Des einen Sucht und Freud, des anderen Leid: die Zigarette. Der Dunst, er bleibt eben nicht auf dem Balkon des Rauchers. Den Geruch hat, je nach Wetterlage und Windrichtung, auch mal der eine, mal die andere nebenan bei sich. Die Nachbarn aber müssen den Qualm nicht dulden, jedenfalls nicht ständig. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) 2015 in einem viel beachteten Urteil entschieden: Raucher können demnach dazu verpflichtet werden, nur zu bestimmten Zeiten auf eine Zigarette herauszukommen ( Az. V ZR 110/14 ).
Gestritten wurde in dem Fall in einem Haus in Brandenburg, die Mieter unten rauchten, die oben wollten den Geruch nicht mehr dulden. Das Problem: Zwischen den Wohnungen kollidierten die Grundrechte miteinander. Der eine hat das Recht auf seine Zigarette nach seinem Willen, der andere das Recht auf eine Wohnung ohne eine "wesentliche Beeinträchtigung" durch den Rauch. Um beides in Balance zu bringen, könne das Rauchen durchaus "nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme" eingeschränkt werden, entschieden die Richter - und brachten einen Stundenplan fürs Qualmen ins Spiel.
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Insgesamt scheinen die Nichtraucher über die Jahre immer häufiger recht zu bekommen vor Gericht. Lehnte beispielsweise das Amtsgericht Bonn noch 1999 alle Ansprüche gegen rauchende Hausgenossen ab ( Az. 6 C 510/98 ), entschied das Landgericht Hamburg 2012 bereits, dass Mieter umliegender Wohnungen durchaus einen Anspruch auf Mietminderung haben können, wenn eine Partei im Haus oft auf dem Balkon qualmt ( Az. 311 S 92/10 ). Und das Landgericht Frankfurt entschied 2014 schließlich, dass einem Eigentümer das Rauchen auf dem eigenen Balkon sogar ganz verboten werden kann - wenn die Wohnung über einen zweiten Balkon verfügt, wo der Rauch die anderen Bewohner des Hauses weniger beeinträchtigt ( Az. 2-09 S 71/13 ). "Rauchen als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist gesellschaftlich immer weniger akzeptiert. Deshalb ist auch künftig eher damit zu rechnen, dass die Gerichte strenger werden", sagt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg.
In der Wohnung gelten andere Regeln
Wenn es draußen also immer Stunk gibt wegen des Gestanks - dann vielleicht lieber drinnen? Gut, auch viele Raucher finden kalten Qualm im Zimmer ziemlich scheußlich. Aber immer noch besser, als sich mit denen nebenan vor Gericht zu treffen.
Und tatsächlich: In der Wohnung ist die Sache juristisch noch einmal etwas anders als davor. Nachbarn oder Vermieter haben hier kaum noch eine rechtliche Grundlage, sich einzumischen. Auch die Sucht gehört eben zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, die vom Grundgesetz geschützt ist. Klauseln im Mietvertrag, die das Rauchen in der Wohnung von vornherein verbieten, sind deshalb beispielsweise ungültig.
Grundsätzlich gehört das Rauchen drinnen in den allermeisten Fällen auch zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung, wie der BGH in einem anderen Urteil entschieden hat ( Az. VIII ZR 124/05 ). Da hatte der Eigentümer einer Wohnung in Baden-Württemberg Verunreinigungen durch Nikotinrückstände geltend gemacht und von den Mietern Schadenersatz verlangt, letztlich erfolglos: Einen "erheblichen Renovierungsbedarf" habe es in der Wohnung nicht gegeben, so die Richter. Später schränkte derselbe Senat zwar ein: "Exzessive" Raucher können durchaus zu Schadenersatz in der Wohnung verpflichtet werden, die Hürden dafür legte der BGH aber hoch: Das komme nur in Betracht, wenn sich die Schäden nicht mehr allein durch Schönheitsreparaturen wie Streichen oder Tapezieren beheben lassen ( Az. VIII ZR 37/07 ). Weil das in dem Streit aus Nordrhein-Westfalen aber nicht der Fall war, bekam der Vermieter auch hier nichts.
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Völlig hemmungslos darf aber auch drinnen nicht gequalmt werden, auch das hat der BGH eindeutig festgestellt ( Az. VIII ZR 186/14 ). Wenn ein Raucher selbst "einfache und zumutbare Maßnahmen" wie Lüften verweigert und damit etwa im Treppenhaus eine Geruchsbelästigung für die Nachbarn provoziert, kann das den Hausfrieden stören. Außerdem gilt das Gebot der Rücksichtnahme. Ein solches Verhalten kann, je nach Einzelfall, eine ordentliche oder sogar fristlose Kündigung rechtfertigen.
Im Extremfall kann das also bedeuten: Es wird doch wieder draußen geraucht. Auf der Straße.