Super League:Die Rückkehr des Zombies

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Der spanische Super Cup als Übung für die Super League? Real Madrid (links: Luka Modric) und der FC Barcelona (Gerard Piqué) kickten im Januar fern der Heimat in Saudi-Arabien. (Foto: Ahmed Yosri/Reuters)

Auch ein Jahr nach seinem spektakulären Kollaps ist die "Super League" noch Thema. Zahlreiche europäische Regierungen kämpfen vor Gericht gegen das Projekt an - die Bundesregierung nicht.

Von Javier Cáceres, Berlin/London

Andrea Agnelli, Präsident von Juventus Turin, ist ein charmanter Mann. Aber mit der Realität nimmt er es so ungenau, dass er am Donnerstagabend Staunen hervorrief, als er auf der Bühne eines Londoner Luxushotels saß und zu einem an geschäftlichen Dingen des Fußballs überaus interessiertem Publikum sprach. Auf dem "Football Business Summit" der Wirtschaftszeitung Financial Times, um genau zu sein; das heißt: vor Investoren und Repräsentanten aus der Fußballindustrie.

Am 19. April 2021 war Andrea Agnelli im Schlepptau von Real Madrids Präsident Florentino Pérez vorgeprescht - und hatte die Idee einer fast hermetisch geschlossenen "Super League" in die Öffentlichkeit getragen - finanziert mit 3,5 Milliarden Euro von der US-Investmentbank JP Morgan. Die Super League sollte an die Stelle der Champions League der europäischen Fußball-Union Uefa treten.

"Die Super League ist nicht gescheitert", sagt Agnelli - und provoziert das Raunen des Publikums

Innerhalb von 72 Stunden kollabierte das Projekt unter dem Druck von Regierungen, Klubs, Verbänden, Ligen, der Uefa und der Fans. Neun Gründungsmitglieder sprangen ab, darunter alle sechs englischen Premier-League-Vereine. Es blieben neben Juventus und Real Madrid nur noch der FC Barcelona übrig; der FC Bayern, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain hatten vorab die Einladung abgelehnt. Und dennoch sprach Agnelli einen bemerkenswerten Satz aus: "Die Super League ist nicht gescheitert."

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Italienische und spanische Sportmedien hatten in den vergangenen Tagen berichtet, dass Agnelli in London ein neues, nachgeschärftes Super-League-Projekt vorstellen würde. Das blieb aus. Doch das heißt nicht, dass sie untätig wären. Javier Tebas, Präsident des spanischen Ligaverbandes (LFP), wartete mit der von Agnelli unwidersprochenen Nachricht auf, dass sich die "Schiffbrüchigen", wie Tebas spottete, in der letzten Woche im Hause Agnellis getroffen hatten. "Da schwierig werden dürfte, dass die englischen Klubs an einer Super League teilnehmen, soll es nun eine kontinentaleuropäische Superliga geben", will Tebas erfahren haben. Von Agnelli dazu: kein Wort. Wobei sich Agnelli Fragen zu Tebas verbat. Der Grund: Für die Separatisten hatte Tebas nicht nur Spott übrig gehabt, sondern eine Bemerkung, die Agnelli offenbar als beleidigend empfand: "Die lügen mehr als Putin", hatte er gesagt. Tebas habe sich damit selbst abgebildet, zürnte Agnelli Stunden später.

Die Super-League-Betreiber "leben offenbar in einer Parallelwelt", sagt Ceferin

Es war nicht die einzige Porträtzeichnung von London. Auch Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, der aus Nyon zugeschaltet wurde, malte die Super-League-Rebellen ab. "Ich habe es satt, über dieses Nicht-Fußballprojekt zu sprechen", sagte Ceferin. "Erst haben sie diese absurde Idee mitten in der Pandemie gestartet. Jetzt lesen wir, dass sie die Idee wieder loslassen - mitten in einem Krieg. Muss ich wirklich noch über diese Leute reden? Sie leben offenbar in einer Parallelwelt." Ceferin zeigte auch auf, welche Konsequenzen den Abtrünnigen blühen. Sie seien ja frei, einen neuen Wettbewerb zu gründen. Sollten sie dies jedoch tun, könnten sie nicht mehr an Uefa-Wettbewerben teilnehmen.

