Corona-Hilfen:"Beschiss auf breiter Ebene"

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Demonstration von Reiseunternehmen in Leipzig: 21 000 Antragsteller gehen nun voraussichtlich leer aus. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Das Wirtschaftsministerium versprach Firmen, fachkundige Berater zu bezahlen. Doch die Mittel waren früh aufgebraucht - auch weil viele auf das schnelle Geld hoffen.

Von Klaus Ott und Jörg Schmitt, Hamburg/München

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lässt so gut wie nichts unversucht, Unternehmen in der Corona-Krise tatkräftig zu helfen. Doch das Vorhaben, kleine und mittelgroße Firmen mit versierten Beratern vor dem Ruin zu retten, ist ziemlich danebengegangen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) hatte ab Ende März Firmen und Selbständigen angeboten, sich für einen Zuschuss von 4000 Euro einen Berater zu holen, der ihnen mit guten Tipps aus der Krise helfen könne.

Doch das vom Wirtschaftsministerium verantwortete "Programm zur Förderung unternehmerischen Know-hows" war völlig unterfinanziert. Binnen weniger Wochen gingen nach Recherchen von SZ, NDR und WDR mehr als 33 000 Anträge ein, die den Staat mehr als 130 Millionen Euro gekostet hätten. Bereitgestellt hatte das Ministerium aber nur 15,34 Millionen Euro. Die Folge: Bereits nach den ersten gut 12 000 Anträgen, die bis 19. April vorlagen, vollzogen Ministerium und Bundesamt eine Vollbremsung. Sie legten intern fest, neuen Bewerbern keine Unterstützung mehr in Aussicht zu stellen.

Das Programm lief aber offiziell weiter, bis zu diesem Dienstag. Erst dann wurde es wegen fehlender Mittel "vorzeitig eingestellt", wie das Bafa jetzt in einer Pressemitteilung bekannt gab. In der Zwischenzeit hatten sich indes mehr als 21 000 weitere Antragsteller gemeldet - in der Hoffnung auf Hilfe. Die betreffenden Firmen gehen nun voraussichtlich leer aus.

Manche Unternehmen fordern nun, trotzdem alle bis zu diesem Dienstag eingegangenen Anträge zu prüfen und, sofern die sachlichen Voraussetzungen dafür vorlägen, auch zu genehmigen. Die Pressemitteilung der Bafa gibt dafür jedoch nichts her. Das vorgesehene Geld sei ausgeschöpft: "Es können auch keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden." Nichtsdestotrotz feiert das Bundesamt sein Beraterprogramm als Erfolg. Zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen werde "in der Krise geholfen". Die Zahlen sprechen aber eine ganz andere Sprache.

Von den 12 078 Anträgen aus den Anfangswochen des Programm wurde nach einer Prüfung bei 5965 Zuschussbegehren Fördergeld in Aussicht gestellt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Bundestagsanfrage der Abgeordneten Katharina Dröge von den Grünen hervor. Für die übrigen Anträge ist unter der Rubrik "Inaussichtstellungen" eine schlichte Null eingetragen. Nichts geht mehr. Dabei hatte der Mittelstandsbeauftragte des Wirtschaftsministeriums, Staatssekretär Thomas Bareiß, beim Start des Programms noch ganz anders geklungen. Das Ministerium erreichten täglich Hunderte Anrufe gerade von kleinen und mittleren Unternehmen, die von der Krise getroffen seien. Hier wolle man "schnell und unbürokratisch" helfen, so Bareiß. Ausbezahlt wurde bislang laut Ministerium noch nichts. Man prüfe alles intensiv.

Dazu besteht auch Anlass. Die dem Bundestag vorgelegten Zahlen besagen nämlich noch etwas anderes. Wenn von den ersten rund 12 000 geprüften Anträgen nicht einmal jeder zweite genehmigungsfähig sein sollte, dann hat die Aussicht auf pauschal 4000 Euro pro Beratung viele unseriöse Geschäftsleute angelockt. In der Hoffnung auf schnelles, leicht verdientes Geld. Das hatten Unternehmensberater, die ihren Job seit Langem machen, schon vor Wochen kritisiert und im Gespräch mit SZ, NDR und WDR vor "grandiosem Beschiss auf breiter Ebene" gewarnt.

Einer von ihnen, ein Berater aus Baden-Württemberg, hatte im April das Bundesamt per Mail angeschrieben und "zweifelhafte Angebote" beklagt. "Dem Subventionsbetrug sind Tür und Tor geöffnet." Das sei ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich an Regeln hielten und gute Beratung leisteten. Und es schade den Unternehmen, "die wirklich Hilfe benötigen". Vom Bundesamt kam eine automatische Mail-Antwort.

© SZ vom 29.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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