Daheim ist es doch am schönsten. Oder wenigstens am praktischsten. Keine langen Pendelwege, keine teure Kantine, dafür mehr Flexibilität und Ruhe. Seit das Coronavirus die Menschen aus den Besprechungszimmern und vor die Webcams trieb, ist das ziemlich alltäglich geworden. Auch das Gespräch mit dem Team, der Chefin oder dem Kunden wird inzwischen ganz selbstverständlich per Videocall geführt. Man muss sich nur auf eines der vielen Programme einigen. Arbeit, das kann damit für Millionen Arbeitnehmer wie Selbständige inzwischen überall sein. Wer braucht schon ein Büro, wenn er eine Wohnung hat?
Nur wie der Vermieter das findet, danach hat meist niemand gefragt. Dabei muss der in vielen Fällen grundsätzlich erst mal zustimmen, bevor von zu Hause aus gearbeitet werden darf. "In einer Wohnung ein Gewerbe zu betreiben, ist nicht einfach so zulässig", erklärt Rechtsanwältin Beate Heilmann. Die Juristin hat eine Kanzlei in Berlin und ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein. "Grundsätzlich gilt: Der Mietvertrag ist entweder das eine oder das andere - Wohnen oder Gewerbe." Vor allem wenn Freiberufler und Selbständige daheim den Großteil ihres Lebensunterhalts verdienen, handle es sich ziemlich sicher um einen Gewerbemietvertrag - und das könne gravierende Auswirkungen für beide Seiten haben, sagt Heilmann: "Für Mieterhöhungen, Kündigungsfristen und so weiter gelten dann plötzlich ganz andere Regeln."
Zwar kann der Vermieter verpflichtet sein, auch die Erlaubnis für eine gewerbliche Nutzung der Wohnung zu erteilen - allerdings nur, wenn die Tätigkeiten "nicht nach außen in Erscheinung treten" und sie keine weiteren Auswirkungen auf die anderen Bewohner des Hauses oder auf die vermietete Wohnung selbst haben. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2009 entschieden (Az. VIII ZR 165/08). Ansonsten kann dem Mieter sogar der Vertrag gekündigt werden. Die Sache wird also gerade für Selbständige und Freiberufler schnell vertrackt. Denn grundsätzlich gilt: Eine Wohnung ist zum Wohnen da, nicht zum Arbeiten. Wer einen entsprechenden Mietvertrag abschließt, darf in den Räumen nicht einfach ein Geschäft eröffnen. Zugleich aber gilt eben auch: Auf die Außenwirkung kommt es an.
Hinzu kommt, dass gerade in Großstädten wie Berlin oder München oft ein sogenanntes Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum gilt. In diesem Fall muss auch die Kommune erst zustimmen, bevor eine Wohnung legal gewerblich genutzt werden darf. "Wenn die Behörden hier einen Verstoß feststellen, kann das teuer werden", warnt Heilmann. Denn dann werde ein Strafgeld fällig - und es erfolge die Aufforderung, das Gewerbe in der Wohnung aufzulösen.
Unproblematisch ist die Sache dagegen für angestellte Arbeitnehmer, die mehr oder weniger still im Home-Office vor sich hin werkeln. Das müsse dem Vermieter auch nicht gemeldet werden, sagt Anwältin Heilmann. "Ein häusliches Arbeitszimmer ist ja keine Außenstelle der Firma, der Mieter tritt also auch nicht nach außen in Erscheinung, und Publikumsverkehr oder weitere Angestellte gibt es auch nicht." Und weil das Arbeitszimmer daheim keine gewerbliche Nutzung ist und davon in der Regel auch keine besondere Störung für die Nachbarn ausgeht, darf der Vermieter eine solche Nutzung nicht im Mietvertrag ausschließen.
Die sicherste Lösung: gleich ein richtiges Büro mieten
Gehen dagegen Kunden und Lieferanten regelmäßig ein und aus, kann das sehr wohl die Ruhe im Haus stören. Beschwert sich also beispielsweise ein Nachbar, kann Ärger drohen, wenn der Vermieter nicht vorab Bescheid wusste. Wenn zusätzlich noch Mitarbeiter im Haus oder in der Wohnung beschäftigt sind, muss der Eigentümer in jedem Fall vorab zustimmen. Problematisch kann es auch werden, wenn neben dem Familien- auch der Firmenname neben der Klingel steht. Das gilt auch, wenn die Wohnung nur als Geschäftsadresse beim Gewerbeamt angegeben ist, die eigentliche Arbeit aber woanders passiert, hat der BGH (Az. VIII ZR 149/13) vor einigen Jahren entschieden. Auch wenn also nur der Briefkasten gewerblich genutzt wird, muss der Vermieter zustimmen.
Wer in der Wohnung ein Gewerbe betreiben will, steckt somit im Dilemma: "Ist man ehrlich, kann der Vermieter Nein sagen; macht man es heimlich, droht womöglich eine fristlose Kündigung", sagt Heilmann. Die Juristin rät deshalb zu einer dritten Möglichkeit: von Anfang an klare Verhältnisse schaffen. "Die sicherste Lösung ist deshalb: gleich ein richtiges Büro mieten - oder eine Wohnung, für die der Vermieter beide Nutzungen gestattet."
Wenn nicht, kann die Sache vor Gericht landen - und bisweilen kurios ausgehen. So entschied etwa das Landgericht Lübeck, wenig überraschend, dass der Vermieter kündigen darf, wenn in der Wohnung ohne vorherige Erlaubnis ein Bordell eingerichtet wird. Das ist ein "vertragswidriger Gebrauch der Mietsache", so die Richter (Az 6 S 48/92). Keine Handhabe hatte ein anderer Vermieter aber, als die Bewohner in der Wohnung und auf dem Balkon Pornos drehten und sie über das Internet vertrieben. Zumindest solange die Nachbarn nicht direkt etwas davon mitbekommen, liege "die Nutzung (im Wesentlichen) im Rahmen des vereinbarten Wohnzwecks", urteilte das Amtsgericht Lüdinghausen (Az. 4 C 76/18). Auch könnten Fremde nicht erkennen, um welche Wohnung es geht. Dass die "Aktivitäten der Beklagten" einen negativen Einfluss auf Vermietbarkeit und Wert der Immobilie haben, sei deshalb "nicht erkennbar", entschieden die Richter - und wiesen eine Räumungsklage des Vermieters ab.