Rechtskolumne:Darf der Vermieter die Mietkaution behalten?

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Sorgfalt beim Ausfüllen des Wohnungsübergabe-Protokolls zahlt sich aus. Denn so können Mieter verhindern, dass ihnen beim Auszug Kosten für Schäden aufgebrummt werden, die sie gar nicht verursacht haben. (Foto: Kai Remmers/dpa-tmn)

Schäden in der Wohnung können Vermieter mit der vom Mieter geleisteten Kaution verrechnen. Was man dazu wissen sollte.

Von Carim Soliman

Das Ziel ist oft zum Greifen nahe, wenn das blassgelbe Papier auf dem Tisch liegt. Nur noch die Unterschrift - eine Formsache, ein Federstrich. Dann hält man endlich den Schlüssel zum neuen Zuhause in den Händen. Nach all den Mühen, den untertänigen Bewerbungen, den Besichtigungen mit mehr Andrang als bei einem mittelgroßen Bundesligaspiel. Natürlich möchte man die Übergabe jetzt einfach nur hinter sich bringen. Aber spätestens vor dem nächsten Umzug kann sich das rächen.

Wenn es um die Mietkaution geht, steht und fällt alles mit der Dokumentation, betont Anja Franz vom Mieterverein München. "Ich sage immer: Das Übergabeprotokoll so pingelig wie möglich ausfüllen." Niemand hat Lust, mit der Lupe jeden Kratzer im Fenster und jede Macke in den Fliesen zu suchen. Aber für jeden Schaden, der vor Beginn des Einzugs nicht festgehalten worden ist, können Vermieter die ausziehenden Mieter in die Pflicht nehmen. Das heißt, entweder beheben die Mieter ihn eigenständig oder sie müssen die Handwerker bezahlen, welche die Reparatur im Auftrag der Vermieter erledigen. In der Regel wird der Betrag dann von der Mietkaution abgezogen.

Fällt nach der Übergabe doch noch etwas auf, sollte man den Mangel so schnell wie möglich fotografieren und sich von einer Zeugin oder einem Zeugen bestätigen lassen, rät Franz. "Dadurch kann man belegen, dass der Defekt schon am Anfang des Mietverhältnisses bestand, und hat im Streitfall später bessere Chancen." Timing ist alles, auch bei der Wohnungsübergabe.

Ein unentdeckter Schaden kann auch den Vermieter teuer zu stehen kommen

Deswegen ist es wichtig, immer zwei Kopien eines Protokolls anzufertigen beziehungsweise sich einen Durchschlag aushändigen zu lassen. Sonst könnte eine Partei nach der Übergabe in ihrem Sinne heimlich nachbessern. Besagte Pingeligkeit ist allerdings für beide Seiten geboten. Hat die Vermieterin oder der Vermieter das Rückgabeprotokoll nach dem Auszug bestätigt, bleibt sie oder er auf Schäden, die im Nachhinein auffallen, meistens sitzen.

In einigen Fällen wäre Nachbessern aber ohnehin vergebens. Denn vor dem Gesetz sind nicht alle Kratzer gleich. Das Mietrecht sieht einige Sonderregelungen vor. Einerseits zugunsten der Mieter, zum Beispiel bezüglich "Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden", wie es im Juristen-Jargon heißt. Das bedeutet: Natürlich kommt es zu einer gewissen Abnutzung, wenn Leute für eine Weile irgendwo leben. Damit müssen Vermieter rechnen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Trotzdem versuchen sie hier oft zu tricksen, sagt Anja Franz, "Parkett ist der Klassiker." Natürlich muss der Mieter dafür geradestehen, wenn der Boden vor dem Auszug einem Acker gleicht. Die Kosten für die Reparatur dürfen Vermieter dann von der Kaution abziehen. Aber nicht selten nehmen sie kleinere Macken und Schrammen zum Vorwand, das Parkett komplett zu erneuern und die Vormieter zur Kasse zu bitten. Was konkret als Abnutzung gilt und was nicht, muss im Zweifelsfall ein Gericht klären. 2013 lehnte das Amtsgericht Zweibrücken beispielsweise die Klage eines Vermieters auf Schadenersatz ab (Az. 2 C 71/13). Sein ehemaliger Mieter hätte nach der Kündigung für einen verkalkten Duschkopf und ein abgebrochenes Getränkefach im Kühlschrank aufkommen sollen.

Nicht ganz so typisch, aber umso bemerkenswerter ist ein Fall aus Berlin. Dort starb im Oktober 2018 ein Mieter in seiner Wohnung, wurde aber erst einige Tage später gefunden. Die Wohnung musste aufwendig gereinigt werden, was die Vermieterin anteilig durch die Kaution decken wollte. Aber die Erben des Verstorbenen klagten erfolgreich dagegen. "Das Versterben in der Mietwohnung stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar", argumentierte das Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg nüchtern (Az. 15 C 59/2).

Die andere Seite der Medaille sind die sogenannten "Schönheitsreparaturen". Die umfassen laut Mietrecht das Tapezieren und Streichen von Wänden, Decken, Böden, Heizungen, Türen und Fenstern und können vertraglich durchaus in die Verantwortung der Mieter fallen. Allerdings gelten dafür strenge Rahmenbedingungen.

Ein Mietvertrag darf zum Beispiel keine Klausel enthalten, die Mieter vor dem Auszug grundsätzlich zum Streichen verpflichtet. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2007 (Az. VIII ZR 316/06). Auch eine zeitliche Staffelung, nach der von Mietern ein neuer Anstrich oder eine Renovierungsbeteiligung entsprechend bestimmter Fristen verlangt wird, hat der BGH für unzulässig erklärt (Az. VIII ZR 52/06). Ob und wann gestrichen werden muss, hängt allein vom Zustand der Wände ab. Und: Mieter dürfen selbst streichen, auch wenn das Ergebnis nicht an das von Profis heranreicht (Az. VIII ZR 294/09).

Eine Papierschlacht mag das Letzte sein, was Menschen wollen, wenn sie endlich eine Wohnung gefunden haben. Insbesondere, wenn der Mietvertrag noch nicht unterschrieben ist und Sorge besteht, den neuen Lehnsherrn auf den letzten Metern dadurch zu verprellen, dass man Mängel genau dokumentiert haben will. "Jetzt gerade habe ich wieder so einen Fall", berichtet Mietanwältin Anja Franz. "In der Wohnung müsste wirklich viel gemacht werden, aber der angehende Mieter hält still." Sie empfiehlt: Dann lieber erst noch eine Zwischenmiete einplanen, statt die Übergabe zu überhasten und später Lehrgeld zu zahlen, wenn Reparaturen für Schäden, die man nicht verschuldet hat, von der Kaution abgezogen werden.

Der Autor hat besondere Foto-Ordner in der Cloud: einen mit Ideen für Frisuren, einer dokumentiert Macken im Parkett. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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