Autos:Wem gehören die Daten?

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Moderne Autos sammeln Unmengen an Daten. (Foto: Ulrich Stamm/Imago/Future Image)

Alle zwei Minuten schicken manche Automodelle Berichte an den Hersteller - auch um das Verhalten der Nutzer zu verstehen. Die Hersteller glauben, diese Daten gehören ihnen. Die Versicherer sehen das anders.

Von Ralf Gehlen, Ismaning

Moderne Autos produzieren Massen an Daten. Der ADAC hat bei einigen Modellen genau nachgesehen: Der BMW 320d zeichnet auf, bei welchem Kilometerstand der Motor die Höchstdrehzahl erreicht und wie lange der Fahrer mit den verschiedenen Modi des Automatikgetriebes "Dauer", "Manuell" und "Sport" unterwegs ist. Damit kann der Fahrstil bewertet werden. Das Auto weiß, wie oft der elektrische Fahrersitz verstellt wird und kann so messen, wie viele Fahrerinnen und Fahrer den Wagen benutzen.

Bei jeder Fahrt, mindestens alle 30 Minuten, sendet der Renault Zoe ein Datenpaket an Renault. Es enthält diverse Seriennummern, Datum, Uhrzeit, Position, Temperatur, Ladezustand und Zellspannung der Antriebsbatterie. Die Mercedes B-Klasse (W246, 2011 bis 2018) verschickt alle zwei Minuten die Position und Statusdaten an Mercedes. Das Auto speichert die Zahl der motorischen Gurtstraffungen, zu denen es auch aufgrund starken Bremsens kommt.

Für die Autoversicherer sind all diese Daten Gold wert

Eine ähnliche Datensammelwut legen alle modernen Autos an den Tag. Und: Bei einem Unfall setzen sie automatisch einen Notruf ab. Die Notrufzentralen setzen sich dann mit den Betroffenen in Verbindung. Für die Autoversicherer sind all diese Daten Gold wert. Sie wollen bei einem Unfall sofort informiert werden. Dann können sie die Schadenregulierung direkt in die Hand nehmen und damit viel Geld sparen. Denn sie verhindern, dass sich Abschlepper, Werkstätten und Anwälte einschalten, die den Prozess teurer machen.

Einige Versicherer bieten Telematik-Tarife an, die Preisnachlässe gewähren, wenn sich der Fahrer an die Verkehrsregeln und die Vorschriften für sicheres und nachhaltiges Fahren hält. Die Einhaltung dieser Regeln wird durch Apps auf dem Handy oder durch Sensoren gemessen. Hätten die Versicherer Zugriff auf die Daten, die das Fahrzeug sammelt, wäre das viel einfacher, genauer und billiger. Manche Versicherer kaufen deswegen den Herstellern die Daten ab.

Aber die eigentliche Frage ist: Wem gehören sie eigentlich? Uns natürlich, sagen die Hersteller. Nein, dem Nutzer des Fahrzeugs, sagen die Versicherer, und hoffen, dass sie die Daten dann von ihm bekommen - als Teil eines günstigen Versicherungsangebots.

Die Allianz will mit Sensor- und Kameradaten Unfälle untersuchen

Besonders kundenfreundlich gibt sich die Allianz. "Wir können deutlich risikogerechtere Versicherungsangebote kalkulieren, die sowohl die Fahrweise von Fahrerinnen und Fahrern als auch die Ausstattung des Fahrzeugs mit Sicherheitssystemen, und ob diese ein- oder ausgeschaltet sind, berücksichtigen", sagte Klaus-Peter Röhler, Vorstandsmitglied der Allianz SE, auf dem Autotag des Versicherers im Allianz-Zentrum für Technik in Ismaning. "Gleichzeitig können die Sensor- und Kameradaten für die ordnungsgemäße, korrekte und faire Untersuchung eines Unfalls und zur Haftungsklärung verwendet werden." Die Allianz kalkuliert, dass Versicherte bis zu 30 Prozent der Prämie sparen können.

Der Münchner Versicherer unterstützt den von der Europäischen Union auf den Weg gebrachten "Data Act". Durch das neue Datengesetz sollen Nutzerinnen und Nutzer von Geräten und Maschinen das Recht bekommen, selbst über die Weitergabe der Daten zu entscheiden. Mit dem vorliegenden Entwurf ist die Allianz aber noch nicht ganz zufrieden. Sie fordert, dass Nutzer volle Transparenz darüber erhalten, welche Daten das Fahrzeug sammelt. Außerdem soll es einen "unabhängigen Datentreuhänder" geben, der einen sichereren Austausch persönlicher Daten ermöglicht.

Dazu hat der Versicherer eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse zeigen, dass Fahrer auch an der Datensammelei durch die Versicherer zweifeln: Danach sind nur 58 Prozent der Befragten in Deutschland einverstanden, ihre Daten automatisiert an Dritte weiterzugeben, wenn das zu einer schnelleren Regulierung von Schäden führt. Und nur 53 Prozent können sich vorstellen, die Daten mit dem Versicherer zu teilen, um eine bessere Serviceleistung wie die automatische Unfallerkennung oder Pannenhilfe zu erhalten.

Auch für die Wertermittlung gebrauchter E-Autos könnten die Daten wichtig werden

Viel wichtiger ist den Befragten die Möglichkeit der Datenlöschung: Sie wird von 78 Prozent der Befragten eingefordert. Vor allem, wenn Leasing- oder Mietwagen zurückgegeben werden, wollen Nutzer die Daten restlos löschen können. 70 Prozent der Befragten wünschen sich einen Hinweis, sobald das Fahrzeug Daten sammelt.

Die Möglichkeit der Datensammlung wird auch in einem ganz anderen Zusammenhang immer wichtiger, glauben die Allianz-Experten: für die Wertermittlung eines gebrauchten Elektroautos. Dass sich heute die Funktionstüchtigkeit einer Batterie bei einem gebrauchten Elektrofahrzeug noch nicht aussagekräftig bestimmen oder gar anzeigen lässt, ist ein Grund, warum der Gebrauchtwagenmarkt für diese Autos nicht in Schwung kommt. Der Ersatz einer Batterie kostet zwischen 10 000 Euro und 50 000 Euro.

"Negative Einflüsse auf den Akku können schnell zu einem gesteigerten Kapazitätsverlust von bis zu 20 Prozent führen", sagt Frank Sommerfeld, Chef der Allianz-Versicherung, und nennt als Beispiele häufiges Schnellladen, zu niedrige Ladestände, hohe Umgebungstemperaturen und lange Standzeiten. Er fordert die Möglichkeit zur unabhängigen Zertifizierung des Batteriezustandes eines E-Autos. "Nur damit lässt sich sicherstellen, dass in Zukunft der Gebrauchtwagenhandel datenbasiert und korrekt abwickelt werden kann", sagt Sommerfeld.

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