse in gebündelter Form. Diese Treuhandsammelkonten mit Abertausenden Einzelüberweisungen sind oft eine Blackbox. Zwar haben die Großbanken eigene Überwachungssysteme, um verdächtige Zahlungen zu identifizieren. Doch "wenn man die Blackboxes der Zahlungsdienstleister alle in das Monitoring einpflegen würde, dann würden die heutigen Ausstattungen der Banken komplett in die Knie gehen", beklagt der Geldwäschebeauftragte einer Großbank. Professionelle Geldwäscher nutzen diese Lücke seit Jahren. Die Bafin möchte das Einfallstor jetzt schließen.
Der Fall Unzer passt ins Bild, denn deren vor einem Jahr in Unzer E-Com umbenannte Tochter Heidelpay hatte von 2018 bis 2021 nach Angaben der Behörde Geschäfte mit Scheinfirmen gemacht, um Umsätze aus dem Pornogeschäft zu tarnen. Für solches "Hochrisikogeschäft" verlangen Kreditkartenfirmen in der Regel deutlich höhere Gebühren. Also lässt man Porno-Umsätze beispielsweise wie Bücherumsätze aussehen - dieses Umetikettieren ist spätestens seit dem Fall Wirecard eine weithin bekannte Verschleierungsmethode.
Bueninck ist übrigens nicht der Einzige, der bei Unzer aufräumen soll. An seiner Seite hat er auch Martin Blessing: Der Ex-Commerzbank-Chef übernimmt den Vorsitz eines neuen Beirats bei Unzer - auf Wunsch von KKR und in Absprache mit der Bafin. Mit Geldwäsche-Themen ist Blessing auch bei der Danske-Bank in Berührung gekommen, deren Verwaltungsratschef er seit März ist. Die dänische Bank ist mitverantwortlich für einen der größten Geldwäsche-Fälle in Europa.