Tarifstreit:Bahn will mit neuem Angebot Streiks verhindern

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Im Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft standen die Zeichen zuletzt auf Eskalation. Doch nun geht der Konzern einen Schritt auf die Gewerkschaft zu. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Mitarbeiter sollen erstmals ihre Arbeitszeit reduzieren können, ohne auf Lohn verzichten zu müssen. Wird das neue Zugausfälle abwenden?

Von Alexander Hagelüken

Die Deutsche Bahn hat im Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft (GDL) ein neues Angebot vorgelegt, um die bereits angekündigten Streiks zu verhindern. DB-Personalvorstand Martin Seiler offeriert insgesamt bis zu 13 Prozent mehr Lohn als bisher plus Inflationsprämie, verteilt auf 32 Monate. Damit stockt er sein bisheriges Angebot um zwei Prozent auf.

Außerdem bekommen Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit von dem Jahr 2026 an um eine auf dann 37 Stunden die Woche zu reduzieren, ohne dabei weniger Gehalt zu verdienen als vorher. Damit geht die Bahn erstmals in dieser Tarifrunde auf die Kernforderung der Gewerkschaft ein, dass Arbeitnehmer kürzer arbeiten können sollen, ohne weniger zu verdienen.

"Wir erwarten, dass die GDL nun an den Verhandlungstisch zurückkehrt", sagte Seiler. "Es gibt keinen Grund für weitere Streiks." GDL-Chef Weselsky hatte erst vergangene Woche mit einem Arbeitskampf drei Tage lang die meisten Zugverbindungen ausfallen lassen - und bereits noch heftigere Streiks angekündigt, wenn die Bahn "nicht zur Besinnung" komme.

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Ob ihn das neue Angebot des Konzerns von weiteren Arbeitskämpfen abhält, ist offen. Es klafft nach wie vor eine große Lücke zu den Forderungen der Gewerkschaft. So verlangt Weselsky neben einer Lohnerhöhung eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht nur auf 37, sondern auf 35 Stunden, ohne dass Beschäftigte einen Cent weniger verdienen sollen. Dies will die Bahn zwar als Wahlmöglichkeit zugestehen, aber nur mit Lohnverzicht.

Die Frage ist auch, ob Weselsky der Stichtag 2026 für kürzere Arbeitszeiten ohne Lohnverzicht zu spät ist. Seiler begründete das Datum unter anderem damit, dass er Zeit brauche, um genug neue Mitarbeiter an Bord zu holen, um die kürzeren Arbeitszeiten aufzufangen. Bei der von der GDL geforderten 35-Stunden-Woche müsste der Konzern sogar zehn Prozent mehr Mitarbeiter holen, was angesichts der Personalknappheit am Arbeitsmarkt völlig unrealistisch sei.

Ein Streitpunkt könnte auch sein, dass die Bahn vorschlägt, den Lohnausgleich für eine 37-Stunden-Woche teilweise mit den geplanten Gehaltserhöhungen zu verrechnen. Schichtarbeiter wie die Lokführer und das Zugpersonal sollen ein Wahlrecht erhalten: Entweder sie reduzieren ihre Arbeitszeit von 2026 an bei gleichem Gehalt von 38 auf 37 Stunden. Dann erhalten sie aber von der gesamten Lohnerhöhung von in mehreren Stufen 13 Prozent nur rund zehn Prozent. Wer dagegen wie bisher 38 Stunden arbeitet, bekommt 13 Prozent Lohnerhöhung.

Diese Differenzierung dürfte GDL-Chef Weselsky nicht gefallen. Das Angebot des Konzerns wäre aber etwas, was sich in Verhandlungen verändern ließe. Tarifrunden sind ja ein Geben und Nehmen, Arbeitgeber schlagen nie von sich aus so viel vor, dass eine Gewerkschaft nur noch Ja sagen muss. Die Bahn schlägt Gespräche für kommenden Donnerstag vor.

Weselsky hatte zu Beginn der Tarifrunde im November auch angedeutet, dass er sich Kompromisse bei der 35-Stunden-Woche vorstellen könne. Danach war seine Haltung aber zusehends konfrontativer geworden. Ende November erklärte er die Verhandlungen für gescheitert. Es gab bereits drei Streiks von insgesamt fünf Tagen. Deshalb erscheint es durchaus möglich, dass die GDL Verhandlungen weiterhin verweigert und bald zu neuen Arbeitskämpfen aufruft - womöglich schon kommende Woche.

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Weselsky kritisiert die Bahn hart und lobt regionale Zugbetreiber, die bereits Tarifverträge über eine 35-Stunden-Woche ohne Lohnverzicht abgeschlossen oder sich dazu bereit erklärt haben. Bahnmanager Seiler erklärte, diese Abschlüsse etwa von Netinera oder GoAhead seien "ein PR-Gag". Denn in den Verträgen gebe es eine Klausel, wonach die 35-Stunden-Woche ohne Lohnverzicht nur eingeführt werde, wenn auch die Deutsche Bahn so etwas vereinbare. "Diese Tarifverträge sollen uns unter Druck setzen. Das ist eine Farce."

Kleineren Zugbetreibern geht schneller das Geld aus als der Bahn, die dem Staat gehört. Deshalb knicken sie bei Streiks schneller ein. In der Branche wird spekuliert, dass die kleineren Firmen darauf hoffen, dass die Bahn die 35-Stunden-Woche für sie mit verhindert. Für den Konzern gibt es bei einer starken Verkürzung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden noch etwas mitzubedenken. Die GDL verhandelt nur für rund 10 000 Bahn-Beschäftigte. Setzt sie eine 35-Stunden-Woche durch, könnte auch die konkurrierende Bahn-Gewerkschaft EVG in der nächsten Tarifrunde so etwas fordern. Da sie rund 180 000 Bahn-Beschäftigte organisiert, würden kürzere Arbeitszeiten hier den Personalmangel drastisch verschärfen - und womöglich zusätzliche Zugausfälle und -verspätungen hervorrufen.

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