Investitionen:Haut das Geld raus

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Schienen am Ostbahnhof in München (Foto: Florian Peljak)

Die Finanzmärkte gieren nach deutschen Staatsanleihen - sie schenken dem Staat sogar Geld, wenn er Kredite aufnimmt. Das ist die perfekte Zeit für milliardenschwere Investitionen.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Deutsche Kinder lernen es schon in der Schule: Wir sind hier nicht bei Wünsch-dir-was. Draußen spielen, obwohl Hausaufgaben zu erledigen sind? Auf keinen Fall. Etwas Süßes vom Kiosk, obwohl das Taschengeld schon ausgegeben ist? Das geht nicht.

Doch, das geht, zumindest geht das für die Bundesrepublik im Jahre 2019. Die internationalen Finanzmärkte würden Deutschland sehr gerne Geld schenken, wenn das Land mehr investieren würde. Das ist so verrückt, dass man es wiederholen kann: Deutschland könnte Milliarden für die Bahn, für Kitas, für besseres Internet ausgeben - und der Staat würde Geld dafür bekommen, dass er welches ausgibt. Das verwundert, aber es ist noch wunderlicher, dass das Gegenteil passiert. Der Staat spart, der Bundeshaushalt verzeichnet Überschüsse, die schwarze Null steht. Das schadet der ganzen Gesellschaft, die Menschen könnten in einem besseren Deutschland leben.

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Warum wollen diese verrückten Finanzmärkte Deutschland Geld schenken? Länder nehmen Kredite über Staatsanleihen auf. Diese Staatsanleihen sind quasi das Bargeld für Banken und ähnliche Finanzinstitute. Wenn Menschen ihr Geld auf die Bank bringen, muss das Geld irgendwohin, die Bank kann ja nicht selbst zur Bank gehen. Das Geld wird - sehr vereinfacht gesagt - in Staatsanleihen geparkt. Und Schuldpapiere des deutschen Staats sind sehr begehrt, weil Deutschland als solide Volkswirtschaft gilt. In diesen wirtschaftspolitisch wilden Zeiten mit Zollstreit, Protektionismus und Währungsvolten sind deutsche Staatsanleihen so gefragt, dass die eine Bank einer anderen Bank eine deutsche Staatsanleihe für mehr Geld abkauft, als Deutschland dafür zurückzahlen muss. Wer das macht, verliert Kapital, die Rendite ist also negativ. Seit wenigen Tagen gilt das sogar für deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Die Finanzmärkte sind also bereit, Jahrzehnte auf Deutschland zu warten - und dann weniger zu bekommen, als sie bezahlt haben.

Wegen der negativen Renditen könnte Deutschland Milliardenkredite aufnehmen und investieren, ohne die Schuldentragfähigkeit des deutschen Staates zu gefährden. Schon jetzt vergibt die Finanzagentur des Bundes Anleihen, auf die es 0,0 Prozent Zinsen gibt, was nach fünf Jahren mit auch nur geringer Inflation bereits eine negative Rendite ergibt.

Die Zinsen für Deutschland sind historisch niedrig, daher ist jetzt die richtige Zeit für einen großen Investitionsschub. Den braucht es dringend, das ist mittlerweile bei vielen Ökonomen Konsens. Deutschland ist an manchen Ecken kaputtgespart worden. Es sind viele Milliarden Euro nötig, um das wieder auszugleichen. Und eigentlich müssen die zwei großen Zukunftsthemen des Landes mit viel Geld angegangen werden: die Digitalisierung und der Umbau in eine klimafreundliche Gesellschaft. Deutschland braucht schnelleres Internet, neue Funkmasten, ein modernes Stromnetz für erneuerbare Energien und vieles mehr. Doch anstatt das mit geschenktem Geld anzugehen, hält die Bundesregierung an der schwarzen Null fest.

Das geschenkte Geld sollte der Staat auch in Fachkräfte investieren

Denn keine Schulden zu machen, kommt bei vielen Deutschen gut an. Manche befürchten, dass die Politik, wenn sie einmal auf den Geschmack gekommen ist, nie wieder aufhören kann, Schulden aufzunehmen. Oder dass das Geld für Klientelpolitik missbraucht wird, die Deutschland nicht voranbringt. Oder dass eine Kommune das Geld nicht in gute Radwege investiert, sondern in drei Eissporthallen, die dann leer stehen. Das sind wertvolle Mahnungen, die allerdings untergewichten, dass Politiker abgewählt werden können, wenn sie in schlechte Projekte investieren. Vor allem ändern die Einwürfe nichts daran, dass in Deutschland der Bedarf an Investitionen sehr hoch ist - und das Angebot wegen der negativen Zinsen so unverschämt günstig.

Der Staat muss auch mehr in gewisses Personal investieren. Das ist hochumstritten. Viele Ökonomen begrüßen zwar Investitionen, meinen damit jedoch, in die Hardware der Bundesrepublik zu investieren, die Jahrzehnte Bestand haben wird, also in Brücken, Gleise, Stauseen. Mehr Geld für Personal lehnen sie wiederum ab, weil dadurch nur der Beamtenapparat wachse, was Deutschland nicht voranbringe. Doch ein großes Investitionsprogramm kann nicht funktionieren, wenn in den Bau- und Planungsämtern Fachleute fehlen. In vielen Kommunen ist das aber der Fall. Wer den Wäldern helfen will, braucht mehr Mitarbeiter in Forstämtern. Das geschenkte Geld sollte der Staat also auch in Fachkräfte investieren.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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