Gary Neville, der bei Manchester United zur Legende wurde und im April 2021 in seiner Rolle als wortgewaltiger TV-Experte markant gegen die Super League wetterte, sagte: Die Präsidenten von Real, Barça und Juve würden nicht weiter denken als an die Interessen ihrer drei (hochverschuldeten) Klubs. Die Idee sei nicht tot, gab Neville zu bedenken. Er hoffe auf eine Reform der Fußball-Gesetzgebung in Großbritannien, auf Grundlage des Berichts, den die Tory-Abgeordnete Tracey Crouch dem britischen Parlament vorlegte ("Fan-led Review of Football Governance"). Sollten die Empfehlungen umgesetzt werden - die unter anderem Fans und Vereinsmitgliedern größere Mitsprache einräumen sollen -, wäre der Sargnagel für die Super League da, glaubt Neville.

Uefa-Präsident Aleksander Ceferin (rechts) und Andrea Agnelli, der Boss von Juventus Turin, vertreten sehr unterschiedliche Positionen zur Zukunft des europäischen Klub-Fußballs. (Foto: Gregorio Borgia/dpa)

Was die Super-League-Betreiber womöglich noch mehr schmerzt: Bei den Bankern scheint der Glaube an die Super League zu schwinden. Timm William von "Tifosy Capital & Advisory" nannte die Super League aus finanzieller Sicht "nachvollziehbar". Aber er ergänzte: "Die smarten Investoren, die sich eigentlich nicht so sehr um die Fan-Perspektive scheren, werden sich um die Fans scheren." Die unausgesprochene Logik dahinter. Sie wollen ja deren Geld. Mark Affolter, Co-Direktor von "US Direct Lending, Ares Management", das einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag in den spanischen Topklub Atlético Madrid gepumpt hat, erklärte: "Wir haben unsere Fans gehört."

Die Hoffnungen der Abtrünnigen ruhen nun auf dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Das Handelsgericht in Madrid bat um eine sogenannte "Vorabentscheidung", um grundsätzlich zu klären, ob der Widerstand der Uefa gegen die Gründung der Super League mit dem Kartellrecht der Europäischen Union (EU) im Einklang steht. Agnelli sagte, die Uefa dürfe nicht gleichzeitig Aufsichtsbehörde, Monopolwächter und kommerzieller Betreiber von Fußballwettbewerben sein.

Das sehen nicht alle so. Das Online-Magazin Politico berichtete im Oktober 2021, mindestens 15 von 27 Regierungen aus der EU hätten "Stellungnahmen" gegen das Projekt abgeben - angeführt von Spanien, dem Heimatland von Super-League-Mastermind Florentino Pérez. Solche "Stellungnahmen" stehen jeder EU-Regierung zu. Deutschland aber verzichtet.

"Die Bundesregierung hat von einer Stellungnahme im angesprochenen Rechtsstreit vor dem EuGH abgesehen", hieß es seitens des für Sport zuständigen Innenministeriums auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Das war vor dem Regierungswechsel vom Dezember. Die Bundesregierung stehe einer Super League "unter sportfachlichen Gesichtspunkten kritisch gegenüber", hieß es. Aber: "Es liegt generell in der Verantwortung der maßgeblichen Akteure im Sport, sich unter Beachtung der geltenden Rechtslage auf Wettkampfformate zu verständigen und diese unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten angemessen zu regulieren." Die neue Bundesregierung erklärte nun: "An der grundsätzlichen Haltung (...) hat sich nichts geändert." Ein Termin für die mündliche Verhandlung vor dem EuGH steht noch nicht fest. Ob die dann für europäische Gerichte bindende Entscheidung noch in diesem Jahr gefällt wird, ist offen, hieß es am Freitag am EuGH.

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