Frauen-Bundesliga:Verschiebt sich das Machtgefüge?

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Ab nächster Saison im selben Team: Sydney Lohmann hat ihren Vertrag beim FC Bayern verlängert, Lena Oberdorf (re.) wechselt im Sommer vom VfL Wolfsburg. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Im Duell zwischen dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern könnte sich am Samstag die Meisterschaft entscheiden - und ein anderes Kraftverhältnis festigen, für das der Wechsel von Lena Oberdorf sinnbildlich steht.

Von Anna Dreher

Da war er also wieder, dieser Begriff. Diesmal bemüht vom Präsidenten des FC Bayern. "Wir haben großen Respekt vor dem VfL Wolfsburg, der enorme Verdienste um den deutschen Frauenfußball hat", sagte Herbert Hainer in dieser Woche dem Kicker. "Aber wir sind auf einem guten Weg, dass es hier zu einer (Achtung, jetzt, Anm. d. Red.) Wachablösung kommt."

Wer die Nummer eins ist, darüber ist immer wieder diskutiert worden, besonders, wenn - wie diesen Samstag (17.45 Uhr, ARD) - die besten Teams aufeinandertreffen. Mit Beginn des neuen Jahrtausends machten Frankfurt und Potsdam die Meisterschaft unter sich aus. Seit 2013 hat es keinen anderen Bundesligasieger gegeben als Wolfsburg (sieben Titel) und München (vier). Weil der VfL in dieser Zeit noch dazu bis auf eine Ausnahme im DFB-Pokal unbesiegbar war sowie in der Champions League bis zu dieser Saison immer mindestens unter die besten Acht kam und die Trophäe zweimal gewann, war die Frage recht eindeutig zu beantworten: Den besten Erfolgsplan hatte Wolfsburg mit dem Sportlichen Leiter Ralf Kellermann.

Momentan aber wirkt es, als könnten sich die Machtverhältnisse tatsächlich verschieben. Und vor allem die Entscheidung einer deutschen Nationalspielerin steht sinnbildlich dafür.

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Für Lena Oberdorf war es früher nicht vorstellbar, für den FC Bayern zu spielen - und doch wird sie es ab kommender Saison tun. Der Wunsch nach Veränderung dürfte eine Rolle gespielt haben, vielleicht noch dazu der Umzug in eine attraktivere Stadt. Aber dafür hätte Oberdorf auch nach Barcelona oder London gehen können. Mehr Geld hätte sie dort wohl ebenso verdient, und die Strahlkraft des Klubs wäre nicht geringer gewesen. Also? "Die Vision des Vereins, was man in den nächsten Jahren erreichen möchte, hat mir sehr gut gefallen", sagte die 22-Jährige Mitte Februar.

Und das ist dann am Ende vielleicht der Punkt, der im internationalen wie im nationalen Konkurrenzkampf ausschlaggebend sein könnte: Der FC Bayern schnürt sein Gesamtpaket verlockender als früher. Dass sich in Oberdorf nun eine der besten Fußballerinnen der Welt zum Dauerrivalen verabschiedet, macht die Angelegenheit für Wolfsburg nicht einfacher. Der VfL kann seinen Spielerinnen nicht mehr eine Art Garantie auf Titel aussprechen.

Wolfsburg scheint beim ganz großen Wettbieten bisweilen nicht mehr mithalten zu können

Schritt für Schritt haben die Münchnerinnen versucht, sich jenem Ziel zu nähern, das Klub-Boss Hainer nun frisch formuliert hat: den VfL endgültig abzulösen. Die größeren Ambitionen wurden 2017 mit dem Umzug auf den Bayern-Campus deutlich und zeigten sich in dem zur Saison 2019/2020 gestarteten Plan, der zur Professionalisierung führen sollte.

Schon die Verpflichtung der früheren VfL-Stürmerin Pernille Harder und Magdalena Eriksson vom FC Chelsea war ein Coup von Abteilungsleiterin Bianca Rech, der zudem offenbarte, welche finanziellen Möglichkeiten sie inzwischen hat. Bei Oberdorf wurde über eine Ablöse um die 400 000 Euro spekuliert - Rekord für eine deutsche Fußballerin. Auch die Vertragsverlängerung von Sydney Lohmann vergangene Woche war, wie Rech sagte "für uns von sehr großer Bedeutung". Wolfsburg wird vom VW-Konzern finanziert, scheint beim ganz großen Wettbieten bisweilen aber nicht mehr mithalten zu können. Auch Abwehrchefin Dominique Janssen geht. Was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass nach wie vor viele Nationalspielerinnen den grün-weißen Kader prägen. Allein im deutschen Aufgebot standen zuletzt acht Wolfsburgerinnen.

Vor dem Spitzenspiel zeigt eine einfache Rechnung, wie schnell sich die Lage ändern kann

Ob Bayern-Präsident Hainer mit seiner Einschätzung richtig liegt, wird sich ohnehin erst in ein paar Jahren fundiert beantworten lassen. Trainer Alexander Straus erinnerte vor dem Spiel sicherheitshalber daran. Wolfsburg sei "ein Team mit viel Erfahrung. Sie haben getan, was wir in der Zukunft tun wollen. Wir wollen jene Dominanz erreichen, die sie über viele Jahre hatten", sagte der Norweger. Aber das müsse nachhaltig angegangen werden: "Und ich glaube nicht, dass sie ihre Position abgeben wollen." Der FC Bayern sei noch immer dabei, aufzuholen - auch wenn der Kampf eng sei, was den Fortschritt zeige.

Eine einfache Rechnung veranschaulicht, wie schnell sich die Lage ändern kann: Gewinnen die Münchnerinnen nach dem Hinspiel (2:1) auch in der Rückrunde, hätten sie fünf Spieltage vor dem Saisonende sieben Punkte Vorsprung. Dann wäre die Sache ziemlich sicher gelaufen, und der FC Bayern könnte gar das Double anstreben - mit einem möglichen Pokalfinale gegen Wolfsburg im Mai. Gewinnen die Gastgeberinnen, beträgt der Abstand jedoch nur noch einen Zähler. Ein Sieg in Wolfsburg gelang dem FC Bayern zuletzt im Oktober 2008. Die Botschaft des VfL auf Werbeplakaten für die Partie in der Volkswagen-Arena war jedenfalls unmissverständlich: "Mia san hia zu Hause."

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