Nahaufnahme:Smarte Wächter im Keller

Lesezeit: 2 min

"Digitale Technologien sind das wirksamste Mittel, auch alte Anlagen fit für effizienteren Betrieb und Klimaschutz zu machen", sagt Franka Birke. (Foto: oh)

Franka Birke will alte Gebäude effizienter machen: Sie digitalisiert Daten von Heizungs- und Trinkwasseranlagen, um Kosten zu reduzieren - und Emissionen.

Von Steffen Uhlmann

Wenn sich jemand auf die Jagd nach Daten begibt und dazu diverse Keller in Augenschein nimmt, dann hört sich das ziemlich spooky an. Und auch Datenschutzbeauftragte könnten im Falle von Franka Birke, 44, hellhörig werden. Schließlich gibt die junge Frau mit einigem Stolz vor, mittels Messstellen und Sensoren schon jetzt an bis zu 20 Millionen Daten herangekommen zu sein. Nur hat sie die vorrangig bei analog betriebenen Heizungs- und Trinkwasseranlagen unterschiedlicher Bauart eingesammelt, die zumeist schon seit Jahrzehnten in Wohngebäuden ihren Dienst tun.

"Ihr Betrieb erfolgt gewissermaßen im Blindflug", sagt Franka Birke. "Und das trifft bundesweit auf etwa 85 Prozent des gesamten Gebäudebestandes zu." Womit auch gesagt ist, welche Reserven für mehr Komfort, Kosteneinsparungen und Effizienz in der exakteren Steuerung solcher Anlagen stecken. Letztlich auch für den Klimaschutz, immerhin stammt ein Drittel der Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland aus dem Gebäudebereich. Die Europäische Union wolle bis 2030 die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors um mindestens 60 Prozent senken, sagt Birke. "Da kann unser Geschäftsmodell helfen."

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Die Berlinerin ist Chefin von metr, einem Start-up, das sie Ende 2016 in der Hauptstadt mit einer Kollegin aus dem Centre for Entrepreneurship gegründet hat. Mit dem Ziel, digitalisierte Technologien für die Fernüberwachung von betagten Anlagen zu entwickeln und der Gebäudewirtschaft anzubieten. Wie nötig die Branche solche sogenannten IoT-Lösungen (Internet of Things) hat, zeigt die Klimabilanz des vergangenen Jahres. Deutschland hat zwar sein Klimaziel für 2020 erreicht. Doch der Gebäudesektor hat dabei als einziger Treibhausgasverursacher seine zulässige Jahresemissionsmenge überschritten.

Dass die promovierte Betriebswirtschaftlerin, die jahrelang in der Umwelt- und Gründerszene aktiv gewesen war, auf das Gebäudemanagement verfallen ist, hat sicherlich auch etwas mit ihren familiären Wurzeln zu tun. Ihr Vater, ein Ingenieur und Architekt, hat ihr das Thema Gebäudeeffizienz nahegebracht. "Digitale Technologien sind das schnellste und wirksamste Mittel, auch alte Anlagen fit für effizienteren Betrieb und Klimaschutz zu machen", sagt sie. Und genau dies bietet sie ihren Kunden an.

Die ersten Entwicklungsschritte ging das metr-Team, das inzwischen mehr als 20 Mitarbeiter hat, mit zwei großen Wohnungsbaugesellschaften aus Berlin und Mannheim. Zusammen mit ihnen haben sie zunächst das Problem Fernauslesen von Wärme- und Wasserverbrauch der Mieter gelöst. Inzwischen aber bietet das Start-up Wohnungsunternehmen, Stadtwerken oder Projektentwicklern eine komplette Gebäudemanagement-Plattform an. Mit deren Hilfe erhalten die Gebäudeverwalter die volle Transparenz über den Betriebszustand ihrer Anlagen, weil sich auf der Plattform auch Daten anderer Unternehmen - etwa für Schließanlagen oder zur Überwachung von Aufzügen - zusammenführen lassen. "Unsere Kunden können dadurch sämtliche Informationen zu Verbräuchen und Betriebsdaten sowie Stör- oder Fehlermeldungen auf ihrem Rechner empfangen, auswerten und daraus rechtzeitig nötige Entscheidungen treffen", sagt die metr-Chefin.

Birkes Start-up, das zum Portfolio der Next Big Thing AG des Internet-Pioniers Harald Zapp gehört, hat inzwischen sechs große Wohnungsbaugesellschaften und ein Stadtwerk als Kunden gewonnen. Ziel von metr sei es, in den nächsten fünf Jahren Europas größte digitale Plattform für technisches Gebäudemanagement zu installieren und gleichzeitig profitabel zu wirtschaften, sagt sie und grinst: "Wir sind im Keller fündig geworden".

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